Adenauers Erfindungen

Finni Jo Erdmann

Vor seiner Karriere als Bundeskanzler war Konrad Adenauer nicht nur Oberbürgermeister, sondern auch Erfinder und mehrfacher Patentinhaber. In drei Phasen seines Lebens hat er sich mit dem Erfinden beschäftigt und eine Vielzahl an Erfindungen hervorgebracht. Seine Patente erhielt Adenauer in Deutschland, aber auch im europäischen Ausland. Im öffentlichen Bewusstsein waren die Erfindungen zunächst kaum präsent, erst nach Adenauers Tod fanden sie vermehrt Aufmerksamkeit. Heute lassen sie sich anhand der Dokumente in seinem Nachlass detailliert rekonstruieren.

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Die Erfinderphasen

Adenauer beschäftigte sich mit Erfindungen vor allem in jenen Lebensabschnitten, in denen er beruflich noch nicht Tritt gefasst hatte bzw. nicht mehr tätig sein konnte. Die Phasen deckten sich mit Zeiten wirtschaftlicher Krisen und politischer Umbrüche, die Adenauer auch persönlich betrafen.

Wann genau Adenauer die erste Idee zu einer Erfindung hatte, ist nicht belegt. Das älteste überlieferte Zeugnis stammt aus dem Jahr 1902. Zu diesem Zeitpunkt war Adenauer 25 Jahre alt, hatte eine Vertretungsstelle bei der Staatsanwaltschaft des Amtsgerichts Köln inne und war bereits mit Emma Weyer verlobt. In einem Brief an sie erwähnt er eine „Patentsache“, an der er arbeitete.

Bereits kurz nach der Jahrhundertwende begann Adenauer mit der Ausarbeitung seiner ersten Erfindungen. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte er sich vor allem mit den bedeutenden technischen Verfahren der Zeit, etwa dem Dampflok-Antrieb. Adenauers Interesse an den Erfindungen ließ nach 1906 augenscheinlich nach; ab 1908 ruhten die Projekte ganz, weil er von seiner beruflichen Tätigkeit als Beigeordneter der Stadt Köln in Beschlag genommen wurde. Bis zum Kriegsausbruch 1914 beschäftigte sich Adenauer nicht mehr mit seinen Erfindungen.

Die Jahre des Ersten Weltkriegs und der frühen Weimarer Republik umfassen die zweite Erfinderphase Adenauers. In dieser Zeit entstanden seine amtlich bestätigten Patente. Höchstwahrscheinlich waren diese Erfindungen auch beruflich motiviert. Von 1915 bis 1920 widmete sich Adenauer, der in dieser Zeit unter anderem für die Lebensmittelversorgung der Stadt Köln zuständig war, zusammen mit den Bäckern Oebel aus Köln der Entwicklung eines Schrotbrotes und anschließend dem Herstellungsverfahren einer Sojawurst. Nachdem er Patente für Brot und Wurst erlangt hatte, wandte er sich wieder ausschließlich der Politik zu.

Die dritte und letzte Erfinderphase setzte ein, nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernommen und Adenauer aus seiner Heimatstadt Köln vertrieben hatten. Die letzten Dokumente, die zu den Erfindungen überliefert sind, stammen aus dem Jahr 1943. Danach scheint Adenauer seine Erfinderkarriere beendet zu haben.

Die Anfänge: Antriebs- und Verkehrstechnik

Im späten Kaiserreich beschäftigte sich Adenauer mit Fahrzeugen und Maschinen. Sein Interesse entsprach ganz der Modernisierungseuphorie und Technikbegeisterung der Zeit. Während seiner ersten Lebensjahrzehnte war in Deutschland das Schienennetzwerk ausgebaut worden, Dampfmaschine und Eisenbahn erfreuten sich großer Beliebtheit.

Seitenweise Berechnungen und Skizzen zeugen von einer intensiven Auseinandersetzung Adenauers mit Dampfmaschinen und Lokomotiven. Das erste Dokument, das eine solche Erfindung näher beschreibt und benennt, datiert auf das Jahr 1904. Es handelt sich um einen Bescheid des Kaiserlichen Patentamts mit dem Ergebnis einer Vorprüfung für einen „Verbesserten Zylinder für durch Dampf usw. betriebene Fahrzeuge“. Durch einen Bescheid des Kaiserlichen Patentamts von April 1904 stellte sich allerdings heraus, dass die Ausführungen über den „Verbesserten Zylinder“ vom Vorprüfer „nicht als zutreffend erachtet“ wurden. Damit konnte die Erfindung nicht patentiert werden.

