* geboren 20.04.1904
in
Offenbach/Main
† gestorben 14.11.1964
in
Darmstadt
Dr. jur.
Jurist, Bundesminister des Auswärtigen
1922 | Abitur |
1922-1925 | Jurastudium in Frankfurt/Main, München und Gießen |
1925 | Erstes Juristisches Staatsexamen |
1929 | Zweites Juristisches Staatsexamen |
1929-1932 | Assessor |
1930 | Promotion zum Dr. jur. |
1932-1944 | Rechtsanwalt und später Notar in Darmstadt, unterbrochen durch Dienstverpflichtungen als Staatsanwalt in Hanau und in einem kriegswichtigen Betrieb in Darmstadt |
1945 | Präsident der Anwalts- und Notarskammer; Mitgründer der CDU in Darmstadt |
seit 1946 | Mitglied des Landesvorstandes der hessischen CDU |
1946 | Mitglied im Beratenden Landesausschuss, in der Vorbereitenden Verfassungskommission und in der Verfassungberatenden Landesversammlung in Hessen |
1946-1949 | Mitglied des Hessischen Landtags, ab Juni 1947 Vorsitzender der CDU-Fraktion |
seit 1947 | Vorsitzender des Verfassungsausschusses von CDU/CSU und Mitglied im "Ellwanger Kreis" |
1948-1949 | Mitglied des Parlamentarischen Rates |
1949-1964 | Mitglied des Deutschen Bundestages |
1949-1955 | Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag |
seit 1950 | Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion, 1952-1954 Vorsitzender von deren Verfassungsausschuss, Vizepräsident der Parlamentarischen Sektion der Europäischen Bewegung |
1950-1955 | erst Abgeordneter, dann Vizepräsident der Beratenden Versammlung des Europarats |
1955-1961 | Bundesminister des Auswärtigen |
1961-1964 | Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag |
„Ich kam hierher in der Überzeugung, daß es insbesondere zwei Aufgaben waren, die wir zu erfüllen hatten. Einmal alles zu tun, um die europäische Zusammenarbeit … zu stärken. … Und ein Zweites war nicht weniger wichtig: den Versuch zu machen, Deutschland … unlösbar an die freie Welt zu binden.“ Mit diesen Worten schied Heinrich von Brentano am 8. November 1961 aus dem Amt des Außenministers. Doch den genannten Aufgaben hatte er sich nicht nur in seiner Amtszeit als Minister verschrieben, sondern während seines gesamten Lebens.
Heinrich Joseph Maximilian Johann Maria von Brentano di Tremezzo kam am 20. Juni 1904 in Offenbach am Main als sechstes Kind von Otto Rudolf von Brentano und Agnes Maria Schwerdt-Brentano zur Welt. Obwohl sein Vater als Zentrumspolitiker dem Hessischen Landtag, der Weimarer Nationalversammlung und dem Reichstag angehörte, sogar Minister in Hessen war, schlug Heinrich von Brentano zunächst einen unpolitischen Werdegang ein. Allerdings begann er, wie sein Vater, nach dem Abitur 1922 ein Studium der Rechte und wandte sich nicht, wie seine Brüder Clemens und Bernard oder auch seine bekannten Ahnen Clemens Brentano und Bettina von Arnim dem literarischen Fach zu.
1930 wurde er mit einer Arbeit über „Die Rechtsstellung des Parlamentspräsidenten nach Deutschem Verfassungs- und Geschäftsordnungsrecht“ bei Professor Dr. Hans Gmelin an der Universität Gießen promoviert.
