10. April 1962

Aus der Beratung des Gesetzentwurfs über die Feststellung des Bundeshaushaltsplanes 1962 in der 25. Sitzung des Deutschen Bundestages

Dr. Adenauer, Bundeskanzler: Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren!

Lassen Sie mich zunächst Herrn Kollegen Ollenhauer danken für die Eingangsworte, die er gesprochen hat. In der Tat, es ist ein ziemlicher Wechsel seit gestern auf heute, wenn ich mir diesen Saal betrachte und wenn ich an den Comer See denke.

Heiterkeit.

Ich danke Ihnen aber für die guten Wünsche, Herr Ollenhauer, und ich hoffe bestimmt, daß ich nach Ostern doch Ihren Ratschlägen, die ich eigentlich in den Satz "Landgraf, werde hart" zusammenfassen möchte, folgen werde.

Heiterkeit. - Beifall bei den Regierungsparteien. - Zuruf von der SPD: Mehr Ordnung ins Haus!

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Ollenhauer hat gesagt, die politische Führung, und zwar sowohl die innen- und außenpolitische, und der Start der Koalition habe gezeigt, daß sie unfähig sei. Ich kann Herrn Ollenhauer in keiner Weise darin beipflichten.

Lachen bei der SPD.

Daß sie lachen würden und dem nicht zustimmen, war ja klar, meine Damen und Herren.

Heiterkeit bei den Regierungsparteien.

Aber wenn es Herrn Ollenhauer gestattet ist, nun zu allem Nein zu sagen, dann darf ich doch zu einigem wenigstens Ja sagen.

Erneuter Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien.

Ich sage aus Überzeugung zu recht vielen Dingen Ja, nicht zu allen, das werden Sie noch hören, meine verehrten Damen und Herren.

Wenn aber gesagt wird, daß eine Koalition, wie sie jetzt geschaffen worden sei, unfähig sei, dann bestreite ich das entschieden, und ich will Ihnen sofort dazu zwei Beispiele aus der letzten Vergangenheit anführen. Bitte, denken Sie an die Rede des Finanzministers Starke, als er den Haushaltsplan einbrachte. Ich glaube, das ganze Haus hat unter dem Eindruck dieser Rede gestanden; denn er sprach doch davon, und zwar in sehr ernsten Worten, daß man nicht alles auf einmal haben könne und daß gespart werden müsse.

Beifall bei den Regierungsparteien.

Meine Damen und Herren, während ich manchmal - ich will sehr vorsichtig sein - von Freunden, die man im Ausland hat, höre, daß man von sozialdemokratischen Herren, wenn sie ins Ausland kämen, dort andere Worte höre, als sie hier im Bundestag gesprochen würden - was mich sehr wundert -, kann ich Ihnen sagen, daß z. B. die Reise, die Herr Mende in die Vereinigten Staaten gemacht hat, dort einen sehr großen Eindruck hinterlassen hat.

Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU.

Herr Ollenhauer hat mir dann vorgeworfen, die Politik sei verworren und ich ließe die Zügel schleifen. Ich folge ihm in der Gestaltung dessen, was ich zu sagen habe, und möchte auch zunächst über die Außenpolitik sprechen.

Meine Damen und Herren, ich spreche jetzt zunächst einmal von Berlin. Ich kann hier nur erklären - und möchte das nicht nur vor der deutschen Öffentlichkeit, sondern vor der gesamten Weltöffentlichkeit sagen -, daß unser Standpunkt bezüglich Berlin derselbe geblieben ist und bleiben wird.

Beifall bei den Regierungsparteien.

Ich glaube, dieser Standpunkt ist sehr klar. Wir müssen doch, um Berlin zu retten, dafür sorgen, daß die drei früheren alliierten Mächte, die Vereinigten Staaten an der Spitze und dann England und Frankreich, als Vorkämpfer für die Sache Berlins in der Welt dastehen, nicht wir - wir stehen dahinter -, und wir müssen alles tun, damit Berlin Hoffnung behält und Leben behält. Aber die außenpolitischen Auseinandersetzungen müssen die Drei führen. Was Herr Präsident Kennedy darüber gesagt hat, das wissen wir doch alle, und das Bekenntnis, das er zu Berlin und zur Freiheit Berlins abgelegt hat, war so klar und deutlich wie nur je. Wenn wir jetzt dazwischenredeten, würden, glaube ich, Mißtöne herauskommen. Aber daß wir mit den Vereinigten Staaten ...

Lachen bei der SPD.

Meine Damen und Herren, Sie wissen genau, daß sich dann Sowjetrußland gegen uns wenden würde, und zwar in ganz anderer Weise als gegen die Vereinigten Staaten.

Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.

Seien wir doch gerade in der Sache Berlin, meine Damen und Herren, einmal weg von aller Parteipolitik, gegeneinander ehrlich und vertrauensvoll!

Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.

Ich betone namentlich, meine Damen und Herren, daß wir in dieser Sache zusammenstehen müssen, die Opposition und die Regierungskoalition;

Sehr richtig! bei der SPD.

denn wenn wir nicht zusammenstehen, wenn man uns hier vorwirft, daß wir, die Bundesregierung,

Abg. Dr. Kohut: Seit 12 Jahren haben Sie nichts für Berlin getan!

und die Koalition, die hinter ihr steht, in der Frage Berlin unklar und verworren seien, dann, meine Damen und Herren, schaden wir Berlin.

Erneuter Zuruf des Abg. Dr. Kohut.

Darüber sollte man sich doch wirklich klar sein.

Zuruf von der SPD: Das ist aber ganz neu! - Abg. Hermsdorf: Das ist wieder sehr typisch für Sie, was Sie da sagen!