Das Patentverfahren im kaiserlichen Deutschland

Der Prozess einer Patentanmeldung bis zur Patentschrift war mitunter langwierig: Zunächst musste der Patentanmelder die Erfindung samt Beschreibung und – wenn notwendig – auch mit einer Zeichnung schriftlich beim Patentamt einreichen. Dazu gehörte eine Anmeldegebühr zur Bearbeitung des Auftrags, die Anfang des 20. Jahrhunderts zwanzig Mark betrug. Danach wurde beim Kaiserlichen Patentamt, wie auch den nachfolgenden Deutschen Patentämtern, ein eigener Vorgang für die Anmeldung angelegt und diese vom „Vorprüfer“ auf ihre Patentierbarkeit, das heißt vor allem auf Neuheit, untersucht. In einem Vorbescheid bekam der Anmelder dann schriftlich Auskunft über die Entscheidung des Patentamts, wodurch er die Gelegenheit erhielt, gegebenenfalls noch Unterlagen nachzureichen bzw. Fehler zu korrigieren. Er wusste also über den Status seiner Anmeldung Bescheid und konnte sich überlegen, ob er der Anmeldung weiter nachgehen oder sie zurückziehen wollte. War die Anmeldung nicht patentfähig, wurde sie nach der Vorprüfung zurückgewiesen. Dagegen konnte jedoch binnen eines Monats Beschwerde eingereicht werden. Erwies sie sich als patentfähig, so wurde sie bekanntgemacht. Mit der Bekanntmachung traten „für den Gegenstand der Anmeldung zu Gunsten des Patentsuchers einstweilen die gesetzlichen Wirkungen des Patentes ein.“ Die Bekanntmachung geschah über den Reichsanzeiger, in dem Name und Inhalt der Patentanmeldung veröffentlicht wurden. Innerhalb einer Frist von zwei Monaten musste dann die Jahresgebühr für das erste Jahr bezahlt werden, andernfalls wurde die Anmeldung der Erfindung durch das Patentamt wieder zurückgezogen. Dem Patentinhaber wurde schließlich eine Patenturkunde ausgestellt.

Das Scheitern der ersten Bemühungen

Auch Adenauer musste dieses Verfahren für jede seiner Erfindungen durchlaufen. Er war aber nur begrenzt willens, eine Entscheidung zu seinen Ungunsten zu akzeptieren. Nachdem er etwa für den „Verbesserten Zylinder“ einen negativen Bescheid erhalten hatte, gab er nicht auf und arbeitete weiter an seinen Ideen. Unterstützung holte er sich bei einem Patentanwalt und Freund der Familie, Dr. Ing. Benno Gutmann Rülf. Darüber hinaus entwickelte Adenauer die von ihm selbst so genannte „Reaktionsdampfmaschine” und neben dem „Verbesserten Zylinder“ auch den ähnlich klingenden „Verbesserten Dampflok-Antrieb“. Trotz dieser Bemühungen blieben die Patentanmeldungen jedoch erfolglos. Beide Erfindungen wurden nach 1905 nicht mehr vorangetrieben.

Eine weitere Erfindung aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg war das „Verfahren zur Verhinderung der Staubentwicklung bei Automobilen“. Hier besteht ein direkter Bezug zur Antriebs-und Fortbewegungstechnik. Obwohl Adenauer selbst nie einen Führerschein besaß, beschäftigte er sich mit Verkehrs- und Mobilitätsfragen sowie den damit einhergehenden Problemen in der modernen Großstadt. Dazu gehörten für ihn schon damals Phänomene, die noch heute relevant sind, darunter Emissionen von Autos und Industrie. Zur Verhinderung der Staubentwicklung schlug er vor, dass man entweder den Bau des Automobils an die Luftwirbel anpassen oder aber, ähnlich wie beim Schiffbau, nachträglich eine klappbare Vorrichtung an die Fahrzeugrückseite anbringen sollte, um eine schiffsähnliche Form zu erzeugen. Für diese Erfindung erhielt Adenauer kein Patent. In einer Korrespondenz mit den Adler-Werken von 1905 wird zwar die Möglichkeit eines Abkaufs erwähnt. Hierzu scheint es jedoch nicht gekommen zu sein, da keine Dokumente über den Abschluss des Kaufvorhabens vorliegen.

Das Schrotbrot

Im Ersten Weltkrieg erfand Adenauer zusammen mit den Kölner Bäckern Oebel ein Mais-Schrotbrot.

Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 bekam Adenauer als Erster Beigeordneter der Stadt Köln den Auftrag, die Lebensmittelversorgung zu sichern. Zwar war Köln in den Wintern zwischen 1914 und 1918 eine der am besten versorgten Städte in Deutschland, aber die Bevölkerung taufte Adenauer etwas missmutig auf den Namen „Graupenauer“, nach der Graupensuppe, die regelmäßig zur Speisung der Bewohner gereicht wurde. Ab 1915 stand als Getreide hauptsächlich noch Mais zur Verfügung. Dieses musste aus Rumänien zugekauft werden. Hier nun setzte Adenauer seinen Erfindergeist ein. Zusammen mit Jean und Josef Oebel, zwei Kölner Brotfabrikanten, entwickelte er ein „Verfahren zur Herstellung eines dem rheinischen Roggenschwarzbrot ähnelnden Schrotbrots“, um den zur Verfügung stehenden Mais zu verarbeiten. Zum einen versuchte man so die verfügbaren Lebensmittel effektiver zu nutzen, zum anderen war Mais ein sehr sättigendes Produkt in einer Mangelwirtschaft. Doch die ersten Versuche, das Brot mit Mais zu backen, schlugen fehl; das Brot wurde viel zu feucht und schimmelte. Die Rezeptur gelang erst, als den Erfindern die Idee kam, den Mais zu darren, eine Prozedur, die auch bei Grünkern verwendet wird.

Beim Kaiserlichen Patentamt wurden die ersten Anmeldeversuche trotzdem abgelehnt. Als Begründung führte die Behörde am 8. Juli 1915 an, dass es sich bei der Erfindung „vielmehr um Vorschriften rezeptartiger Natur, welche jeder Fachmann auf Grund von Erfahrungen und Versuchen zu finden vermag“, handeln würde. Abermals holte sich Adenauer Rat von einem Patentanwalt, in diesem Fall von Dr. Julius Ephraim, dessen Spezialisierung in den Bereichen Chemie und Nahrungsmittel lag. Die Gebrüder Oebel zogen vermutlich ebenfalls einen Patentanwalt zu Rate. Es gibt Briefwechsel zwischen Adenauer, den Oebels und einem gewissen N. Meurer, der für die Erfinder in Kontakt mit dem Kaiserlichen Patentamt stand. Nach weiteren Überarbeitungen reichten sie eine neue Beschreibung der Erfindung ein. Anfang 1916 wurde die Anmeldung vom Patentamt indes zum zweiten Mal zurückgewiesen, weil sie als nicht spezifisch und originell genug erschien. Erst im Juni 1916, nach weiterer Überarbeitung, wurde die Anmeldung akzeptiert. Trotzdem sollte es noch bis zum 19. Februar 1917 dauern, bis die Erfindung für patentierbar befunden und veröffentlicht wurde. Dabei wurde sie auf das Anmeldedatum vom 2. Mai 1915 rückdatiert – eine übliche Praxis des Patentamts. Das Schrotbrot erhielt die Einstufung „Klasse 2 – Bäckerei“. Die endgültige Beschreibung nennt als Zutaten „40 Gewichtsteile Maismehl, 35 Gewichtsteile Gerstenmehl, je 10 Gewichtsteile Reismehl und Kleie sowie 5 Gewichtsteile Dextrin und die üblichen Gewürzzuschläge“.

Patentschrift für das Schrotbrot

Für Adenauer kam es aufgrund des Schrotbrotes kurzzeitig zu einem gewissen Interessenkonflikt mit der Stadt Köln. Als Erster Beigeordneter (dieses Amt hatte er seit 1909 inne) durfte er keine weiteren Einkommen beziehen, was sich bei einer Patentanmeldung und den daraus eventuell resultierenden Verdiensten als problematisch erwies. Ein Brief des damaligen Kölner Oberbürgermeisters Max Wallraf zeugt davon: Die Rechtskommission beschloss, dass Adenauer seine Erfindung „verwerten“ und die Stadt Köln „Rechte aus dieser Erfindung nicht herleiten könne.“ Weiter heißt es, dass Adenauer angeboten habe, der Stadt Köln Rechte an der Benutzung der Erfindung zu überlassen. Ausdrücklich bat Oberbürgermeister Wallraf um eine Bestätigung dieser Aussage.

Zusätzlich zu der erfolgreichen Anmeldung im Inland wandte sich das Erfinder-Trio an ausländische Patentämter. In Ungarn und den Niederlanden konnten sie ihre Erfindung im Dezember 1915 bzw. im Frühjahr 1917 ebenfalls patentieren lassen. Dazu korrespondierten Adenauer und die Oebels häufig mit Patentanwalt Ephraim, der sie bei der Anmeldung im Ausland unterstützte und sie über die Fortschritte der Anmeldung auf dem Laufenden hielt.
In Produktion ging das Schrotbrot jedoch nie. Ein Grund dafür wird die Maisknappheit in den letzten Kriegsjahren gewesen sein. Somit bezog Adenauer auch nie Einnahmen aus seiner Erfindung. Beim Schrotbrot handelt es sich um das einzige inländische Patent, das er besessen hat. Das Patent wurde im Inland bis 1921 verlängert, obwohl das Brot nachweislich nicht hergestellt wurde.