Zwei Jahre später ließ er sich als Anwalt, später auch als Notar, in Darmstadt nieder. Mit einer Unterbrechung durch die Abkommandierung als Staatsanwalt nach Hanau 1943/44 und in einen kriegswichtigen Betrieb in Darmstadt übte er diese Tätigkeit über das Kriegsende 1945 hinweg aus. Das erlaubte ihm, sowohl Distanz zu den Nationalsozialisten zu halten als auch sich nicht gegen diese exponieren zu müssen. Das Ausmaß des Unheils dieser Zeit war ihm dabei durchaus bewusst. An seine Mutter schrieb er am 22. Juli 1943: „Die ganze Welt muss tatsächlich durch ein Meer von Blut und Tränen hindurch und diejenigen, die überhaupt noch das Ufer erreichen, werden dort eine Wüste finden, von der niemand weiss, ob sie sich überhaupt wird kultivieren lassen.“
Als sich für Deutschland nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs und der Kapitulation doch noch einmal die Möglichkeit bot, die von Brentano sprichwörtlich beschworene Wüste zu kultivieren, sah er sich dazu berufen, seinen Beitrag zu leisten. Als Mitverfasser der „Frankfurter Leitsätze“ vom 15. September 1945 trat er politisch das erste Mal an die Öffentlichkeit. Die Leitsätze forderten eine überkonfessionelle Volkspartei auf christlicher Grundlage mit stark sozialen, teilweise sozialistischen Forderungen. Als diese überkonfessionelle Partei unter dem sich schließlich durchsetzenden Namen Christlich Demokratische Union tatsächlich ins Leben gerufen wurde, gehörte Brentano in Darmstadt zu den Gründungsmitgliedern.
Seit Februar 1946 war er sowohl Mitglied im Beratenden Landesausschuss sowie in der Vorbereitenden Verfassungskommission in Hessen. Am 30. Juni wurde er in die Verfassungsberatenden Landesversammlung gewählt – genau wie am 1. Dezember 1946 in den auf der Basis der daraufhin verabschiedeten Verfassung zusammengesetzten Hessischen Landtag. Brentano übernahm zwar kein Ministeramt, das ihm durchaus zugetraut und möglicherweise auch angetragen wurde, aber im Juni 1947 den Vorsitz der CDU-Landtagsfraktion.
Seine Erfahrungen bei der Ausarbeitung der Hessischen Verfassung führten ihn zu überregionalen Aufgaben. Ab 1947 leitete er den Verfassungsausschuss der „Arbeitsgemeinschaft der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union Deutschlands“ und gehörte dem „Ellwanger Kreis“ an. Folgerichtig entsandte die CDU Hessen Brentano neben Walter Strauß in den Parlamentarischen Rat, der in Bonn über eine neue Verfassung für den entstehenden westdeutschen Staat beraten sollte. Als Vertreter der CDU kam er u. a. in den Redaktionsausschuss vor allem wegen seines ausgleichenden Wesens. Dort sollte er zusammen mit seinen Kollegen Georg August Zinn von der SPD und Thomas Dehler von der FDP den ausgearbeiteten Paragraphen den letzten Schliff geben. Das Ergebnis der Arbeit, das am 23. Mai 1949 verabschiedete Grundgesetz, kommentierte er mit den Worten: „Es gehört zum politischen Leben, daß man Kompromisse schließt… . Allerdings können und dürfen Kompromisse niemals die Grenze dessen überschreiten, wo das Grundsätzliche beginnt. Ich glaube, daß es uns gelungen ist, diese Grenze einzuhalten.“
Während seine Arbeit als Verfassungsvater über die Parteigrenzen hinweg geschätzt und anerkannt wurde, brachte ihn eine andere Entscheidung in die Diskussion: Trotz seiner hessischen Herkunft votierte er am 10. Mai 1949 gegen Frankfurt und für Bonn als Bundeshauptstadt. In diese siedelte er am 14. August 1949 über – nach der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag, in dem er bis zu seinem Tod den Wahlkreis Bergstraße vertreten sollte.
Als Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion kam er bald in Konflikt mit Konrad Adenauer. In zahllosen Briefen an den „Sehr geehrten Herrn Bundeskanzler“ vertrat er dezidiert seine Meinung und die Haltung seiner Fraktion, d. h. sowohl der Legislative als auch der Partei. Diese Korrespondenz, in Teilen schon früh ediert, dauerte bis zum Tode Brentanos an und überstand nicht nur so manche inhaltliche Auseinandersetzung, sondern auch tiefgreifendere Differenzen.
