Franz Etzel

* geboren 12.08.1902 in Wesel
† gestorben 09.05.1970 in Wittlaer bei Düsseldorf

Jurist, Bundesminister, ev.

Teilen und drucken

Übersicht

1930 Assessor-Examen in Berlin; Rechtsanwalt am Land- und Amtsgericht Duisburg
1939 Notar
1939-1945 Kriegsteilnehmer, zuletzt Oberleutnant
1945 Mitgründer der CDU in Duisburg
1949-1953 MdB für den Wahlkreis Rees-Dinslaken
1952-1957 1. Vizepräsident der Hohen Behörde der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
1957-1965 MdB für den Wahlkreis Remscheid-Solingen
1957-1961 Bundesminister der Finanzen
1961-1965 Vorsitzender des Arbeitskreises „Finanzen und Steuern" der CDU-Bundestagsfraktion

Biographischer Werdegang

Franz Etzel sorgte als Bundesminister der Finanzen (1957-61) für einen Kurswechsel in der deutschen Finanzpolitik. Schon vorher sicherte er als Leiter des Wirtschaftspolitischen Bundesausschusses der CDU die parlamentarische Unterstützung für Ludwig Erhards Konzept einer „sozialen Marktwirtschaft" und vertrat die Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl.

Der am 12. August 1902 in Wesel geborene Etzel absolvierte ein Jurastudium, das er 1930 mit dem zweiten Staatsexamen abschloss. Der evangelische Christ engagierte sich in der Weimarer Republik in der DNVP, u.a. war er Jugendführer im Landesverband Niederrhein von 1931 bis 1933. Während der NS-Zeit als Rechtsanwalt und Notar tätig, nahm er von 1939 bis 1945 am Zweiten Weltkrieg teil, zuletzt im Range eines Oberleutnants.

Wirtschaftspolitiker in der Union

1945 zählte Etzel zu den Mitgründern der CDU in Duisburg. Der Kreisvorsitz erwies sich als Sprungbrett seiner politischen Karriere. 1946 wurde Etzel Mitglied im Geschäftsführenden Vorstand der CDU Nordrhein und übernahm ein Jahr später die Leitung des Wirtschaftsauschusses der CDU in der Britischen Besatzungszone. Dort fungierte Etzel als Verbindungsmann der Wirtschaft in der Union. Vor allem erarbeitete der Ausschuss unter seiner Leitung die ordoliberal geprägten Düsseldorfer Leitsätze zur Sozialen Marktwirtschaft vom 15. Juli 1949. Obwohl eher im Hintergrund wirkend, war Etzel eine der treibenden Kräfte beim Wandel der wirtschaftspolitischen Programmatik der Union weg vom christlichen Sozialismus des 1947 beschlossenen Ahlener Programms hin zu sozial abgefederten wirtschaftsliberalen Grundsätzen. Von seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen her stand er eigentlich noch stärker Alfred Müller-Armack, der den Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft" geprägt hatte, als Ludwig Erhard nahe. 1949 gewann Etzel ein Direktmandat im Wahlkreis Rees-Dinslaken für den ersten Deutschen Bundestag.

Ganz folgerichtig wurde Etzel dann Vorsitzender des 1950 eingerichteten Bundesausschusses für Wirtschaftspolitik der CDU. Der Ausschuss erwies seine Wirksamkeit vor allem bei der Vermittlung von Vorstellungen der Industrie in die Union hinein und unterstützte gleichzeitig gezielt Ludwig Erhard, der sich nicht ausreichend um eine Basis in Fraktion und Partei bemühte. Ein wesentliches Ergebnis von Etzels Tätigkeit stellte das Investitionshilfegesetz von 1952 dar, welches über erweiterte Abschreibungsmöglichkeiten die Kapitalbildung bei bundesdeutschen Unternehmen deutlich beförderte. Die so ermöglichte Selbstfinanzierung war für die Expansion der deutschen Wirtschaft dringend erforderlich, brachte Etzel aber auch den Ruf ein, ein Mann der Industrie zu sein.

Vizepräsident der EGKS

Die wirtschaftliche Integration Westeuropas bildete den Rahmen für Etzels weiteren Aufstieg in die erste Reihe deutscher Wirtschaftspolitiker. Am 10. August 1952 wurde er 1. Vizepräsident der ein Jahr zuvor gegründeten Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und schied deshalb im Januar 1953 aus dem Bundestag aus. In seiner neuen Funktion bereitete er wesentliche Schritte zur Gründung der EWG vor. Seine Kontakte zur Unionsfraktion und zu Adenauer scheint er dabei ausgebaut zu haben. Seine europapolitische Ausrichtung führte ihn auch an die Seite Adenauers in einer Auseinandersetzung mit Erhard über die Ausgestaltung der europäischen Zusammenarbeit, der eine vertiefte staatliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ablehnte.

