Johannes Hoffmann grüßt in die Kamera und zieht seinen Hut.
Johannes Hoffmann, 7. September 1955

Johannes Hoffmann (geb. (eigentlich Johann Viktor))

* geboren 23.12.1890 in Landsweiler-Reden/Neunkirchen
† gestorben 21.09.1967 in Völklingen


Journalist, Ministerpräsident, rk.

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Übersicht

1912-1914Studium der Philosophie und Philologie in Innsbruck und Freiburg/Br.
1914Kriegsfreiwilliger
1918-1920Studium der Volkswirtschaft in Berlin
1920-1929Journalist in Berlin, u.a. bei der "Germania"
1929Chefredakteur der "Saarbrücker Landeszeitung"
1934Entlassung als Chefredakteur auf Betreiben Franz von Papens, Gründer und Teilhaber der "Neuen Saarpost"
1935Saarabstimmung, Flucht nach Frankreich, dann Luxemburg
1936Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit
1939Anstellung beim deutschsprachigen Programm des französischen Rundfunks
1940Internierung in Frankreich, Flucht in die unbesetzte Zone
1941Flucht nach Brasilien
1945Rückkehr über Frankreich nach Deutschland
1947Präsident der Verfassungskommission des Saarlandes, Ministerpräsident
1950Saarkonventionen
1954Pariser Verträge mit Saarstatut
23.10.1955Volksabstimmung über das Saarstatut, Rücktritt
1963Die Memoiren "Das Ziel war Europa" erscheinen

Biographischer Werdegang

Johannes Viktor Hoffmann wurde am 23. Dezember 1890 in kleinen Verhältnissen in Landsweiler geboren. Aufgewachsen und sozialisiert in den typischen Strukturen des katholischen Milieus, besuchte er das Bischöfliche Konvikt in Trier, entschied sich aber gegen ein Theologiestudium. 1914 Kriegsfreiwilliger, wurde er bald zum Unteroffizier befördert, mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet und kämpfte ab 1917 bei den deutschen Truppen in Palästina. Nach dem Zusammenbruch der Türkei schlug sich Hoffmann nach Deutschland durch. Nach der Heirat 1919 arbeitete er als Journalist, baute ein Nachrichtenbüro mit auf und wurde in seinen sozialpolitischen Vorstellungen durch den Kontakt zum „Berliner Hauptstadtapostel", dem caritativ tätigen Pfarrer Carl Sonnenschein geprägt. 1929 kehrte Hoffmann mit seiner Familie an die - 1919 vom Deutschen Reich abgetrennte - Saar zurück, um die Chefredaktion der „Saarbrücker Landeszeitung" zu übernehmen. In dieser Funktion vertrat Hoffmann klar die Zentrumslinie und bezog 1932 dezidiert Position gegen den neuen Reichskanzler Franz von Papen, der durch Intrigen bei Reichspräsident von Hindenburg Reichskanzler Heinrich Brüning gestürzt hatte.

Kampf gegen den Nationalsozialismus

Nach Hitlers Machtübernahme, die Hoffmann publizistisch vehement bekämpft hatte, drängte von Papen Hoffmann aus der Chefredaktion der Zeitung. Dies gelang, da die Saarpresse von der Reichsregierung finanziell alimentiert wurde. Hoffmann brachte aber das Kapital für die Neugründung einer katholisch-demokratisch ausgerichteten Zeitung, der „Neue(n) Saarpost", zusammen. Sie wurde zu einem Sprachrohr der Befürworter des Status quo in der bevorstehenden Volksabstimmung am 13. Januar 1935 über die Zukunft des Saargebietes. Im Vorfeld der Abstimmung kam es auch innerhalb des an der Saar dominierenden politischen Katholizismus zu Spannungen. Ein Teil der saarländischen Katholiken und auch des Klerus war empfänglich für das Werben der „Deutschen Front", einem Zusammenschluss der gesellschaftlichen Kräfte an der Saar, die mit NS-Unterstützung die Rückkehr ins Deutsche Reich forderten.