Dazu gehörte auch die Frage, wer nach der Änderung des Besatzungsstatuts im März 1951 das bisher nicht vorhandene Amt des Außenministers der Bundesrepublik Deutschland übernehmen sollte. Auch Brentano war im Gespräch, kam aber, wie alle anderen Kandidaten, schließlich nicht zum Zuge, da der Bundeskanzler selbst diesen Posten zusätzlich übernahm. Immerhin war Heinrich von Brentano zu diesem Zeitpunkt in der Öffentlichkeit bereits so bekannt, dass er bei einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Dezember 1950 als ein möglicher Anwärter genannt wurde.
Bei einer weiteren Umfrage im Herbst 1954/Frühjahr 1955 rangierte Heinrich von Brentano schon auf dem zweiten Platz hinter Adenauer bei der Frage nach den fähigsten Männern der CDU. So war es für den Bundeskanzler fast unumgänglich, ihn im Mai 1955 zum Außenminister zu ernennen – sicher nicht leichten Herzens. Der Fraktionsvorsitzende hatte dem Regierungschef in den dazwischen liegenden Jahren das Leben nicht leicht gemacht, sich eine umfangreiche, vor allem außenpolitische Kompetenz angeeignet und aus seiner Meinung keine Hehl gemacht. Besonders im Vorfeld der Unterzeichnung des Generalvertrags am 26. Mai 1952 waren beider Auffassungen noch einmal hart aufeinander geprallt.
Heinrich von Brentano äußerte Bedenken, vor allem aber gegen die sogenannte Bindungsklausel. Diese sah vor, dass die Bundesrepublik sich zur Westbindung verpflichten sollte, auch im Namen eines zukünftigen, wiedervereinigten Deutschland. Der Fraktionsvorsitzende handelte schließlich persönlich eine Kompromissformel mit dem amerikanischen Außenminister Dean Acheson aus, die in den Vertrag mit aufgenommen wurde.
Diese Episode demonstrierte nicht nur die diplomatischen Fähigkeiten Brentanos auf dem internationalen Parkett, sondern auch einen der von ihm selbst deklarierten Schwerpunkte seiner kommenden Außenministerzeit – die Deutschlandpolitik.
In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und vor Gründung der Bundesrepublik neigte Heinrich von Brentano dem deutschlandpolitischen „Brücken-Konzept“ Jakob Kaisers zu, das Deutschland eine Vermittlerrolle zwischen Ost und West zudachte in der Hoffnung, damit eine größere Chance für die Einheit zu schaffen. Aber Brentano erkannte angesichts der Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone bald, dass dieses Konzept nicht aufgehen konnte – auf jeden Fall nicht, wenn man wie er ein demokratisches, freies und rechtsstaatliches System für den wieder zu gründenden deutschen Staat verfocht. Auf dem Bundesparteitag 1953 forderte er, noch vor den Ereignissen des Volksaufstands vom 17. Juni, dazu auf, „an die 18 Millionen Menschen [zu] denken, die in der sowjetisch besetzten Zone in der äußersten Unfreiheit und unter dem Druck [des] Terrors leben“.
Den gegründeten Weststaat akzeptierte er bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes und dann als Abgeordneter im Deutschen Bundestag jedoch nur als Provisorium auf dem Weg zu einem wiedervereinigten Deutschland. Dabei forderte er immer, wie auch Bundeskanzler Adenauer, eine Einheit nur in Freiheit zu verwirklichen.
Deshalb kam für den Außenminister Brentano eine Annäherung an die Sowjetunion nicht in Frage – genauso wenig wie eine Aufweichung des Alleinvertretungsanspruchs, der die Bundesrepublik als einzig rechtmäßigen deutschen Staat postulierte, der sowohl die Vertretung als auch das Erbe aller Deutscher übernommen hatte. Maßgeblich war von Brentano daher an der Konzeption der „Hallstein-Doktrin“ beteiligt. Diese kündigte an, die Bundesrepublik werde die Aufnahme diplomatischer Verbindungen zur DDR durch andere Länder, abgesehen von der Sowjetunion, als unfreundlichen Akt betrachten und darauf mit Sanktionen bis hin zum Abbruch der Beziehungen reagieren.
