Wahlplakat mit dem Portrait von Herbert Czaja
Herbert Czaja, Bundestagswahl 1976

Herbert Czaja

* geboren 05.11.1914 in Teschen/Schlesien
† gestorben 18.04.1997 in Stuttgart


Philologe, Politiker, Dr. phil., rk.

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Übersicht

1933-1937Studium Philologie und Jura in Krakau und Wien
1939Promotion
1942-1945Kriegsdienst
1946Vertreibung; Schuldienst Baden-Württemberg
1947-1953Stadtrat Stuttgart
1948Heirat mit Eva-Maria Reinhardt, zehn Kinder
1953-1990MdB (CDU)
1969-1995Sprecher der Landsmannschaft der Oberschlesier
1970-1994Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen

Angehöriger der deutschen Minderheit in Schlesien

Herbert Helmut Czaja wird am 5. November 1914 als Sohn des Notars Albert Czaja und seiner Frau Aloisia in Teschen/Schlesien geboren. Das Herzogtum Teschen gehört bis 1918 zur Habsburgermonarchie. Nach dem Ersten Weltkrieg beanspruchen sowohl Polen als auch die Tschechoslowakei das Gebiet, was 1920 schließlich zu einer Teilung des Gebiets führt. Der größte Teil fällt an die Tschechoslowakei, der östliche Teil des Herzogtums wird Polen zugesprochen. Czaja verlebt seine Kindheit und Jugend in Skotschau, das seit 1922 der autonomen Woiwodschaft im polnischen Teil Schlesiens angehört. Seine Eltern sind tief gläubige Katholiken.

Czaja studiert an den Universitäten Krakau und Wien Germanistik, Philosophie und Geschichte. 1937 besteht er seine Magisterprüfung und sein Examen als Gymnasiallehrer, 1939 wird er in Krakau promoviert. Seine weitere akademische Karriere scheitert nach dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939, denn die Nationalsozialisten untersagen den Lehrbetrieb an der Krakauer Universität. Um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, ist Czaja nun als Deutschlehrer tätig.

Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen bestimmen seine nächsten Lebensjahre: Im Mai 1942 wird er zur Wehrmacht einberufen, infolge einer Verwundung im September 1943 verliert er ein Auge. Seine militärische Laufbahn endet im Rang eines Gefreiten, obwohl ihn seine akademische Ausbildung eigentlich zum Offizier qualifiziert hätte. Der Grund hierfür ist wohl seine – aus Sicht der Nationalsozialisten – politische Unzuverlässigkeit. Bei Kriegsende gerät Czaja im April 1945 in amerikanische Gefangenschaft, kann jedoch im Herbst in seine Heimat zurückkehren.

Sein weiterer Lebensweg ist geprägt von der Vertreibung der Deutschen aus Schlesien nach dem Zweiten Weltkrieg. 1946 entscheidet sich Czaja dafür, Polen zu verlassen, da er nicht bereit ist, sich zum Polentum zu bekennen. Er verlässt Skotschau in Richtung Westen mit einem Vertriebenentransport. Seine Eltern lässt er zurück.

Eintritt in die CDU und Abgeordnetentätigkeit

Im Südwesten Deutschlands findet Czaja nach dem Krieg eine Ersatz-Heimat. Ab Herbst 1946 ist er in Stuttgart als Lehrer für Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Latein tätig. 1948 wird er zum Studienrat ernannt, 1950 zum Beamten auf Lebenszeit.

Politisch knüpft er an seine parteipolitischen Präferenzen aus der Studienzeit an: 1946 tritt er in die Junge Union ein, seit 1947 gehört er der Christlich-Demokratischen Union Nordwürttembergs an. Die Beweggründe für sein politisches Engagement sind ideeller Natur: Aufgrund seiner familiären Prägung ist Czaja ist tief verwurzelt im katholischen Glauben und darum bestrebt, seine moralischen und rechtlichen Überzeugungen politisch zur Geltung zu bringen. Maßgeblich für ihn sind Zeit seines Lebens sein großer Respekt vor der Autorität der katholischen Lehre und der Geistlichkeit als Garanten verbindlicher Werte.

Die CDU vertritt er zunächst auf kommunaler Ebene, als Mitglied des Stuttgarter Stadtrats von 1947 bis 1953. Nach der zweiten Bundestagswahl im September 1953 zieht er über die Landesliste Baden-Württemberg in den Deutschen Bundestag ein. Im Mittelpunkt seiner parlamentarischen Tätigkeit stehen in den 1950er Jahren Fragen der Sozial- und Wohnungspolitik und des Lastenausgleichs. Da die Vertriebenen von der großen Wohnungsnot und den sozialen Folgen des Krieges besonders betroffen sind, ist dies ein Aufgabengebiet, das sich mit Czajas frühem Einsatz für die Belange von Flüchtlingen und Vertriebenen aus Ost- und Mittel- und Südosteuropa verbindet. In den 1960er Jahren weitet sich sein Bestätigungsfeld auf außenpolitische Fragen aus: Von 1964 an bis zu seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag 1990 ist er Mitglied des Auswärtigen Ausschusses.

