Großbritannien

Wir glauben, daß, wenn ein großer, durch gegenseitige wirtschaftliche Verflechtungen entstehender Binnenmarkt geschaffen wird, bestehend aus England, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Holland und der westlichen deutschen Zone, wenn möglich aus dem ganzen Deutschland, dann auch Englands Kraft und Ansehen in der ganzen Welt eine erhebliche Steigerung erfährt. Wir glauben daher, daß England in seinem eigenen wohlverstandenen Interesse auf dieses Ziel hinarbeiten müsse.

In Essen auf einer Veranstaltung der CDU am 24.8.1946, st. N., S. 20, StBKAH 02.03.

Nach meiner Auffassung ist das Schicksal Englands mit dem Schicksal Westeuropas absolut verbunden. Die Zeiten, in denen England eine außereuropäische Macht war, sind meines Erachtens vorüber. Wenn Westeuropa sich nicht zusammen schließt und sich nicht wirtschaftlich und politisch erholt, dann wird auch England darunter leiden. Daher glaube ich, daß die Frage der Förderung des Gedankens des Zusammenschlusses Europas auch eine eminent englische Angelegenheit ist und hoffentlich von der englischen Öffentlichkeit auch als solche anerkannt und gefördert wird.

Auf dem 2. Parteitag der CDU der britischen Besatzungszone in Recklinghausen am 28.8.1948. Druck: Neuaufbau auf christlichen Grundlagen. Zweiter Parteitag der CDU für die Britische Zone, Opladen 1948, S. 10.

Wenn Gross-Britannien sich wirklich als eine europäische Macht ansieht, so könnte es innerhalb des Rahmens der Vereinigten Nationen Europas denjenigen Platz einnehmen, der seiner Stellung und Stärke entspricht.

Interview mit Joseph Kingsbury-Smith (International News Service) am 21.3.1950, Pressemitteilung des BPA Nr. 347/50 vom 21.3.1950, S. 5.

Ein solches vereinigtes Europa soll, wenn Großbritannien es irgendwie will, Großbritannien einschließen. Aber Sie wissen, daß Großbritannien eine besondere Lage hat. Wenn es nicht ganz mitgeht bei diesem vereinigten Europa, dann sollte es doch so weit wie irgend möglich mitgehen, denn Großbritannien gehört zu Europa.

Vor dem Gemeinschaftsausschuß der hessischen gewerblichen Wirtschaft in Offenbach am 24.9.1954, st. N., S. 4, „Mitteilung an die Presse“ Nr. 1063/54 des BPA vom 25.9.1954, StBKAH 02.12.

Es muß auch untersucht werden, ob nicht durch den Beitritt Englands in den Gemeinsamen Markt das, was jetzt geschaffen ist im Gemeinsamen Markt, nicht mehr weiterleben kann. Das müssen wir auch bedenken. Es ist nicht so, daß, je größer ein Territorium ist, es desto erfolgreicher ist. Das ist ein großer Irrtum.

Informationsgespräch mit James Bell, Klaus Dohrn und Charles D. Jackson (Time) am 28.6.1962, st. N., S. 10. StBKAH 02.26.

Nach dem Veto de Gaulles gegen den Beitritt Großbritanniens zur EWG:Großbritannien wird früher oder später Mitglied der EWG werden. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

Am 19.1.1963 gegenüber Anneliese Poppinga, vgl. Das Wichtigste ist der Mut!, a. a. O., S. 479.

Die Politik sowohl der britischen als auch der deutschen Regierung wird von dem Willen geleitet, beiden Völkern die Freiheit und den Frieden zu erhalten. Dennoch war das deutsch-britische Verhältnis in den letzten Jahren gewissen Schwankungen ausgesetzt. Für Großbritannien, das Herz des Empire und des Commonwealth, und die Bundesrepublik Deutschland war es teils aus historischen, teils aus politischen Gründen schwieriger, zueinander zu finden, als für andere Länder. Der Premierminister und ich sind heute mehr denn je davon überzeugt, daß die Einheit des Westens gefestigt werden muß.

"Englische Rundschau". Bulletin 160/60.