Noch am 8. Juli 1961 schrieb er an Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier, der am 30. Juni im Parlament eine kontrovers diskutierte Erklärung zur Deutschlandpolitik abgegeben hatte: „Das Selbstbestimmungsrecht, das wir fordern, verträgt keine Einschränkungen; die Freiheit, die wir erwarten, verträgt keine Begrenzung. Beide besitzt man ganz oder gar nicht.“ Gut einen Monat später, am 13. August 1961, begann der Bau der Mauer. Diese stellte den Höhepunkt der sogenannten zweiten Berlin-Krise dar, die seit November 1958 für Spannungen sorgte. In deren Verlauf setzte sich bei Heinrich von Brentano die Auffassung durch, dass der westdeutsche Staat doch nicht nur ein vorübergehendes Provisorium war und eine Wiedervereinigung länger als erwartet auf sich warten lassen würde. Deshalb gewann für ihn die Westintegration der Bundesrepublik immer stärker an Bedeutung.
Für Heinrich von Brentano war Europa immer eine Selbstverständlichkeit. Schon in den ersten Nachkriegsjahren reiste er mit anderen westdeutschen Politikern zu Europatreffen und auf dem Gründungsparteitag der CDU 1950 in Goslar fiel es ihm zu, das europapolitische Referat zu halten. Darin stellte er fest: „Nicht, daß wir uns als Europäer fühlen und als Europäer handeln wollen, ist eine Utopie; utopisch wäre vielmehr die Vorstellung, daß wir uns aus einer Schicksalsverbundenheit lösten könnten, die auch die Irrungen und Wirrungen der vergangenen Jahrhunderte zwar stören, aber nicht zerstören konnten.“
Dabei war die Einheit des Kontinents für ihn vor allem eine ideelle und kulturelle Größe, basierend auf der christlich geprägten „Abendlandidee“. Einem Zusammenschluss aus wirtschaftlichen oder politischen Gründen stand er vorerst eher skeptisch gegenüber, was ihn aber nicht davon abhielt, in den nach und nach gegründeten europäischen Institutionen aktiv mitzuarbeiten: als Abgeordneter, später sogar Vizepräsident der Beratenden Versammlung des Europarats, als Vizepräsident der Parlamentarischen Sektion der Europäischen Bewegung, als Mitglied der Gemeinsamen Versammlung der Montanunion sowie als Vorsitzender von deren Verfassungsausschuss. In dieser Position war er erneut an der Ausarbeitung einer Verfassung beteiligt, diesmal für die geplante „Europäische Politische Gemeinschaft“, die allerdings zusammen mit der „Europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ im August 1954 endgültig am Veto der französischen Nationalversammlung scheiterte – eine herbe Enttäuschung für Brentano.
Denn die deutsch-französische Aussöhnung bildete für ihn nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch den Kern eines europäischen Zusammenschlusses. Allerdings entwickelte er ähnliche Vorstellungen der Wiederannäherung nicht nur hinsichtlich des westlichen, sondern auch der östlichen Nachbarn, sogar bis hin zu dem Gedanken, als Versöhnungsgeste unter bestimmten Bedingungen auf die nach dem Krieg abgetrennten ehemaligen deutschen Ostgebiete zu verzichten.
Mit dieser Hinwendung zu den osteuropäischen Nachbarn stand Heinrich von Brentano in einem deutlichen Gegensatz zu Konrad Adenauer, dessen – eher verhaltene – Ostpolitik vor allem auf die Sowjetunion ausgerichtet war. Gegensätze und Differenzen waren im Verhältnis von Bundesaußenminister und Bundeskanzler nicht selten – Brentano hatte schon als Fraktionsvorsitzender mit dem Regierungschef einige Auseinandersetzungen ausgefochten.
Diese gründeten sich nicht nur auf inhaltlichen Differenzen, sondern auch in der Verschiedenartigkeit der jeweiligen Persönlichkeit. Brentano war ein Idealist, ein den Künsten zugewandter Weltbürger, der mehrere Sprachen fließend beherrschte. Die Anekdote, er habe das Feuilleton stets vor dem politischen Teil der Zeitung gelesen, macht ebenso wie sein Werdegang deutlich, dass er Politiker mehr aus Pflichtgefühl, denn aus Überzeugung wurde. Als Chef des Auswärtigen Amtes war er von seinen Mitarbeitern in der Mehrheit genauso anerkannt wie von den ausländischen Gesprächspartner.
