Maria Meyer-Sevenich (geb. Sevenich)

* geboren 27.04.1907 in Köln
† gestorben 03.03.1970 in Hannover

Ministerin, rk.

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Übersicht

Büroangestellte; Abitur am Abendgymnasium; Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft
1928Mitglied der SPD
1931Mitglied der SAP
1933Mitglied der KPD
1933Verhaftung und Emigration in die Schweiz, dort Studium der französischen Sprache
1937Emigration nach Frankreich
1942Verhaftung und Verurteilung zu zwei Jahren Zuchthaus
1945Mitbegründerin der Deutschen Aufbau-Bewegung (später CDU) in Darmstadt, Geschäftsführerin der DAB, Landesvorstandsmitglied der CDU Hessen
1946Mitglied des Beratenden Landesausschusses und der Verfassunggebenden Versammlung in Hessen
1946Übersiedlung nach Niedersachsen
1947Heirat mit Werner Meyer
1947-1970MdL Niedersachsen
1948Austritt aus der CDU
1949Mitglied der SPD
1965-1967Niedersächsische Ministerin für Bundesangelegenheiten, Vertriebene und Flüchtlinge
1970Mitglied der CDU

Biographischer Werdegang

„Als Letztes sei mir erlaubt zu sagen, daß es meine tiefste Angst ist, einmal zu den Lauen gezählt zu werden, während es mir gar nichts ausmachen wird, Zeit meines Lebens unbequem gewesen zu sein.“ (Impressionen, S. 136)

Eine Kölnerin auf der Suche nach einer politischen Heimat

Maria Sevenich kommt am 27. April 1907 als Tochter eines Kölner Schmiedemeisters zur Welt. Sie besucht in der Domstadt die Städtische Handelsschule und arbeitet als Büroangestellte, bevor sie am Abendgymnasium das Abitur nachholt. Mit Unterstützung der Lincoln-Stiftung nimmt sie 1929 ein Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main auf. Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hindert sie allerdings an einem Abschluss.

Das katholisch und sozialdemokratisch geprägte Elternhaus weckt früh Sevenichs politisches Interesse. Auf der Suche nach einer politischen Heimat engagiert sich die Arbeitertochter zunächst in der Bündischen und der Kommunistischen Jugend, später in einer sozialistischen Studentengruppe. Die SPD, der sie 1928 beitritt, verlässt sie bereits drei Jahre später, als sie in Frankfurt am Main die Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) mit aufbaut. Als es hier allerdings zu Auseinandersetzungen über den Kampf gegen den Faschismus kommt, tritt Sevenich mit anderen SAP-Mitgliedern 1933 zur KPD über.

Widerstand und Verfolgung im Dritten Reich

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten arbeitet Sevenich im Untergrund gegen das Regime. Allerdings wird sie noch 1933 von KPD-Genossen denunziert, was zu zwei Verhaftungen führt. Sie kann sich noch im gleichen Jahr in die Schweiz retten, von dort wandert sie 1937 nach Frankreich aus. Dort wird sie 1942 von der Gestapo verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Obwohl frühere Genossen sie im Verfahren erneut schwer belasten, erhält Sevenich „nur“ eine zweijährige Haftstrafe, die sie in der Strafanstalt Ziegenhain im hessischen Schwalmstadt verbüßt. In der Emigration wie auch während der Haft lernt Sevenich zahllose Personen kennen, die sie für ihre politische Sozialisation als unentbehrlich empfindet.