Großbritannien will an den wirtschaftlichen Zielen der EWG nicht teilnehmen; es erkennt aber das politische Ziel der EWG als berechtigt an. Wenn also dieser modus vivendi gefunden wird zwischen den Sechs und den Sieben, dann hoffen wir, daß wirtschaftlich keine Schwierigkeiten kommen, daß aber das politische Ziel, das kontinentale Westeuropa zusammenzubringen, weitergehen wird. Ob England sich eines Tages daran beteiligen wird, das möchte ich bezweifeln; ich weiß es nicht, das wäre aber weiter nicht so schlimm. Denn im Grunde verfolgt ja Großbritannien auch in der Außenpolitik dieselbe Politik wie das kontinentale Westeuropa.

Interview vom 25.4.1960. Bulletin 78/60.

Ich bin der Auffassung, daß auch die englische Wirtschaft in dieser westeuropäischen Wirtschaft mit eingeschlossen werden muß im eigensten Interesse, und daß die englische Wirtschaft mit führend darin sein muß, daß Europa ein gemeinsames Wirtschaftsleben, ein gegenseitiges Wirtschaftsleben erhalten muß. Das ist eine organische Lösung, und das wird zu einer dauernden Befriedung führen. Das wird auch die Vorstufe sein zu dem Ziel, das wir erstreben müssen alle, daß wir so schnell wie möglich zu den Vereinigten Staaten von Europa kommen.

In Düsseldorf auf einer Veranstaltung der CDU am 12.5.1946, st. N., S. 18, ACDP S. Ad.

Wir wünschen und hoffen, daß England erkennt, daß es - wenn auch sein Imperium noch so groß ist - eine kontinentale Macht geworden ist und jetzt die weltgeschichtliche Bedeutung hat, zusammen mit Amerika der Retter Europas zu werden.

Auf dem 1. Parteitag der CDU der britischen Besatzungszone in Recklinghausen am 14.8.1947. Druck: Erster Zonenparteitag der CDU der britischen Zone, hrsg. v. Zonensekretariat der CDU, Köln o. J., S. 18.

Wir können nur wünschen und hoffen, daß die englische Öffentlichkeit endlich einsieht, daß England eine europäische Macht geworden ist, d. h. daß England mit Europa steht und fällt. Wir können nur wünschen und hoffen, daß die englische öffentliche Meinung möglichst bald einsieht, welche Bedeutung der Zusammenschluß Europas auch für England hat, und daß es Englands Pflicht ist gegenüber seinem eigenen Volke, die Rolle in Europa zu übernehmen, die es kraft seiner Größe und Stärke übernehmen muß.

In Mönchengladbach auf einer Veranstaltung der CDU am 12.10.1948, st. N., S. 15, ACDP S. Ad.

Ich habe mir in den Jahren, als mir die Machthaber des Dritten Reiches zu solchen Betrachtungen Muße ließen, manchmal die Frage vorgelegt, warum das Commonwealth so viele Stürme unerschüttert überdauert hat. Mir scheint deshalb, weil es nicht auf Macht gegründet ist, sondern auf die sittlichen Werte der angelsächsischen Rechtsordnung und die gemeinsame Überzeugung über die Grundwerte des persönlichen, des gesellschaftlichen und des politischen Lebens, vor allem aber, weil den Angelsachsen eine geistige Grundhaltung eigentümlich ist: der Sinn für Maß und die Abneigung gegen theoretische Spekulationen. Die natürliche Veranlagung der Briten zu der von mir gekennzeichneten Geisteshaltung hat eine starke Förderung erhalten durch den insularen Charakter des Landes. Er zwang seine Bewohner, sich gegenseitig abzuschleifen und zu einem Grad von Homogenität zu kommen, der für das Ganze ungemein förderlich war.

Ansprache vor den britischen Mitgliedern der Interparlamentarischen Union am 4.12.1951 in London, Bulletin Nr. 18/51, S. 123.

Großbritannien hat - und das haben mir Mitglieder der Labour-Regierung und Mitglieder der konservativen Regierung gesagt - erklärt, daß es im Hinblick auf sein Commonwealth an einer europäischen Integration, obgleich es ihr sehr wohlwollend gegenüberstehe, nicht teilnehmen könne. Und ich sage Ihnen, ich habe diesen Standpunkt Großbritanniens verstanden, wenn ich auch denke, daß im Laufe der Zeit auch da noch manches sich ändern wird.