Ab 1956 wurde Brentano in der Öffentlichkeit auch als möglicher Nachfolger des Bundeskanzlers gehandelt, die laut Umfrage gute Meinung in der Bevölkerung über den Außenminister stieg 1957 bis auf 48 Prozent, um danach bis 1961 auf 21 Prozent zu sinken.
Er, der trotz aller Auseinandersetzungen immer loyal hinter dem Bundeskanzler stand, bekam die steigende Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik zu spüren. Seine Integrität ließ ihn schließlich nach der Bundestagswahl 1961 seinen Rücktritt anbieten, als er bemerkte, dass seine Leistung nicht mehr die notwendige Anerkennung fand und Adenauer bereit schien, ihn in den schwierigen Koalitionsverhandlungen mit der FDP zu opfern.
Der zurückgetretene Minister übernahm erneut den Vorsitz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das war keine Selbstverständlichkeit, auch wenn er mit großer Mehrheit gewählt wurde. Brentano selbst zögerte, sah es dann aber doch als seine Pflicht an, den Posten zu übernehmen. Er wolle dafür sorgen, „daß die bisherige Politik weitergeführt wird“ – so versicherte er seinem bisherigen Kollegen, dem französischen Außenminister Couve de Murville.
Doch seit seiner letzten Amtszeit von 1949 bis 1955 hatten sich die Verhältnisse geändert und in den nächsten Jahren konnte der neue alte Fraktionsvorsitzende nicht mehr den gleichen Einfluss nehmen wie in den ersten Jahren der Bundesrepublik. Das lag nicht nur an den veränderten politischen Umständen, der größeren Eigenständigkeit der Fraktion, sondern auch am Gesundheitszustand Brentanos. Doch erst im Herbst 1963 begab dieser sich in ärztliche Behandlung seiner bereits über ein Jahr andauernden Beschwerden – erst nachdem Adenauer von Ludwig Erhard als Kanzler abgelöst worden war. Es folgten Operationen, lange Monate zwischen Krankenlager, Kur und Erholung sowie in den besseren Phasen Reisen nach Rom. Die „heilige Stadt“ hatte der tiefgläubige Katholik zeit seines Lebens häufig besucht und sich dabei mit Papst Pius XII. des Öfteren zu privaten Gesprächen getroffen.
Sein Pflichtgefühl und seine Sorge um Deutschland ließen Brentano dabei nicht los. Noch in einem seiner letzten Briefe an Adenauer, am 28. Oktober 1964, analysierte der frühere Außenminister die außenpolitische Lage der Bundesrepublik gegenüber der Sowjetunion sowie zwischen den USA und Frankreich, um mahnend zu warnen, „denn es gibt kein Europa ohne diese deutsch-französische Zusammenarbeit“.
Nur wenige Wochen später, am 14. November 1964, starb Heinrich von Brentano an seinem Krebsleiden – er wurde nur 60 Jahre alt. Die Ehrungen, die Ehrerbietungen, die dem Toten zuteil wurden, waren zahlreich, vielfältig, und kamen sowohl aus allen politischen Lagern als auch aus der ganzen Welt. Einig waren sich viele Nachrufe, dass die Bundesrepublik mit ihrem ehemaligen Außenminister einen „gentleman in politics“ (New York Times) oder einen „Edelmann der Politik“ (Willy Brandt) verloren hätte.
In den nunmehr vergangenen fünf Jahrzehnten sind Heinrich von Brentano und seine Rolle etwas in Vergessenheit geraten. Doch man sollte sich hie und da in Erinnerung rufen, dass neben dem pragmatischen Bundeskanzler Konrad Adenauer auch dieser multilinguale Weltbürger, dieser kunstsinnige Intellektuelle vor allem nach Außen das Bild der jungen Bundesrepublik und ihrer internationalen Wiederanerkennung geprägt hat.