Am 4.12.1923 hat mich Herr Arnaud in Köln besucht. Er sagte, daß er jetzt vollständig im Privatleben stehe, aber deswegen um so freier wäre. Ich habe ihm die Lage in Deutschland auseinandergesetzt und erklärt, daß meiner Auffassung nach eine Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich für beide Staaten absolut notwendig sei. Frankreich verlange zweierlei: Reparationen und Sicherheit. Die Sicherheitsfrage muß sehr ernst genommen werden. Ich habe ihm dann mündlich ausgeführt, was in der Anlage I kurz wiedergegeben ist.
Gleichzeitig habe ich Herrn Arnaud auch streng vertraulich Kenntnis gegeben von den Verhandlungen mit Tirard, besonders von dessen Vorschlag von Ende November bezüglich der Konstruktion eines Rheinstaates. Ich habe ihm gesagt, daß etwas derartiges vollständig unmöglich sei. Herr Amaud erklärte, daß er in allen Punkten mir beitrete. Die „Principes" des Herrn Tirard seien vollständig unmöglich und lägen weder im französischen noch in unserm Interesse. Es sei fast sicher, daß die maßgebenden Stellen in Frankreich, insbesondere Herr Poincaré, auf den Boden dieser Vorschläge treten würden. Er sei mit dem französischen Marineminister Pariaut [sic!] befreundet und habe durch diesen bei Poincaré anfragen lassen, ob er mich besuchen solle. Poincaré habe ihm mitteilen lassen, daß er den Besuch des Herrn Arnaud bei mir außerordentlich begrüßen würde. Er - Arnaud - werde jetzt nach seiner Rückkehr zunächst zum Marineminister gehen und dann zu Poincaré. Er hoffe, mir in acht Tagen gute Nachrichten geben zu können.
Er erklärte weiter, daß die Eisenbahnen im besetzten Gebiet vielleicht nicht dem Reich zurückgegeben werden könnten, daß sie dann aber dem westdeutschen Bundesstaat übertragen werden müßten. Ich sagte ihm, daß ich mit Herrn Stinnes über diese ganze Frage gesprochen habe. Herr Stinnes stehe durchaus auf dem Boden meiner Gedanken. Er habe erklärt, er sei bereit, für diese gegenseitige Verflechtung der wirtschaftlichen Interessen dadurch zu sorgen, daß er 25 % der Aktien seiner Unternehmungen austausche gegen eine entsprechende Anzahl von Aktien lothringischer Unternehmungen.
Weiter habe ich Herrn Arnaud gesagt, daß, wenn Deutschland auch die Aufgabe Elsaß-Lothringens anerkenne, es sich doch mit der östlichen Grenzgestaltung, insbesondere der Preisgabe Oberschlesiens und Westpreußens, nicht einverstanden erklären könne. Herr Arnaud gab dies zu und meinte, man solle die Entwicklung dieser Frage ruhig der Zukunft überlassen und jetzt am besten gar nicht davon sprechen. Die Stellungnahme des Herrn Stinnes erklärte er für sehr bedeutsam. Er bat mich, Herr Stinnes möge einmal niederlegen, wie er sich die Lösung des Reparationsproblems denke. Ich habe mich bereit erklärt, dieses von Herrn Stinnes zu erbitten, und gleichzeitig gesagt, daß, da ich denselben Abend nach Berlin führe, ich den Herrn Reichskanzler, ohne den Besuch des Herrn Arnaud zu erwähnen, allgemein von meinen Gedanken unterrichten und seine Stellungnahme dazu feststellen wolle und das Exposé des Herrn Stinnes und die Mitteilungen des Herrn Reichskanzlers sofort Herrn Arnaud nach Paris weitergeben werde.
Herr Arnaud schied von mir mit der Versicherung, daß er sich der Sache aufs wärmste annehmen werde und daß er an ihrem Erfolge nicht zweifle. - Ich habe dann ein Exposé des Herrn Stinnes am 14.12.23 an Herrn Arnaud geschickt und ihm gleichzeitig mitgeteilt, daß der Reichskanzler meine Gedankengänge teile. Von Herrn Arnaud habe ich dann ein Telegramm, datiert vom 13.12., aus Paris erhalten. Ich habe darauf Herrn Arnaud depeschiert:
„Drahtet über Aussichten des Geschäftes an mich Adresse Hamspohn. Gruß."
Herr Hamspohn hat darauf von Herrn Arnaud folgende Depesche bekommen (am 13.):
„Gestern sehr interessante Unterredung - gute Aussichten - natürlich mit wichtigen Vorbehalten. Freund kann Verhandlungen fortsetzen. Ich schreibe. Grüße."
Quelle: HAStK 2/253/7. Aufzeichnung o.D. Erstschrift. Abgedruckt in: Erdmann, Karl Dietrich: Adenauer in der Rheinlandpolitik nach dem Ersten Weltkrieg. Stuttgart 1966, S. 336-338.