Auf dem 5. Bundesparteitag der CDU in Berlin am 18.10.1952, Protokoll des Parteitages, hrsg. v. der CDU, Bonn o. J., S. 33.

Großbritannien ist der Anregung, sich uns anzuschließen, nicht gefolgt mit Rücksicht auf seine Stellung im Britischen Commonwealth. Es kommt uns nicht zu, über die Schlüssigkeit dieser Begründung mit der britischen Regierung zu streiten. Aber wir wünschen eine möglichst enge Beteiligung Englands. Aber es wäre ein schwerer methodischer und politischer Fehler, die Frage so zu stellen, daß Großbritannien nur entweder volles Mitglied der europäischen Gemeinschaft oder Nicht-Mitglied sein könnte. Die Wahrheit ist, daß es zwischen der vollen Mitgliedschaft in der europäischen Gemeinschaft und der absoluten Nicht-Mitgliedschaft Zwischenstufen gibt, Möglichkeiten organischer Verknüpfungen der kontinentalen europäischen Gemeinschaft mit Großbritannien. Eine partielle, relative Zugehörigkeit zu unserer föderativen Gemeinschaft also; das ist es, was wir uns gewöhnt haben, mit dem Ausdruck "Assoziation" zu bezeichnen.

Ansprache vor dem American Committee on United Europe in New York am 16.4.1953, Redetext, S. 7f., StBKAH 02.11.

Meine Meinung ist die: Man soll bei der ganzen Angelegenheit England so weit entgegenkommen, wie es für die EWG überhaupt tragbar ist, d.h. man darf nicht die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft opfern Großbritannien zuliebe. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft - lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit das sehr nachdrücklich hervorheben - ist nach unserer Auffassung, auch nach der von Frankreich und Italien, bei weitem nicht in erster Linie eine Wirtschaftskombination, sondern eine politische Kombination. Wir alle betrachten diese Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als eine der Vorstufen, um zu einem integrierten Europa zu kommen.

Vor dem Bundesparteivorstand der CDU am 16.9.1959, st. N., S. 10f., ACDP VII-001-008/2.

Wir sind in keinem Land der Welt so wenig beliebt wie in England. Das ist nicht etwa die Folge der deutschen Politik des letzten halben Jahres, sondern das ist die Folge der Tatsache, daß Deutschland überraschend schnell, insbesondere auch wirtschaftlich, wieder erstarkt ist, daß weiter eine Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland erfolgt ist, die im Interesse dieser beiden benachbarten Länder und im Interesse der Entwicklung Europas absolut notwendig ist und die bleiben muß. Man soll in alten Sachen nicht herumwühlen; aber wenn Sie zurückdenken, wie lange schon diese Spannungen sichtbar zutage treten, auch in ernst zu nehmenden englischen Zeitungen, in denen ein sehr unfreundlicher Ton gegenüber Deutschland eingeschlagen wurde, dann werden Sie mir darin beipflichten, daß hier tiefere, aber nicht akute Ursachen zugrunde liegen. Wir müssen versuchen, sehr folgerichtig und Schritt für Schritt das Verhältnis und die Atmosphäre zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik, zwischen Großbritannien und dem kontinentalen Westeuropa wieder zu beruhigen.

Vor dem Bundesparteiausschuß der CDU am 28.9.1959, st. N., S. 15, ACDP VII-001-021/5.

Es ist ganz zweifellos, daß Großbritannien nach dem Zusammenbruch doch den Europafragen sehr distanziert gegenübergestanden hat. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, daß Frankreich damals England angeboten hat, in die Montanunion einzutreten, und daß England das abgelehnt hat. Das hat mir seinerzeit Herr Schuman, der Initiator, selbst gesagt. Und auch jetzt noch, meine Herren, nach dem, was ich höre, sind diese ganzen Fragen "England : Europa" in England ein Generationenproblem.