An der Spitze des Bundes der Vertriebenen

Am 14. März 1970 wird Czaja zum Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen (BdV) gewählt und behält diese Position bis 1994. In seiner Publikation „Unterwegs zum kleinsten Deutschland“ (1996) beschreibt er rückblickend, dass er bereits 1948 zu den Mitgründern einer Kreisgruppe der Landsmannschaft der Oberschlesier in Stuttgart gehört hat. Hier betont Czaja auch, die Bedeutung der Unterstützung der Vertriebenenarbeit durch Vertreter der christlichen Kirchen. Insbesondere die Vernetzung zwischen den Vertriebenen und katholischen Theologen ist ihm ein großes Anliegen.

Von 1969 bis 1995 amtiert Czaja auch als Sprecher der Landsmannschaft der Oberschlesier, einem Mitgliedsverband des Bundesverbands der Vertriebenen. Czaja zählt auch zu den Mitgründern der Union der Vertriebenen in CDU und CSU, einer parteipolitischen Sonderorganisation, die als Ansprechpartner für die Interessenverbände der Flüchtlinge und Vertriebenen dient sowie programmatisch für das Selbstbestimmungsrecht aller Deutschen wie auch das Recht auf Heimat eintritt und sich um die Pflege des deutschen Kulturerbes in Ostmitteleuropa bemüht.

Von der Spitze des BdV aus avanciert Czaja zu Beginn der 1970er Jahre zu einem der schärfsten Kritiker der Ostpolitik der sozialliberalen Koalition. Als Interessenvertretung, die sich dezidiert für die Wahrung der Volksgruppenrechte der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches einsetz, ist die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze als Westgrenze der Republik Polen, wie sie im Moskauer Vertrag vom 12. August 1970 und dem Warschauer Vertrag vom 7. Dezember 1970 festgeschrieben wird, nicht akzeptabel. Hinzu kommt, dass im gleichen Maß, wie die gesellschaftliche Integration der Vertriebenen in die Bundesrepublik voranschritt, sich für die Vertriebenenverbände die Existenzfrage stellt. Auch vor diesem Hintergrund erklärt sich die Fundamentalopposition des BdV gegenüber der Ostpolitik der Regierung Brandt/Scheel. Gleichwohl gehörte Czaja nicht zu denjenigen Vertriebenenpolitikern, die eine Wiederherstellung Deutschlands in den Grenzen von 1937 forderten: Dokumente aus den 1960er Jahren belegen, dass seine politischen Überlegungen durchaus auf einen Ausgleich mit Polen zielten.

In den 1970er und 1980er Jahren zielt Czajas Wirken als Vorsitzender des BdV stets darauf, die deutsche Frage offenzuhalten und die Wahrung kultureller Rechte und Eigentumsvorbehalte der vertriebenen Deutschen zu wahren. Er argumentiert dabei von einem engen völkerrechtlich gefassten Standpunkt aus, der sich in den Details auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Ostverträgen vom 7. Juli 1975 stützt, das die Gültigkeit der Ostverträgen bestätigt, zugleich jedoch schlussfolgert, dass eine endgültige Festlegung der deutschen Grenzen einer friedensvertraglichen Regelung unter Beachtung der Vier-Mächte-Verantwortung für Deutschland als Ganzes vorbehalten bleiben muss. Diese Haltung vertritt er auch, als sich 1989/90 nach der friedlichen Revolution in der DDR überraschend die Chance zur Wiederherstellung der deutschen Einheit ergibt.

1990 zeigt Czaja sich enttäuscht von den gemeinsamen Entschlüssen des Bundestags und der Volkskammer zur Anerkennung der polnischen Westgrenzen. Durch sein Festhalten an einer Rechtsposition, die sich mit den historischen und politischen Realitäten jedoch kaum mehr vereinbaren lässt, führt allerdings zu einer deutlichen Entfremdung zur Mehrheitsmeinung innerhalb der CDU.

Am Ende des Jahres 1990 scheidet Czaja aus dem Bundestag aus, wird jedoch im Juni 1992 erneut als Präsident des BdV bestätigt und amtiert noch bis 1994. Er stirbt am 18. April 1997 im Alter von 82 Jahren in Stuttgart.

Verheiratet ist Czaja mit Eva-Maria, geb. Reinhardt, die beiden haben neun Kinder.

ACDP, 01-291

  • Matthias Stickler: Die zwei Leben des Dr. Herbert Czaja (1914-1997). Grundzüge eines Lebensbilds, in: Ders. (Hg.), Jenseits von Aufrechnung und Verdrängung. Neue Forschungen zu Flucht, Vertreibung und Vertriebenenintegration. Stuttgart 2014, S. 45-65.

Christine Bach