Anders als in den späteren Jahren der Bundesrepublik, als Brüssel die letzte Station vor dem Ruhestand für ausgediente Bundes- und Landespolitiker bieten musste, verlief der Weg bei Etzel umgekehrt. Er qualifizierte sich durch seine Tätigkeit auf europäischer Ebene ebenso wie durch seine Wirtschaftskontakte. Als Etzel nach fünfjähriger Tätigkeit bei der EGKS 1957 als direkt gewählter Abgeordneter für den Wahlkreis Remscheid-Solingen in den Bundestag zurückkehrte, war ein Platz im neuen Kabinett Adenauer in greifbare Nähe gerückt. Da die Einrichtung eines Europaministeriums am Ressortegoismus von Wirtschaftsminister Erhard und Außenminister von Brentano scheiterte und zudem Spannungen zwischen Bundesfinanzminister Schäffer und Adenauer herrschten, kam Etzel für das Finanzministerium in Betracht. Er hatte sich schon in einem Brief an Adenauer vom 4. Juni 1956 durch eine deutlich vernehmbare Kritik an der liquiditätsvermindernden Politik Fritz Schäffers für dessen Nachfolge empfohlen. Schäffer hatte strikte Haushaltsdisziplin gehalten, die ersparten Beträge jedoch nicht wieder in den Wirtschaftskreislauf einfließen lassen, sondern dem Geldmarkt entzogen („Juliusturm"). Etzel setzte dem ein eigenes, ausgearbeitetes Konzept zur Kapitalmarkt- und Vermögenspolitik entgegen, für das er auf dem ersten Wirtschaftstag der CDU am 18. Juli 1957 viel Zuspruch bekam.

Finanzminister

Der Bundesfinanzminister Etzel (seit 28. Oktober 1957) konnte wesentliche Elemente seiner Vorstellungen umsetzen. Die Finanzreserven des Bundes wurden nicht nur währungspolitisch schonend verwertet, sondern trugen entscheidend dazu bei, dass die für die Wiederaufrüstung nötigen Investitionen nicht über eine Kreditaufnahme aufgebracht werden mussten. Die erfolgreiche Durchführung einer maßgeblich von ihm selbst konzipierten Steuerreform stellt wohl Etzel bleibendste Leistung dar. Es dürfte sich dabei um die bislang am konsequentesten durchdachte Neuordnung des Steuerwesens in der Geschichte der Bundesrepublik handeln, bei der ein neuer Einkommensteuertarif mit deutlich gesenkten Sätzen mit einer reduzierten Körperschaftsbesteuerung kombiniert wurde. Das Sparprämiengesetz von 1959 flankierte durch die Förderung des privaten Vermögensaufbaus die Entlastung für die Industrie: Etzel setzte durchaus auch die soziale Komponente des CDU-Wirtschaftsprogramms in seinem Bereich um. Diese Erfolge - in der Einkommensbesteuerung hatte Etzels Neuordnung bis 1990 Bestand - und seine Vermittlungstätigkeit zwischen Politik und Wirtschaft ließen Etzel innerhalb der nächsten zwei Jahre zu einem der profiliertesten Minister im Kabinett werden. Als Adenauer im Frühjahr 1959 mit dem Gedanken spielte, selbst Bundespräsident zu werden, brachte er deshalb Etzel für seine Nachfolge ins Gespräch. Neben der Anerkennung für dessen Leistungen spielte jedoch auch der Wunsch, einen Kanzler Erhard zu verhindern, bei diesen Überlegungen eine Rolle.

Das Ende der politischen Karriere

Die kurzfristige Rolle als potentieller Nachfolger Adenauers bildete den Höhe- und Wendepunkt von Etzels politischer Karriere. In den beiden folgenden Jahren erwies sich gerade sein auf Ausgleich gerichtetes Verhandlungstalent als Nachteil im politischen Tagesgeschäft. Außerdem machten ihm persönliche Probleme zu schaffen. Nicht hart genug, um eigene Vorstellungen auch gegen Widerstände durchzusetzen und pointiert in der Öffentlichkeit zu vertreten, gab Etzel 1959 Druck aus der Unionsfraktion in der Frage der Kriegsopferversorgung nach. Anders als in den ersten Jahren der Bundesrepublik erwartete die politische Öffentlichkeit jetzt eine Steigerung der Ausgaben der öffentlichen Hand.

Etzels eigene Formulierung, er werde eine Haushaltspolitik hart „am Rande des Defizits" betreiben, die eigentlich als unstrittig sinnvoller Kontrapunkt zur Währungspolitik seines Amtsvorgängers gefallen war, kehrte sich nun gegen ihn. Zudem ließ er in der emotional geführten Debatte um eine Aufwertung der D-Mark Ende 1960 Ludwig Erhard im Stich. Politisch angeschlagen, stellte Etzel sein Amt anlässlich der Bundestagswahl 1961 zur Verfügung.

Nach seinem Rücktritt vom Amt des Finanzministers übernahm Etzel von 1961 bis 1965 den Vorsitz des Arbeitskreises für Finanz- und Steuerfragen der Unionsfraktion. Außerdem zog er in etliche Aufsichtsräte ein und war Gesellschafter des Bankhauses Friedrich Simon in Düsseldorf. 1965 schied er aus dem Bundestag aus.

Franz Etzel starb am 9. Mai 1970 in Wittlaer bei Düsseldorf.

Forschungslage

Trotz seiner Bedeutung für die Ausgestaltung des Wirtschafts- und Steuersystems der Bundesrepublik Deutschland ist Franz Etzel bislang nur selten Schwerpunkt der Forschung gewesen. Sein Nachlass befindet sich zum überwiegenden Teil im Bundesarchiv Koblenz; ein kleinerer Bestand liegt im Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung in Sankt Augustin.

  • Yorck Dietrich: Franz Etzel als Finanzpolitiker. In: HPM 2 (1995), S. 173-187.
  • Ulrich Enders: Integration oder Kooperation? Ludwig Erhard und Franz Etzel über die Politik der europäischen Zusammenarbeit 1954-1956. In: VfZG 45 (1997), S.143-171.
  • Alfred Müller-Armack/ Herbert B. Schmidt (Hg.): Wirtschafts- und Finanzpolitik im Zeichen der Sozialen Marktwirtschaft. Festgabe für Franz Etzel. Stuttgart 1967.

Wolfgang Tischner