Die Sojawurst

Für die Sojawurst erhielt Adenauer eine britische Patenturkunde.

Noch während des Prozesses zur Patentierung des Schrotbrotes arbeitete Adenauer bereits an der nächsten Erfindung, der „Sojawurst“, einer Wurst mit Fleischbrühe und Soja. Als im heutigen Sinne veganes Produkt kann die Sojawurst nicht bezeichnet werden. Es ging Adenauer dabei aber auch nicht um den Fleischersatz, sondern um die Haltbarmachung der Wurst und die Streckung der Fleischmenge mit Soja. Neben der Fleischbrühe findet sich in den ersten Beschreibungen zusätzlich noch Fleischbrei. Schon vor der Patentierung ließ Adenauer seine Erfindung probehalber herstellen und verkosten. Dazu wandte er sich an das Kölner Krankenhaus „Lindenburg“, das heutige Universitätsklinikum. Der dortige Direktor Prof. Dr. Moritz verteilte sie an mehrere Patienten und urteilte anschließend: „Die Wurst wurde gern genommen, gut vertragen und, wie der Stuhlgang erkennen ließ, gut ausgenutzt.“

Auch bei diesem Verfahren zog Adenauer den Patentanwalt Ephraim zur Beratung heran. Im Mai 1915 gab ihm der Experte eine – leider nüchtern ausfallende – Einschätzung über die Erfolgschancen, eine Wurst mit „eiweißhaltigen Pflanzenprodukten“ patentieren zu lassen, da sie Ähnlichkeiten zur bereits patentierten „Erbswurst“ aufweise. Adenauer blieb jedoch hartnäckig. Eine der ersten Anmeldungen der Sojawurst betiteln die Erfindung als „Verfahren zur Geschmacksverbesserung von eiweißreichen und fetthaltigen Pflanzenmehlen und zur Herstellung von Wurst“. Hierfür erhielt er zunächst eine Ablehnung aufgrund der nicht ausreichend verständlichen Erklärung.

Adenauer meldete die Sojawurst nicht selbst an, sondern nutzte einen „Strohmann“ namens August Schlüter. Dieser bestätigte am 10. April 1918 schriftlich, dass er die Erfindung und die Rechte daran an den eigentlichen Erfinder abtrat, der zwischenzeitlich das Amt des Kölner Oberbürgermeisters übernommen hatte. Schlüter musste sich bereit erklären, unentgeltlich auf Nachfrage für die Übertragung der eventuellen Patentrechte die notwendigen Unterschriften zu leisten und dafür erreichbar zu bleiben. In den Unterlagen Adenauers ist leider nicht festgehalten, warum es genau zur Heranziehung des Strohmannes kam. Möglicherweise wollte Adenauer seine Erfindung unter anderem Namen anmelden, weil er mit seinem eigenen bisher keinen Erfolg gehabt hatte oder aber um eine erneute bürokratische Auseinandersetzung mit der Stadt – wie beim Schrotbrot – zu vermeiden.

So sah die - nicht vegetarische - Sojawurst aus.

Adenauer zog etliche Berater heran, darunter seinen Co-Erfinder für das Schrotbrot, Josef Oebel, seinen ersten Patentanwalt Rülf und viele weitere Personen und Institutionen. Im April 1918 bekam er die endgültige Auskunft, dass die Sojawurst nicht patentiert werden würde. Grund dafür war, dass sie trotz aller Veränderungen an Rezeptur und Herstellung noch immer gegen das deutsche Lebensmittelrecht verstieß. Nach dem Scheitern der Patenterwerbung im Inland versuchte Adenauer es abermals im europäischen Ausland. Über die Patentanwälte Rülf und Ephraim wandte er sich insgesamt an neun Einrichtungen, etwa in Dänemark, Schweden und Belgien. Mittlerweile wollte Adenauer auch nicht mehr die Herstellung der Wurst patentieren lassen, sondern ihre Konservierung durch Sojamehl. Dies schien – zumindest im Ausland – vielversprechender zu sein. Erfolg hatte Adenauer bis 1920 in Belgien, Ungarn, Österreich und Großbritannien. Danach verfolgte er die Patentierung der Sojawurst im In- und Ausland nicht weiter. Sie sollte seine letzte erfolgreich patentierte Erfindung bleiben.