Nach der für die NS-Gegner verlorenen Abstimmung, bei der 90,3% der Saarbevölkerung für den Anschluss an Hitler-Deutschland votierten, musste Hoffmann um Leib und Leben fürchten. Zuerst wich er in das Großherzogtum Luxemburg aus, wo er mit seiner Familie unter bedrückenden wirtschaftlichen Bedingungen wohnen musste. Nach dem Beginn des deutschen Vormarschs im Westen 1940 und einer kurzfristigen Internierung setzte sich Hofmann, der für den deutschsprachigen französischen Rundfunk gearbeitet hatte, in einer abenteuerlichen Flucht zu Fuß in das unbesetzte Südfrankreich ab. Über Madrid und Lissabon gelang ihm als Mitglied der „Gruppe Görgen" mit einer Reihe anderer deutscher Emigranten die Flucht nach Brasilien. Dort war der Journalist Hoffmann von allen erlernten Möglichkeiten des Broterwerbs abgeschnitten, umso mehr, je stärker Brasilien der Anti-Hitler-Koalition zuneigte und zeitweise seine nicht unbedeutende deutschsprachige Bevölkerungsgruppe kulturell drangsalierte. Hoffmann lebte schließlich als eine Art Hausmeister und Kindermädchen in der Residenz des kanadischen Botschafters in Rio de Janeiro, bevor es ihm noch 1945 gelang, über Frankreich wieder zurück ins besetzte Saargebiet zu reisen.

Der christlich-soziale „Musterstaat" Saar

Die französische Regierung verfolgte an der Saar nach 1945 zuerst den Anschluss an Frankreich, und ließ dafür das Saargebiet wieder wirtschaftlich vom übrigen Besatzungsgebiet trennen. Ein Kompromiss mit den anderen Alliierten 1947 verschaffte dieser Politik die nötige internationale Rückendeckung. Eine französisch gesteuerte Anschlussbewegung, das „Mouvement pour la Rattachement de la Sarre à la France", blieb allerdings ohne großen politischen Einfluss an der Saar. Hoffmann fand über die journalistische Arbeit in die Politik; er wurde 1946 Lizenzträger der „Saarländischen Volkszeitung", der offiziellen Zeitung der neugegründeten „Christlichen Volkspartei" (CVP). Als deren erster Vorsitzender vertrat Hoffmann aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus eine Konzeption, die sich gut mit den französischen Vorstellungen ergänzte. Ihm schwebte ein frankophiles, autonomes Saarland vor, das Teil des französischen Wirtschaftsraumes, aber nicht politisch angeschlossen und eingebettet in ein zusammenwachsendes Europa wäre. Diejenigen Kräfte in der französischen Politik, die sich realistischerweise damit abgefunden hatten, dass sich eine Annexion der Saar nicht würde durchsetzen lassen, fanden eine solche von deutscher Seite vertretene Konzeption begreiflicherweise attraktiv, umso mehr, da Hoffmann für sie anfangs durchaus auch die notwendige demokratische Legitimation bekam. Man muss sich vergegenwärtigen, dass 1946/47 die Wiederherstellung des deutschen Gesamtstaates politisch in weite Ferne gerückt zu sein schien und wirtschaftlich der Anschluss an Frankreich durchaus Vorteile bot.

Schon bei den Kommunalwahlen vom 15. September 1946 erreichte die CVP mit 52,4% einen beachtlichen Erfolg. Sie war dadurch und durch den erneuten Wahlsieg bei den Wahlen zur verfassunggebenden Versammlung am 5. Oktober 1947 in der Lage, der Gründung des neuen Staates - eine Traditionslinie einer staatlichen Verfasstheit für das Saargebiet gibt es nicht - ihren Stempel aufzudrücken. Es gibt „kaum eine zweite Verfassung" (Heinrich Küppers) unter den deutschen Nachkriegsverfassungen, in der sich so deutlich in den Bereichen des Schulwesens, der Sozialstruktur und des Ehe- und Familienrechts die Vorstellungen des politischen Katholizismus wiederfinden. In dieser Hinsicht gelang es, einen christlich-sozialen „Musterstaat" an der Saar zu etablieren. Im Bereich der Wirtschaftspolitik freilich behielt sich Frankreich - wie allerdings auch andere Besatzungsmächte - wesentliche Reservatsrechte vor. Gestützt wurde Hoffmanns Position durch die Wiederzulassung der christlichen Gewerkschaften, die in der saarländischen Montanindustrie traditionsgemäß eine starke Stellung hatten, und anfänglich durch die Koalition mit den saarländischen Sozialdemokraten. Formal gegründet wurde das Saarland am 15. Dezember 1947.

Kollaborateur der Franzosen oder Vorkämpfer für ein neues Europa?

Ende der 1940er Jahren schien Hoffmanns Konzept aufzugehen: Die Saar profitierte von der Anbindung an das wirtschaftlich vergleichsweise stabile Frankreich, der französische Franc, an den der Saar-Franken gekoppelt war, war zumindest im Vergleich zur Reichsmark eine stabile Währung. Die französische Besatzungsmacht agierte im Umgang mit Hoffmann relativ entgegenkommend, obwohl die archivierten Protokolle zeigen, dass der saarländische Ministerpräsident seinen Verhandlungspartnern durchaus nichts schenkte. Mit der Währungsreform 1948 in den Westzonen und der erfolgreichen Gründung der Bundesrepublik 1949 begann dann aber der schrittweise Niedergang von Hoffmanns Modell. Das Wirtschaftswunder entwickelte sich sehr viel dynamischer als die staatsdirigistische französische Wirtschaft, und die katholisch dominierte CDU unter Adenauer übte naturgemäß große Anziehungskraft auf die saarländischen Katholiken aus.

