Kölner Ober­bürgermeister
1917 - 1933

Hanns Jürgen Küsters

Als Oberbürgermeister der Stadt Köln hat Konrad Adenauer seine Geburtsstadt in Zeiten der deutschen Revolution 1918, der englischen Besatzung bis 1926 und in der Phase der Weimarer Republik modernisiert und ausgebaut. Darüber hinaus spielte er im Provinzialverband der Rheinprovinz und im Preußischen Staatsrat eine politisch einflussreiche Rolle. Mehrfach wurde über seine Kandidatur zum Reichskanzler diskutiert und verhandelt.

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Amtsübernahme in schwierigen Zeiten

Als Adenauer im November 1917 das Amt des Oberbürgermeisters von Köln antrat, verfügte er bereits über eine elfjährige kommunalpolitische Erfahrung als Beigeordneter. Kriegsbedingte Entbehrungen, geringe Zuversicht, Wucher, Spekulanten und ungeheure Kriegsgewinne führten in Großstädten wie Köln zu erheblichen Spannungen unter der Bevölkerung. Sie entluden sich in Arbeits­niederlegungen, Forderungen nach sofortigem Friedensschluss, Aufhebung des Belagerungszustandes und in der Einführung des allgemeinen und gleichen Wahlrechts. Adenauer unterstützte die Forderung nach Änderung des Wahlrechts und Besserung der Lebensmittelversorgung und erkannte die katastrophale Stimmung in der Bevölkerung, die er auf das Versagen der militärischen Führung und den Vertrauensschwund zu Regierung und Heeresleitung sowie den moralischen Niedergang zurückführte.

Wohlfahrtsausschuss

Konrad Adenauer, 1917.

Als am 8. November 1918 die Revolution in Köln Einzug hielt, stellte Adenauer dem Revolutionsgremium in Form des konstituierten Arbeiter- und Soldatenrates Büroräume im Rathaus zur Verfügung. Zwar übernahmen die Räte die Verantwortung und Kontrollen in den Behörden, deren Leitern sie Volksbeauftragte zur Seite stellten, doch blieb Adenauer gegenüber den städtischen Dienststellen allein weisungsbefugt. Zudem wurde er Vorsitzender des eingerichteten Wohlfahrtsausschusses, der für öffentliche Sicherheit, Verkehr und Transport, Verpflegung, Unterkunft und Gesundheitswesen zuständig war und die Schaltstelle zwischen Verwaltung und Arbeiter- und Soldatenrat bildete. Dessen Einfluss drängte Adenauer bald allmählich zurück.

Englische Besatzung

Bald die Hälfte seiner 16-jährigen Amtszeit als Oberbürgermeister - nämlich von November 1918 bis Januar 1926 - hat Adenauer mit Vertretern der englischen Besatzungsmacht zu tun gehabt. Für die Stadt bedeutete die Besatzung erhebliche Belastungen und Einschränkungen von Grundrechten wie die Presse- und Versammlungsfreiheit. Adenauer entkrampfte das Verhältnis zu den Besatzungstruppen aufgrund seines guten persönlichen Verhältnisses zum Bezirksdelegierten Piggott.

 

Konrad Adenauer über seine Erfahrungen mit der britischen Besatzung in Köln, Auszug von der Schallplatte "Aus meinem Leben" (1961).

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der EMI.

Rheinlandbewegung

Neben Revolution und Besetzung löste die Rheinlandbewegung heftige politische Diskussionen aus. Adenauers Haltung zur Zukunft der Rheinlande und seine Tätigkeit in der Rheinlandbewegung, die eine Trennung von den Bundesländern Preußen, Bayern und Hessen sowie die Errichtung einer Rheinischen Republik im Rahmen des Deutschen Reiches anstrebte, hat lange Jahre später sein Bild als ein führender Politiker der beginnenden Zeit der Weimarer Republik geprägt.

Lösungsvorschlag der Rheinlandfrage

Im Dezember 1918 rechnete Adenauer wie andere Zeitgenossen bei der bevorstehenden Versailler Friedenskonferenz mit der Umwandlung der Rheinlande in einen Pfufferstaat zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich, vielleicht sogar mit der Eingliederung nach Frankreich. Adenauers Lösung der Rheinlandfrage sah die Gründung einer Westdeutschen Republik unter Einschluss rechtsrheinischer Gebiete im Rahmen des Deutschen Reiches vor, die zugleich für ihn die einzige Alternative darstellte und dem Sicherheitsbedürfnis Frankreichs vor Deutschland Rechnung trug. Die weiteren Planungen zur Errichtung einer Westdeutschen Republik sollten auf dem Boden der von der deutschen Nationalversammlung zu verabschiedenden Reichsverfassung erfolgen. Die am 10. Februar 1919 vorläufig angenommene Reichsverfassung machte die Loslösung der Rheinlande von der Zustimmung abhängig.