Im Nationalsozialismus

Erst nachdem Adenauer 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt des Kölner Oberbürgermeisters vertrieben worden war und einige Jahre später im Siebengebirge eine neue Heimat gefunden hatte, nahm er die Erfindertätigkeit wieder auf. Nach der mehr als dreizehnjährigen Pause reaktivierte er teils Ideen aus seiner ersten Erfinderphase, widmete sich aber auch neuen Ideen, die hauptsächlich den Bereichen Haus und Garten zuzuordnen sind. Adenauer suchte nach Lösungen für Probleme, die sich ihm bzw. seiner Familie im praktischen Alltag stellten. Zugleich ist aber auch anzunehmen, dass er mit der Erfindertätigkeit die erzwungene Untätigkeit, zu der er im „Dritten Reich“ verurteilt war, zu kompensieren versuchte. „Man darf nie aufhören zu handeln!‘“, so hatte er einmal gegenüber seinem Stadtplaner Fritz Schumacher angemerkt: „Tätigkeit ist alles, das übrige findet sich schon.“ Diesem Motto scheint er auch bei den Erfindungen treu geblieben zu sein. Sie verschafften ihm Ablenkung in politisch und persönlich bedrückender Zeit.

Gartenpflege und Pflanzenschutz

Prototyp des elektrischen Insektentöters

Ab 1935 entwickelte Adenauer noch aus seinem Exil in Unkel ein „Verfahren zur Bekämpfung von Schädlingen in Pflanzen, Holz, Webstoffen, Haaren, u.dgl.“. Ziel seines „elektrischen Insektentöters“ war die Reduzierung des Einsatzes von Insektiziden und ähnlichen giftigen Stoffen bei der Gartenarbeit. Zur Insektenbekämpfung schwebte ihm die Kombination einer auf Wasser basierenden Lösung mit elektrischem Strom vor. Hierfür entwickelte er ein Gerät, das einem kurzen Besenkopf ähnlich sah. Der „Insektentöter“ bestand aus einer Bürste, in deren Borsten Adenauer mehrere nicht-isolierte Drähte einbauen ließ, die im Griff zusammengeführt wurden. Nachdem sie mit einem normalen Stecker unter Strom gestellt worden war, sollte die Bürste in eine „Spezialflüssigkeit“ getaucht und die von Insekten befallenen Pflanzen damit bepinselt werden. Adenauer wollte den Apparat noch dahin weiterentwickeln, dass die „Spezialflüssigkeit“ zusammen mit dem Strom durch den Bürstengriff gezielt an die Borsten geleitet werden konnte. Hierzu experimentierte er mit verschiedenen Bürsten und ließ, wie Rechnungen belegen, neue Modelle anfertigen.

Einen Prototyp gab Adenauer bei der Allgemeine-Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) in Auftrag. Deren Beurteilung des Vorhabens war aus seiner Sicht jedoch weniger erfreulich: Es sei nicht eindeutig, ob die Insekten durch den Apparat oder nur durch die „Spezialflüssigkeit“ getötet werden würden. Die AEG schätzte außerdem die Gefahr der Anwendung insgesamt als unvertretbar hoch ein, da der Strom Brände auslösen und die Bürste auch für den Benutzer gefährlich werden könnte. Adenauer versuchte 1935, den Insektentöter unter dem Namen seines Sohnes Max anzumelden – vermutlich, weil er sich damit bessere Chancen erhoffte als unter seinem eigenen Namen. In einem Brief an seinen Freund und Anwalt Benno Rülf sorgte sich Adenauer, ob sein Sohn eventuell gezwungen werden könne, den Namen des Patentanwalts anzugeben. Rülf wurde nämlich von den Nationalsozialisten als „nichtarisch“ eingestuft, und dem Referendar Max Adenauer sei es „verboten worden in nichtarischen Geschäften zu kaufen“. Rülf versicherte in seiner Antwort, es gebe für Max keinen Grund zur Sorge, er selbst sei nicht gefährdet. Dies erwies sich als fatale Illusion: 1938 wurde Rülf aus dem Berufsstand der Patentanwälte ausgeschlossen. 1939 floh er nach Amsterdam, wurde von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Die Gießkanne mit Brausekopf sollte die Gartenarbeit erleichtern.

Der elektrische Insektentöter wurde nicht patentiert. Bis zum Jahr 1943 bekam Adenauer mehrere Abweisungen des Patentamts, danach versuchte er es nicht weiter, beschäftigte sich aber mit anderen Ideen, etwa mit der Gießkanne mit abklappbarem Brausekopf. Mit dieser Erfindung wollte Adenauer erreichen, dass verschiedene Pflanzenarten, die unterschiedlich viel Wasser brauchten, mit einer einzigen Gießkanne bewässert werden konnten. Adenauer überlegte unter anderem, wie man die Verschlüsse seiner Erfindung gegen Rost schützen könnte. Den Siebdeckel aufzuschrauben, hielt er für zu umständlich. Gleichzeitig sollte der Deckel bei Verschmutzung abnehmbar und zu säubern sein. Da Gießkannen oft aus Metall waren, musste Adenauer eine Lösung für das Problem finden, dass sich das Metall verbiegen und so der Deckel eventuell am Klappen gehindert werden konnte. Adenauer entschied sich für eine Klemmfeder, die zur zusätzlichen Befestigung des Brausekopfs dienen sollte. Leider reichte dieser Zusatz nicht aus, um vor dem Patentamt als neue Erfindung durchzugehen. Außerdem bestanden bereits mehrere ähnliche Patente aus der Schweiz und Österreich.