Hinwendung zur christlichen Sozialethik

Ihre nicht zuletzt auch auf persönlichen Erfahrungen basierende tiefe Enttäuschung mit dem Kommunismus resultiert bereits in der Emigration in der Abkehr von der KPD wie auch vom theoretischen Marxismus. An seiner Stelle erstrebt die Katholikin nun einen „Sozialismus aus christlicher Verantwortung“ (Sevenich, Hessische Politikerinnen, S. 136). In Darmstadt, wo sie nach der Haftentlassung lebt, gründet sie die Deutsche Aufbau-Bewegung (DAB) mit, eine überkonfessionelle Partei, die in Abgrenzung zu SPD und KPD soziale Politik gestalten will. Als Geschäftsführerin der DAB ist Sevenich für das Grundsatzprogramm der Partei verantwortlich, in dem sie in scharfen Worten mit dem Kommunismus abrechnet. Im November 1945 schließt sich die DAB mit anderen lokalen Parteigründungen zur CDU in Großhessen zusammen. Bereits zu diesem Zeitpunkt führt Sevenichs Kompromisslosigkeit – gerade auch gegenüber der SPD, die sich noch nicht klar vom Kommunismus distanziert hat – zu Spannungen innerhalb der eigenen Partei. Gleichwohl wird sie in den ersten Landesvorstand der CDU Hessens gewählt.

„Der neue Stern“ der CDU ist umstritten

Maria Sevenichs einmaliges rhetorisches Talent macht sie schnell über Hessens Grenzen hinaus bekannt. Reden hält sie ohne Vorlagen, zuverlässig trifft sie den Nerv der Zuhörer, Zwischenrufe pariert sie souverän. So wird sie zu einem nahezu unersetzlichen Motor für die Bekanntheit der frisch gegründeten christdemokratischen Partei.

Von ihrer Partei vorgeschlagen zieht Sevenich 1946 in den Beratenden Landesausschuss Hessens, einem Äquivalent zu ernannten Landtagen, und im Anschluss in die Verfassungsgebende Landesversammlung ein. Doch der CDU, die in der Verfassunggebenden Landesversammlung eine Koalition mit der SPD erwägt, ist die eigene Abgeordnete bald schon zu unbequem. Denn Sevenich hält weiterhin an ihrer strikten Ablehnung der SPD fest. Im Sommer 1946 nimmt die hessische CDU-Führung harte Kritik Sevenichs an der amerikanischen Entnazifizierungspolitik zum Anlass, sie mit einem Redeverbot kaltzustellen. Weil der CDU-Landesvorsitzende Werner Hilpert sie trotz wiederholter Anläufe nicht anhört, wendet sich Sevenich von Hessen ab. Mit Unterstützung Konrad Adenauers wechselt sie noch im August nach Niedersachsen. Hier kann sie ihre politische Karriere nahtlos wiederaufnehmen. Besondere Aufmerksamkeit erregt dabei ihr 30-tägiger Hungerstreik, mit dem sie im November 1946 auf die schlechte Versorgungslage im besetzten Deutschland hinweisen möchte. Im April 1947 zieht Sevenich über die Landesliste in den ersten Niedersächsischen Landtag ein, dem sie bis zu ihrem Tod 1970 angehören wird.

Von der CDU zur SPD

Noch im gleichen Jahr, 1947, heiratet die Vierzigjährige Werner Meyer, den Vorsitzenden der Jungen Union im CDU-Landesverband Hannover. Von ihm erhält sie für ihre streitbare Politik stets Rückendeckung. 1948 geht Meyer-Sevenich vor allem wegen der Hinwendung der CDU zur „asoziale(n) freie(n) Marktwirtschaft“ (in einem Schreiben an Kurt Schumacher, 08.10.1949, veröffentlicht in: Grebing: Auch eine Entscheidung für die SPD: Maria Meyer-Sevenich, S. 52), personifiziert im Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes Ludwig Erhard, aber auch wegen der Haltung der CDU zur Flüchtlingspolitik auf Konfrontationskurs zur eigenen Partei. Zunächst tritt Werner Meyer aus der CDU aus. Vier Wochen später, im Mai 1948, folgt ihm Meyer-Sevenich. Ihr Landtagsmandat führt sie aus taktischen Gründen zunächst als parteilose Abgeordnete weiter, bis sie Ende 1949 wieder in die SPD eintritt, die sich inzwischen klar vom Kommunismus distanziert hat. Sie erklärt zu diesem Schritt, dass nicht sie sich „geändert hätte, sondern (…) die CDU eine andere Entwicklung nahm (…) als ich erwartet hatte.“ (in einem Brief an Kurt Schumacher, 29.11.1948, veröffentlicht in: Grebing: Auch eine Entscheidung für die SPD: Maria Meyer-Sevenich, S. 49)

Als Sozialdemokratin vertritt sie den Wahlkreis Sarstedt bis 1970 im Niedersächsischen Landtag. Ihre Schwerpunktthemen bleiben vor allem die Flüchtlings- und Vertriebenenpolitik.