Rückenwind bekam Hoffmann allerdings durch die politischen Entwicklungen auf europäischer Ebene. Robert Schuman als einer der entscheidenden französischen Politiker war mit seiner Biographie - vom deutschen Offizier zum französischen Ministerpräsidenten - natürlich prädestiniert für eine Zusammenarbeit mit Hoffmann. Auch auf deutscher Seite gab es deutlich weniger Ablehnung im Kreis der Union, als die veröffentlichte Meinung glauben machen wollte. Adenauer, der sich nach seinen Erfahrungen aus den 1920er Jahren nicht dem erneuten Vorwurf des Separatismus aussetzen wollte, hielt sich gegenüber Hoffmann zurück, beteiligte sich aber auch nicht an der publizistischen Hetzjagd auf ihn. Im Gegenteil, er hielt über Adolf Süsterhenn, einen der maßgeblichen Mitgestalter des Grundgesetzes und damals Vorsitzenden Richter des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichts, locker Kontakt.

Kodifiziert wurde der autonome Status des Saarlandes, aber auch seine Abhängigkeit von Frankreich in der Saarkonvention vom 3. März 1950. Frankreich stattete das Saarland mit den Attributen eines teilsouveränen Staates aus: Es gab ein Landeswappen, eine eigene Flagge, sogar eine Botschaft in Paris und eine eigene Währung. Es spielte auch eine eigene Fußball-Nationalmannschaft, betreut vom späteren Bundestrainer Helmut Schön, die bei der Qualifikation zur WM 1954 gegen die bundesdeutsche Elf antrat. All dies konnte freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um einen Staat von Frankreichs Gnaden handelte, wiewohl mit demokratisch legitimierter Führung. Letzteres bildet auch in historischer Perspektive den entscheidenden Unterschied zu dem in der Bundesrepublik damals gern gezogenen Vergleich mit der DDR: Die dortige SED-Führung hat sich niemals freien Wahlen gestellt. In einigen Punkten war diese unschmeichelhafte Parallelsetzung allerdings Anfang der 1950er Jahre tatsächlich nicht von der Hand zu weisen, da die Regierung Hoffmann, insbesondere Innenminister Hector, sehr rigide mit der „prodeutschen" Opposition umsprang. Politisch missliebige Personen wurden aus dem Saarland ausgewiesen, sogar eine durch Geburt begründete saarländische Staatsbürgerschaft konstruiert, und die Opposition polizeilich drangsaliert. Bei all seinen Verdiensten im Kampf gegen den Nationalsozialismus und um die Staatlichkeit des Saarlandes wirft dies einen bleibenden Schatten auf Hoffmanns Wirken.

Letztlich besiegelte das Ende der ersten Phase der europäischen Integration auch den Traum von einem europäischen „Kernstaat" Saarland. Nach dem Scheitern des EVG-Vertrages 1954 in der französischen Nationalversammlung musste Frankreich bei der europäischen Kooperation auf die Bundesrepublik zugehen, wollte es nicht die gesamte europäische Einigungspolitik in Frage stellen. Schuman hatte schon früher den von Hoffmann entwickelten Gedanken einer Europäisierung der Saar in die Diskussion eingebracht. Am 23. Oktober 1954 unterzeichneten die Bundesrepublik und Frankreich das von Konrad Adenauer und Ministerpräsident Pierre Mendès-France ausgehandelte Saarstatut als Teil der Pariser Verträge. Das Statut sah eine Europäisierung der Saar mit einem Kommissar der Westeuropäischen Union an der Spitze vor und sollte durch eine Volksabstimmung bestätigt werden.

Die innenpolitische Situation im Saarland machte den Abstimmungskampf für „Joho" Hoffmann kaum gewinnbar. Die Strahlkraft der erfolgreichen Bundesrepublik, ungeschicktes Agieren der französischen Wirtschaftsverwaltung, die Polizeipolitik der Regierung Hoffmann und die nach acht Jahren Regierungszeit nicht ungewöhnlichen Verschleißerscheinungen trugen dazu bei, dass die innenpolitischen Auseinandersetzungen an der Saar 1954/55 sehr hart wurden. Die neugegründeten „prodeutschen" Parteien CDU - die dadurch das christlich-demokratische Lager spaltete -, die Demokratische Partei Saar (DPS), ein nationalistischer Ableger der FDP und die Deutsche Sozialdemokratische Partei (DSP) schlossen sich im „Heimatbund" zusammen. Bei der Abstimmung am 23. Oktober 1955 lehnten 67,7% der Saarbevölkerung das Statut ab. Die nachfolgenden Verhandlungen mit Frankreich führten 1957 zur „kleinen Wiedervereinigung" des Saarlandes mit der Bundesrepublik Deutschland.