Zur gleichen Zeit experimentierte Adenauer auch mit der Verbesserung des Gartenschlauchs zur Bewässerung seiner Pflanzen und entwickelte einen Schlauch mit Einhandregler. Adenauer sah folgenden Vorteil in seiner Erfindung: „Beim Gießen oder Spritzen aus Schläuchen ist es oft wünschenswert, den Wasserzufluss vorübergehend abzusperren, z.Bsp. wenn man von einem zu bewässernden Baum zu einem anderen, von einer Topfpflanze zu einer anderen übergeht. […] Die […] Erfindung bietet eine erhebliche Verbesserung gegenüber den bisher im Gebrauch befindlichen Schlauchmundstücken dadurch, dass sie dem Gießenden es ermöglicht durch einen Druck mit der das Schlauchende haltenden Hand den Wasserzufluss ganz oder teilweise abzusperren und ihn durch Nachlassen des mit der Hand ausgeübten Druckes wieder freizugeben.“ Doch recht früh zeigte sich, dass er damit wahrscheinlich keinen Erfolg vor dem Patentamt haben würde, und so reichten diese Vorzüge nicht aus, um beim Reichspatentamt ein Patent zu erlangen.

Gartenharke mit Hammerkopf

Die Erleichterung der Gartenarbeit ließ den passionierten Gärtner Adenauer in diesen Jahren nicht los. So erfand er schließlich auch ein „Mehrzweck-Gartengerät“, das eine Harke und einen Hammer zum Zerkleinern von Erde kombinierte. Dieses Gerät sollte beide Funktionen so kombinieren, dass man den Stiel einfach nur zu drehen brauchte und so entweder harken oder zerkleinern konnte. Die Idee dazu hatte Adenauer bereits 1917. Damals notierte er sich, dass der Erdboden nach dem Bearbeiten mit der Harke noch mit einem anderen Gerät bearbeitet werden müsse, da noch größere Erdklumpen übrigblieben, die sich nicht mehr mit der Harke zerkleinern ließen. Doch auch die Weiterentwicklung der Idee in den 1930er und 1940er Jahren blieb ohne Patenterfolg.

Großstadtreinigung und Verkehrssicherheit

Ein Schreiben des Patentamts vom 23. Juli 1937

Adenauer beschäftigte sich durchaus auch mit Themen, die über den Mikrokosmos seines erzwungenen Pensionärdaseins in Rhöndorf hinauswiesen und eher an die Kölner Anfänge der Erfindungstätigkeit erinnern. Ab Mitte der 1930er Jahre arbeitete er etwa an einem Verfahren zur Entnebelung von Großstädten. Damit wollte er eine Verunreinigung der Luft durch Abgase und ähnliche Ruße verhindern. Im Zuge dessen führte Adenauer sogar eine Korrespondenz mit der Ocean Coal Company Limited in Cardiff (Wales), bei der er sich Auskunft über die Durchführung seiner Idee holte, die freilich als „somewhat revolutionary“ eingeschätzt wurde und möglicherweise eine „very great inconvenience“ bereiten könnte. Die Idee bestand nämlich darin, die Abgase durch die Kanalisation abzuleiten und somit aus den Städten zu befördern. Dazu sollten Schornsteine oben verschlossen und unten an das Abwassersystem angeschlossen werden. Auch diese Erfindung meldete Adenauer beim Reichspatentamt an – diesmal wieder unter seinem eigenen Namen. Anfang 1938 wurde sie jedoch endgültig zurückgewiesen.