Separatismusvorwurf

Als Separatisten am 1. Juni 1919 die Rheinische Republik ausriefen, distanzierte sich Adenauer. Adenauer wollte die Bildung eines selbstständigen Rheinstaates nur mit der mehrheitlichen Zustimmung der Bevölkerung sowie mit Einverständnis des Deutschen Reiches und Preußens. Der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Friedensvertrag bestimmte eine Besetzung der rheinischen Gebiete für 15 Jahre und widersprach damit den zuvor erörterten Prognosen. Zur gleichen Zeit begannen heftige Angriffe gegen Adenauer wegen seiner Haltung in der Rheinlandfrage, die ihn als national unzuverlässig darzustellen versuchten und ihm eine pragmatische Haltung vorwarfen.

Kandidat für das Amt des Reichskanzlers

Mit seiner Wahl zum Vorsitzenden des Provinzialausschusses der preußischen Rheinprovinz 1920 und zum Präsidenten des Preußischen Staatsrates 1921 begann Adenauer in der Reichspolitik eine führende Rolle zu spielen. Insgesamt drei Mal, und zwar 1921, 1922 und 1926, stand seine Kandidatur für das Amt des Reichskanzlers zur Diskussion.

Ruhrbesetzung

Als französische Truppen im Januar 1923 das Ruhrgebiet besetzten, die Reichsregierung darauf mit der Einstellung der Reparationszahlungen aus dem Versailler Vertrag reagierte, der Geldwert der Mark rapide sank und zu einer Inflation führte, wandte sich Adenauer gegen die Absicht führender Reichspolitiker, die Verantwortung für die Wirtschaft und die Menschen an Rhein und Ruhr der Besatzungsmacht zu überlassen.
 

Gedanke der wirtschaftlichen Verflechtung

Im Oktober 1923 zog er die Möglichkeit einer Loslösung der Reinlande vom Reich in seine Erwägungen mit ein, um einen Ausweg aus dem Dilemma zwischen "Obstruktion und Unterwerfung" zu finden. Adenauer strebte im Einverständnis mit der Reichsregierung die Ermächtigung für Verhandlungen mit französischen Vertretern an, um separatistischen Bewegungen entgegenwirken zu können. Adenauers Verhandlungen mit dem Rheinlandkommissar Tirard wurden in Berlin von Stresemann torpediert, so dass Adenauer im Januar 1924 keine weiteren Initiativen ergriff. In dieser Zeit reifte bei Adenauer der Gedanke, dass nur auf dem Wege der wirtschaftlichen Verflechtung ein politischer Interessenausgleich zwischen Deutschland und Frankreich erreicht werden könne, um die nationalen Gegensätze und Feindschaften zu überwinden.

Modernisierung und wirtschaftlicher Ausbau Kölns

Adenauers Kommunalpolitik zielte darauf, Köln zu modernisieren, als "wirtschaftlichen Exponenten für das gesamte Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsgebiet zu stabilisieren" und diese Stellung auszubauen. Dazu entwickelte er zahlreiche Initiativen und Projekte.

 

Konrad Adenauer über seine Zeit als Kölner Oberbürgermeister, Auszug von der Schallplatte "Aus meinem Leben" (1961).

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der EMI.

Verkehrspolitik

Oberbürgermeister Konrad Adenauer plant den Kölner Grüngürtel

Im März 1922 unterbreitete er der Stadtverordnetenversammlung einen Messeplan, wovon er sich starke Impulse für die Wirtschaft Kölns versprach. Am 11. Mai 1924 wurde die Messe auf dem Deutzer Gelände in Anwesenheit von Reichspräsident Ebert und Reichskanzler Marx eröffnet. Seine Verkehrsplanung umfasste sowohl eine verbesserte innerstädtische Verkehrsregelung als auch die Verbindung Köln durch den Ausbau von Schnellstraßen und Schnellbahnen. Die 1929 in Angriff genommene Autobahn Köln-Bonn wurde am 6. August 1932 für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Nach Abzug der englischen Besatzungstruppen sorgte Adenauer dafür, dass der Flughafen Butzweiler Hof zu einem Luftverkehrsknotenpunkt im Westen ausgebaut wurde. 1928 gab es ständige Flugverbindungen nach Berlin, Paris, Amsterdam, Genf, London, Brüssel, Kopenhagen, Hamburg und München. Bei über 3500 Starts und Landungen lag das Passagieraufkommen bei 7000 Reisenden.