Minister für Bundesangelegenheiten, Vertriebene und Flüchtlinge

Zweifelsohne gehört Meyer-Sevenich weiterhin zu den charismatischsten Persönlichkeiten der niedersächsischen Politik. Gleichwohl kann sie als SPD-Abgeordnete keine vergleichbare Breitenwirkung entfalten wie zuvor. Dies mag unter anderem mit ihrer entschieden katholischen Grundhaltung zu erklären sein. Auch privat lebt die im persönlichen Umgang mitunter schwierige Frau seit dem Freitod Werner Meyers im Jahr 1963 zurückgezogen. Zugleich verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand auf Grund eines schweren Diabetes kontinuierlich.

Dennoch wird Maria Meyer-Sevenich 1965 als Nachfolgerin des verstorbenen Curt Miehle zum Niedersächsischen Minister für Bundesangelegenheiten, Vertriebene und Flüchtlinge berufen, ein Amt, das sie bis zur Regierungsumbildung 1967 innehat. Hier kämpft sie vor allem für die materielle Gleichbehandlung von Vertriebenen und auch Aussiedler, die nun in zunehmender Zahl in die Bundesrepublik kommen.

Ein letzter parteipolitischer Wechsel

1970 bricht Maria Meyer-Sevenich ein letztes Mal mit ihrer Partei. Die Ostpolitik Willy Brandts, die sie als „bedingungslose(r) deutsche(r) Ausverkauf“ (Spiegel Nr. 9/1970) empört, treibt sie wieder zur CDU, der sie am 17. Februar 1970 beitritt. Ihr Fraktionswechsel im Landtag verschärft die schwelende Krise der SPD-geführten Großen Koalition unter Georg Diederichs. Rein rechnerisch ist nun eine Regierungsbildung unter Ausschluss der SPD möglich. Die Beilegung der Regierungskrise erlebt Maria Meyer-Sevenich allerdings nicht mehr. Sie stirbt drei Wochen nach ihrem letzten Parteiwechsel mit 63 Jahren an den Folgen ihrer Zuckerkrankheit.

Ihre Sorge, einmal zu „den Lauen“ gezählt zu werden, erweist sich als unbegründet. Zweifelsfrei gehört Maria Meyer-Sevenich zu den schillerndsten und umstrittensten Persönlichkeiten der frühen Bundesrepublik.

  • Schüller, Elke: „Du kannst nicht treu sein.“ Maria Meyer-Sevenich, in: Frauen machen Politik. Parlamentarierinnen in Niedersachsen, hrsg. v. Bärbel Clemens, Hannover 1996, S. 81-91.
  • Grebing, Helga: Auch eine Entscheidung für die SPD: Maria Meyer-Sevenich 1948/1949, in: IWK 1/88, S. 43-54.
  • Maria Meyer-Sevenich, geb. Sevenich, CDU, in: Alibi-Frauen? Hessische Politikerinnen 1, hrsg. v. Ingrid Langer, Ulrike Ley, Susanne Sander, Frankfurt 1994, S. 129-166.
  • Meyer-Sevenich, Maria: Impressionen und Gedanken. Aus dem Alltag eines Vertriebenenministers. Gesamtdeutsche Fragen in ihrem Verhältnis zu Heimatvertriebenen, Flüchtlingen und Einheimischen, Leer 1967 (Schriften zur deutschen Frage 6).

Dorothea Oelze