1936 wechselte Adenauer das Themengebiet und beschäftigte sich abermals mit Fahrzeugen. So griff er den „Verbesserten Zylinder für Dampffahrzeuge“ wieder auf und entwickelte zwei Vorrichtungen für den Blendschutz im Autoverkehr. Nach seinem schweren Autounfall im Jahr 1917 wollte er offenbar einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr leisten. Den „Verbesserten Zylinder“ reichte er nach einer Überarbeitung nicht erneut beim Patentamt ein. Die beiden Blendschutz-Erfindungen hingegen meldete er mehrfach an. Die eine Vorrichtung bestand aus einem Spiegel und getöntem Glas, das in die Schutzscheibe eingearbeitet werden und das Licht eines entgegenkommenden Fahrzeuges abschwächen sollte. Die zweite Erfindung, die zum Schutz vor blendendem Licht aus dem Gegenverkehr gedacht war, bestand aus einer dunkeln Brille, ähnlich einer Sonnenbrille. Leider blieb Adenauer auch mit diesen Erfindungen erfolglos. Als Grund dafür wurde vom Reichspatentamt angeführt, dass sich kein Fortschritt gegenüber dem bereits bekannten technischen Status Quo feststellen ließe.

In den Bereich der Verkehrssicherheit fällt auch einer der verwunderlichsten Erfindungsversuche Adenauers, nämlich die „Vorrichtung zur Verhinderung des Überfahrenwerdens durch Straßenbahnen“. Diese sollte gestürzte Fußgänger durch eine rotierende Walze von den Schienen fegen, bevor sie von der anfahrenden Straßenbahn überrollt wurden. In Adenauers Augen war das eine „dringende Notwendigkeit“. In seiner Beschreibung stellte er sich die Walze folgendermaßen vor: „Meine Erfindung besteht nun darin, daß man vor den Rädern oder, damit auch niemand unter den Vorderperron gerät und dort gequetscht wird, vorne unter dem Vorderperron in ziemlicher Nähe des Erdbodens eine Walze anbringt, welche eine raue Oberfläche hat […] und die sich solange der Wagen sich bewegt, umgekehrt wie die Räder auswärts dreht.“ Damit würde das Unfallopfer laut Adenauer nicht unter den Straßenbahnwagen, sondern ‚nur‘ an die Walze geraten und würde vor dieser hergeschoben werden. Bei dieser Erfindung lässt sich in den privaten Unterlagen kein Hinweis auf das Entstehungsdatum finden. Wahrscheinlich stammt der Gedanke aus der Kölner Zeit, als sich Adenauer mit den Sicherheitsrisiken im urbanen Straßenverkehr konfrontiert sah.

Schließlich machte er sich auch Gedanken über die Bequemlichkeit von Autofahrten. Eine Schutzvorrichtung gegen die entstehende Zugluft durch Fahrtwind bei geöffnetem Fenster wurde sogar in seinen Bundeskanzler-Dienstwagen eingebaut. Darüber hinaus entwickelte er eine Luftfederung für Automobile. Auf dem Speicher seines Rhöndorfer Wohnhauses liegt heute noch ein schwenkbarer Scheinwerfer, der angeblich dazu dienen sollte, die Umgebung aus dem Fonds seines Dienstwagens heraus auszuleuchten.

Zur Erleichterung der Hausarbeit

Entwurfsskizze des elektrisch beleuchteten Stopfeis

Eine dritte Kategorie der Erfindungen während der NS-Zeit bildet die Hausarbeit im engeren und weiteren Sinne. Jetzt, wo er anders als in den Kölner Jahren fast ständig daheim war und seine Ehefrau Gussie bei der Hausarbeit erlebte, fiel ihm auf, dass das Ausbessern von Kleidung, insbesondere Socken, durch ein paar Veränderungen erleichtert werden könnte. Seiner Beobachtung nach wurde das Flicken der Kleidung durch schlechte Lichtverhältnisse nämlich deutlich erschwert. Das von ihm entwickelte Stopfei sah einer Glühbirne oder einem Pilz sehr ähnlich und war von innen beleuchtbar. Damit sollte das Gewebe von unten erhellt und die auszubessernde Stelle sichtbar gemacht werden. Allerdings kam ihm die AEG mit ihrer Erfindung des beleuchteten Stopfeis zuvor, das Ende der 1930er Jahre auf den Markt gebracht wurde. Immerhin zeigt sich, dass Adenauer mit seinen Ideen bisweilen nah am Puls der Zeit war.

Auch die Bürsten schienen es Adenauer angetan zu haben: Neben dem elektrischen Insektentöter erfand er eine Verbesserung für die Haushaltsbürste, die verhindern sollte, dass die Borsten mit der Zeit umgebogen wurden. Dazu wollte er sie mit Zwischenstücken – deren Material wird in der Beschreibung nicht genannt – im Boden der Bürste verstärken.