Industrieansiedlung und Stadtentwicklung

Auch bei Plänen der Industrieansiedlung war Adenauer der maßgebliche Antreiber. Der Bau des Niehler Hafens und der Ford-Werke gehen auf ihn ebenso zurück wie die Maßnahmen für die Modernisierung des Wohnungsbaus und sein Einsatz für den sozialen Wohnungsbau, besonders die Riehler Heimstätten. Seine Städteplanung berücksichtigte die Nutzung der noch unbebauten Flächen im Zuge der Stadterweiterung durch Eingemeindung für Erholung und Entspannung der Großstadtbevölkerung. Mit Schaffung des Kölner Grüngürtels und der Bau von Sportanlagen, vor allem des Müngersdorfer Stadions, setzte er bis heute einprägende Zeichen modernster Stadtentwicklung. Die 1932 initiierte Bewerbung Kölns beim Internationalen Olympischen Komitee um die Austragung der Olympischen Spiele 1936 sollte diese Entwicklung noch fördern. Doch nicht alle Projekte stießen auf ungeteilte Zustimmung. Die Gestaltung der Mülheimer Brücke als moderne Hängebrückenkonstruktion löste erbitterte Auseinandersetzungen unter den Stadtverordneten aus.

Rundfunk

Schon früh hatte Adenauer die Bedeutung des Rundfunks erkannt. Deshalb kämpfte er darum, den Sitz der 1924 gegründeten Gesellschaft Westdeutsche Funkstunde A.G. (Wefag) nach Beendigung der Rheinlandbesetzung endgültig nach Köln zu verlegen. Adenauer war überzeugt, dass dieses neue Medium zur Verbreitung von Nachrichten für die Stadt eine erhebliche Werbewirkung erzeugen und ihr wirtschaftliche und kulturelle Vorteile verschaffen werde. Am 6. März 1928 nahm der Rundfunk in Raderthal offiziell seinen Sendebetrieb auf.

Ausstellungen, Kunst, Musik und Universität

Die Jahrtausendausstellung anlässlich der 1000jährigen Zugehörigkeit der Rheinlande zum Deutschen Reich 1925 und die Internationale Presse-Ausstellung PRESSA 1928 erhöhten zusätzlich die Werbung für das moderne Köln. Nicht zuletzt Adenauers politischer Initiative verdankt die Universität zu Köln ihre Gründung im Jahre 1919. Als Dank erhielt er von allen vier Fakultäten den Ehrendoktortitel verliehen. Seine Liebe zu Kunst und Musik fand in der Unterstützung vieler Anschaffungen von Kunstgegenständen und der Errichtung einer universitären "Staatlichen Hochschule für Musik" sowie der Gründung der "Rheinischen Musikschule" Niederschlag.

Wiederwahl

Nach zwölfjähriger Amtszeit stand seiner Wiederwahl zum Oberbürgermeister im Jahre 1929 nichts im Wege. Gleichwohl sah er sich schon zu dieser Zeit auf kommunaler Ebene in der Stadtverordnetenversammlung mit den Nationalsozialisten konfrontiert. Auf höherer Ebene kam Adenauer mit ihnen als Mitglied des Preußischen Staatsrates nach der Preußischen Landtagswahl am 24. April 1932 in Kontakt, als sie ihn mit massivem Drängen zu seiner Zustimmung zur Auflösung des Landtags zu bewegen versuchten.

Amtsenthebung durch Nationalsozialisten

Als Hitler am 17. Februar 1933 Köln besuchte und Adenauer die von SA-Männern an der Deutzer Brücke angebrachten Hakenkreuzfahnen von städtischen Arbeitern entfernen ließ, erhöhten die Nationalsozialisten in den nächsten Wochen den Druck auf ihn. Am 13. März 1933 verließ Adenauer früh morgens Köln Richtung Berlin, das Rathaus wurde besetzt und Regierungspräsident Elfgen beurlaubte ihn. Im April 1933 wurde Adenauer vorläufig vom Dienst suspendiert, am 17. Juli 1933 endgültig entlassen. Das Dienststrafverfahren gegen ihn wurde am 4. Juni 1934 zu Adenauers Gunsten eingestellt.

  • Frielingsdorf, Volker: Auf den Spuren Konrad Adenauers durch Köln. Konrad Adenauers Wirken als Oberbürgermeister von Köln (1917-1933 und 1945). Dokumentiert in zehn Stationen und ausgewählten Zeugnissen seiner Zeit. Gedenkschrift der Stadt Köln zum 125. Geburtstag ihres Ehrenbürgers am 5. Januar 2001. Köln 2001.
  • Konrad Adenauer. Oberbürgermeister von Köln. Festgabe der Stadt Köln zum 100. Geburtstag ihres Ehrenbürgers am 5. Januar 1976, hg. von Hugo Stehkämper. Köln 1976.
  • Konrad Adenauer 1917-1933. Dokumente aus den Kölner Jahren, hg. von Günther Schulz im Auftrag der Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, bearb. von Simon Ebert/Bettina Hinterthür, mit einem Beitrag von Hans Peter Mensing. Köln 2007.
  • Morsey, Rudolf: Adenauers Rheinlandpolitik 1918/19 in der Sicht von NSDAP- und SED-Autoren (1933/34 und 1952/1961), in: HPM 12 (2005), S. 81-100.

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