Ruhestand

Nach der Abstimmungsniederlage und dem Rücktritt als Ministerpräsident zog sich Hoffmann aus der Politik zurück. Er akzeptierte als Demokrat das Scheitern seiner politischen Konzeption und bemühte sich, innerhalb der christlich-demokratischen Bewegung die Gräben, die der Abstimmungskampf gerissen hatte, zu schließen. Er setzte sich wiederholt in der Öffentlichkeit für einen Zusammenschluss von CVP und Saar-CDU ein. Dazu war der Umweg nötig, dass sich die CVP 1957 zuerst der CSU (!) anschloss, bevor sie mit der CDU zusammenging. Hoffmanns klare Haltung für einen Zusammenschluss entzog den Versuchen, eine eigene saarländische christlich-soziale Partei weiterzuführen, alle Chancen: Die Saarländische Volkspartei, in der sich die letzten CVP-Anhänger sammelten, blieb deshalb eine Splittergruppe. Da Hoffmann hier völlig ohne eigenen Ehrgeiz handelte, ist seine Parteinahme ein gewichtiges Indiz gegen die ihm oft unterstellten separatistischen Tendenzen.

Hoffmann führte ein Leben als Pensionär im Kreis seiner Familie und arbeitete an seinen Memoiren, die 1963 unter dem Titel „Das Ziel war Europa" erschienen. Zu seinem 75. Geburtstag war er noch einmal in der Öffentlichkeit zu sehen. Bei seinem Geburtstagsempfang erschien auch der damalige saarländische Ministerpräsident Franz-Josef Röder, um die Versöhnung beider Flügel der saarländischen Christdemokraten zu befördern. Am 21. September 1967 verstarb Hoffmann im Kreis seiner Familie an den Folgen eines Schlaganfalls.

Wirkungsgeschichte

Der Kampf um die Deutungshoheit der Geschichte der Saar hatte schon vor Hoffmanns Tod eingesetzt. Hoffmann hatte in seinen Memoiren klar die europäische Komponente seiner politischen Konzeption herausgearbeitet, während seine Gegner ihn als Handlanger Frankreichs präsentierten. Besonders polemisch war die Darstellung des ehemaligen DPS-Propagandisten Heinrich Schneider, „Das Wunder an der Saar", die über lange Zeit den Tenor der öffentlichen Meinung bestimmen sollte. In den letzten Jahren hat sich die Diskussion verwissenschaftlicht. Mit den Untersuchungen von Michael Gestier und Herbert Elzer, um nur zwei der wichtigsten zu nennen, sind die Haltung der Parteien und eines Teils der Bundesregierung transparent geworden. Heinrich Küppers hat eine von kritischer Sympathie getragene, erste wissenschaftliche Biographie Hoffmanns im Rahmen der „Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte" vorgelegt. Auf der Basis neuer Quellenfunde etwa zu Hoffmanns Exilzeit wird ein sehr viel vollständigeres und differenzierteres Bild als bisher gezeichnet, vor allem in der für die Beurteilung Hoffmanns so entscheidenden politischen Konzeption. Der bewusst gewählte, pointierte Untertitel „Biographie eines Deutschen" hat zu Widerspruch herausgefordert, jedoch ist durch die Untersuchung unzweifelhaft ein wesentlicher Fortschritt in der Erforschung eines der interessantesten christdemokratischen Ministerpräsidenten und Europapolitiker des letzten Jahrhunderts gelungen.

  • Herbert Elzer: Die deutsche Wiedervereinigung an der Saar. Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen und das Netzwerk der prodeutschen Opposition 1949 bis 1955. Sankt Ingbert 2007.
  • Markus Gestier: Die christlichen Parteien an der Saar und ihr Verhältnis zum Nationalstaat in den Abstimmungskämpfen 1935 und 1955. Sankt Ingbert 1991.
  • Johannes Hoffmann: Das Ziel war Europa. Der Weg der Saar 1945-1955. München/Wien 1963.
  • Heinrich Küppers: Johannes Hoffmann (1890-1967). Biographie eines Deutschen. Düsseldorf 2008. (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte Bd. 54)
  • Heinrich Schneider: Das Wunder an der Saar. Ein Erfolg politischer Gemeinsamkeit. 2. Aufl. Stuttgart 1974.

Wolfgang Tischner