Einige von Adenauers Haushaltsideen gibt es sogar noch heute, wenn auch in leicht veränderter Form. So wollte er eine „Verbesserung des elektrischen Brotrösters“ durch eine Sichtscheibe, einen Spiegel und zusätzliche Beleuchtung im Inneren des Toasters umsetzen. Es störte ihn, dass man, um den „Grad der Röstung“ des Brotes feststellen zu können, den Toaster öffnen und das Brot herausklappen musste. Gleichzeitig sollte verhindert werden, dass die Röstung durch das Aufklappen verlangsamt würde. Durchsichtige Toaster werden heutzutage in fast jedem Elektrogroßhandel angeboten. Dennoch gehen diese Geräte nicht ursächlich auf die Erfindungen Adenauers zurück. Die Umsetzung seiner Idee gelang ihm nicht so, dass sie für eine patentierbare Erfindung gereicht hätten. Das gilt ebenfalls für die heute alltäglich gewordene heizbare Kaffeekanne. Nach Adenauers Vorstellung sollte eine Wärmequelle in die Kaffeekanne eingebaut werden. Als eine Möglichkeit wäre dafür ein Heiz-Stab, wie ein Tauchsieder, infrage gekommen. Wie bereits im Falle des Stopfeis ist ihm aber auch bei dieser praktischen Erfindung jemand zuvorgekommen.

Konrad Adenauer als Erfinder

Adenauer war Politiker, Familienvater und Erfinder. Seine Motivation für die Erfindungen rührte daher auch aus verschiedenen Gründen: Zu Beginn seiner Erfinderkarriere, also in der Zeit vor seinem Aufstieg in der Kölner Stadtverwaltung, hoffte er möglicherweise auf einen finanziellen Verdienst. Spätestens nach seiner Wahl zum Oberbürgermeister dürfte dies allerdings keine Rolle mehr gespielt haben. In der NS-Zeit könnte der Erwerbsfaktor zumindest zu Beginn wieder relevant gewesen sein, da sein Vermögen zunächst eingefroren war und er auch keine Aussicht auf eine lohnende Anstellung hatte. Außerdem boten die Erfindungen eine abwechslungsreiche Beschäftigung.

In den verschiedenen Phasen hatten die Erfindungen einen unterschiedlichen Stellenwert für Adenauer: Er schien sich in jungen Jahren gerne in Themen einzuarbeiten, die für ihn eigentlich fachfremd waren. Gleichzeitig demonstrierte er damals schon den Willen, Lösungen für aktuelle Probleme, sowohl im privaten Umfeld als auch im öffentlichen Raum, zu finden. Dieser Charakterzug nutzte ihm auch in seiner politischen Karriere. Einen dominierenden Stellenwert hatten die Erfindungen in Adenauers Leben nie. Am wichtigsten waren sie für ihn wohl während des Ersten Weltkriegs und in der nationalsozialistischen Diktatur. In der ersten Phase war die Tätigkeit vergleichsweise erfolgreich, wovon seine Patenturkunden zeugen. In den 1930er und 1940er Jahren in Rhöndorf boten die Erfindungen Ablenkung von den bedrückenden Zeitumständen und Gelegenheit, sich mit der für ihn typischen Zähigkeit in bestimmte Probleme zu verbeißen. Insofern spiegeln die Erfindungen in vielerlei Hinsicht auch seine Persönlichkeit wider. Sie sind ein spannender und lange übersehener Teil seines Lebens, der nunmehr verstärkt öffentliche Aufmerksamkeit findet.

  • Archiv der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, VI/68.1 - 68.12.
  • Erdmann, Finni Jo: Korrespondenzen mit Adenauer. Ein Erfinder und seine Patentanwälte, in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte 2024 (69), iss. 1, forthcomming.
  • Feyerabend, Christian/Breitschuh, Roland: Adenauer. Der Garten und sein Gärtner. Köln 2020.
  • Hommel, Engelbert: Adenauers Erfindungen. Kölner Brot und Sojawurst. Linz am Rhein 2001.
  • Koch, Peter: Die Erfindungen des Dr. Konrad Adenauer. Hamburg 1986.
  • Mächtel, Florian: Das Patentrecht im Ersten und Zweiten Weltkrieg, in: Otto, Marin; Klippel, Diethelm (Hg.): Geschichte des deutschen Patentrechts, Tübingen 2015, S. 89-108.
  • RGBl., Patentgesetz, 12 (1891), S. 79-90.
  • RGBl., Patentgesetz, 16 (1936 Teil II), 117-129.
  • Seckelmann, Margrit: Das Patentrecht als „Reaktionsbeschleuniger“. Die Entwicklung des Patentrechts im zweiten deutschen Kaiserreich (1871-1914), in: Otto, Marin; Klippel, Diethelm (Hg.): Geschichte des deutschen Patentrechts, Tübingen 2015, S. 37-70.
  • Yad Vashem – A page of testimony: Ruelf, Benno Gutmann: 207.232.26.141/YADVASHEM/08031912_262_3371/62.jpg, zuletzt abgerufen am 10.07.2023.