"Presse-Tee" mit britischen Journalisten am 8.1.1962, st. N., S. 9, StBKAH 02.26.

Nach meiner Meinung können die führenden Leute von Staaten wohl den ersten Schritt tun zur Annäherung zweier Länder, aber entscheidend ist, ob die Völker mitgehen, weil die leitenden Männer heute oder morgen verschwinden - das ist der Lauf der Welt -, und die Völker bleiben. Deswegen, so glaube ich, muß man sich fragen, ob das englische Volk bereit ist, zu Kontinentaleuropa zu gehören, oder ob das englische Volk sich aus seiner jahrhundertealten Tradition her doch mehr oder weniger als ein besonderer Erdteil oder als eine Insel vor Europa fühlt.

Informationsgespräch mit James Bell, Klaus Dohrn und Charles D. Jackson ("Time") am 28.6.1962, st. N., S. 4, StBKAH 02.26.

Ich verstehe recht gut die Engländer, die Bedenken (gegen den Beitritt zur EWG) haben. England hat ja nicht nur das Mutterland, sondern auch diese besondere wirtschaftliche Verbindung mit so großen Räumen wie Indien, Pakistan, Neuseeland, Australien, Kanada, um nur die größten zu nennen, und England hat dadurch auch großen politischen Einfluß in der Welt. Wenn ich Engländer wäre, würde ich mir sehr ruhig überlegen: Lohnt es sich für mich, für England, diese Märkte, die ich eben nannte, und damit den politischen Einfluß außerhalb Europas aufzugeben und dagegen den Austausch mit den Sechs einzutauschen?

Informationsgespräch mit James Bell, Klaus Dohrn und Charles D. Jackson ("Time") am 28.6.1962, st. N., S. 5f., StBKAH 02.26.

Ich muß Ihnen sagen, wenn ich Engländer wäre, ich wüßte auch nicht, was ich tun sollte. Denn sehen Sie mal, die Verbindungen, die Großbritannien durch das Commonwealth in die weite Welt hat, sind doch etwas wert. Man kann immer wieder sagen, das ist kein geschriebener Wert, und die sterben ab - einstweilen sind sie da, und es ist auch für Europa wertvoll, daß Großbritannien diese Verbindungen hat.

"Kanzler-Tee" mit der "Teerunde" am 27.7.1962, st. N., S. 12, StBKAH 02.27.

Ich war niemals überzeugt davon, daß Großbritannien wirklich in die EWG oder aber die politische Union Europas wollte, und zwar aus Gründen, die ich verstehe.
1. Großbritannien hat insofern eine andere Position als die anderen europäischen Staaten, als es der engste Freund der Vereinigten Staaten ist und dadurch großen Einfluß hat.
2. Das Commonwealth spielt noch immer eine Rolle in den internationalen Verbindungen von Großbritannien, und wenn Großbritannien wirklich nur sich als europäisches Land fühlen würde, dann müßte es auf diese Vorzüge, die durch das Commonwealth und die Freundschaft mit USA bestehen, verzichten.

Gespräch mit dem kanadischen Historiker Prof. Dr. Richard Hiscocks am 11.6.1964, st. N., S. 8, StBKAH 02.33.

England will nicht, daß Frankreich Europa führt, und wir Deutschen können Europa auf Jahrzehnte hinaus nicht führen wegen der nationalsozialistischen Vergangenheit. Das würden die europäischen Länder nicht mitmachen. Wir wollen das auch nicht, das wäre Dummheit, so etwas erstreben zu wollen. Bleibt übrig Frankreich mit seinen großen außenpolitischen Verbindungen, die Frankreich mehr als wir hat. Nun wünscht das Großbritannien aber nicht, aus Gründen der Rivalität. Daher diese Politik.

Gespräch mit dem kanadischen Historiker Prof. Dr. Richard Hiscocks am 11.6.1964, st. N., S. 9, StBKAH 02.33.

Aber man darf nicht verkennen - man muß auch da objektiv sein -, daß Großbritannien Schwierigkeiten hat.

Vor dem Industrieclub und dem Deutsch-französischen Kreis in Düsseldorf am 23.6.1964, st. N., S. 23, StBKAH 02.33.