Nun hat mir Kollege Ollenhauer weiter Unklarheit in der Europa-Politik vorgeworfen. Er hat von meiner Zusammenkunft mit dem französischen Staatspräsidenten gesprochen und dazu gesagt, daß Herr de Gaulle doch das Europa der Vaterländer und den Stillstand der wirtschaftlichen Integration Europas haben wolle. Meine Damen und Herren, das ist völlig falsch. Lassen Sie mich zunächst doch einmal diesen Worten "Europa der Vaterländer" und auf der anderen Seite "europäische Integration", wenn ich kann, den Hals umdrehen!

Meine Damen und Herren, keiner in diesem Saale ist der Auffassung, daß wir, auch wenn die Politische Europäische Union vollzogen ist, kein deutsches Vaterland mehr haben. Das wollen wir doch behalten,

Beifall bei den Regierungsparteien.

und ebenso wollen die Franzosen ihr Vaterland behalten, und ebenso wollen die Italiener ihr Vaterland behalten.

Unruhe bei der SPD.

Woraus besteht denn nach Ihrer Auffassung das Vaterland? Das Vaterland, meine Damen und Herren, äußert sich in der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land, nicht in erster Linie in militärischen Rüstungen, sondern in der Gemeinsamkeit der Kultur, in der Gemeinsamkeit der Sprache, in all dem, was den Menschen mit einem Land, in dem er aufgewachsen ist, verbindet,

Beifall bei der CDU/CSU.

und deswegen habe ich, auch wenn die politische Integration, wie ich hoffe, im Juni dieses Jahres beginnt, nach wie vor ein deutsches Vaterland, und Sie haben es auch.

Unruhe und Zurufe bei der SPD.

Deswegen ist die Gegenüberstellung: Europa der Vaterländer oder integriertes Europa, falsch. Ich werfe Ihnen das gar nicht vor, Herr Ollenhauer, sondern ich benutze die Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit einmal klarzustellen, daß man so gar nicht sprechen soll,

Zuruf von der SPD: Wie denn?

wie es die Öffentlichkeit in der Regel tut. - Ich komme gleich darauf zurück, meine Herren, was in Baden-Baden, in Turin und in Cadenabbia gesprochen worden ist.

Nun hat der Kollege Ollenhauer von meinem Interview mit dem Chefredakteur von "Le Monde" und davon gesprochen, daß die Kreise Großbritanniens, die nicht für den Eintritt in die EWG seien, dadurch Sukkurs von mir bekommen hätten. Ich weiß nicht, Herr Kollege Ollenhauer, ob Sie gehört haben, was Herr Macmillan erklärt hat. Herr Macmillan hat doch, und zwar im britischen Parlament, erklärt, alle diese Behauptungen seien völlig falsch und er habe an meinen Erklärungen nichts auszusetzen. Das ist auch richtig, meine Damen und Herren. Das, was ich "Le Monde" gesagt habe, ist drüben in Großbritannien von gewissen Kreisen einfach entstellt worden.

Zuruf von der SPD: Wieder mal!

Nun, meine Damen und Herren, Baden-Baden! Hier müssen Sie die Nichtanwesenheit von Herrn Schröder entschuldigen; er muß an der Ministerratsbesprechung der WEU in London, die heute stattfindet, teilnehmen. Zunächst haben wir in Baden-Baden die Stunden des Vormittags damit verbracht, daß wir über die Weltprobleme gesprochen haben, und nachmittags haben wir, Staatspräsident de Gaulle und ich, über die europäische politische Integration verhandelt. Bei der Gelegenheit hat Herr de Gaulle mir ausdrücklich darin zugestimmt, daß die jetzt bestehenden europäischen Institutionen ihre Aufgabe ausgezeichnet erfüllt haben, und daß sie völlig unangetastet bleiben müssen. Das war die Feststellung, die wir getroffen haben. Dann haben wir uns noch über andere Fragen der politischen Union, der europäischen Union unterhalten; wir waren auch da derselben Meinung.

Dann hat sich innerhalb des Kreises der Sechs Widerstand erhoben, der namentlich von Angehörigen von Benelux herkommt. Herr de Gaulle hat sich nun, wie Sie wissen, in Turin mit Herrn Fanfani getroffen. Herr Fanfani hat mir über diese Unterredung, die er in Turin gehabt hat, jetzt in Cadenabbia sehr ausführlich berichtet. Es zeichnet sich da eine Lösung ab, die in einer gewissen Variante, die nicht von Bedeutung ist, von dem, was wir in Cadenabbia besprochen haben, abweicht - nicht in der Frage der weiteren Funktion der bestehenden europäischen Gemeinschaften. Es ist nun zu hoffen, daß wir in der Sitzung des Ministerrates der EWG, die in der nächsten Woche stattfindet, mit allen Sechs, auch mit den Benelux-Ländern, einig werden und daß in der ersten Hälfte des Monats Juni eine Zusammenkunft der Regierungschefs in Rom stattfindet, in der dann der erste Schritt zur Politischen Union getan wird.

Nun, meine Damen und Herren, bitte ich noch einmal an die EWG zurückzudenken. Auch bei der EWG sind wir davon ausgegangen, daß sie Schritt für Schritt und in verschiedenen Stadien hergestellt werden muß. Ganz dasselbe müssen wir auch hinsichtlich der Politischen Union machen. Wir müssen auch hier Schritt für Schritt vorgehen, aber, meine Damen und Herren, beharrlich vorgehen und konsequent vorgehen. Darum handelt es sich jetzt.

Verehrter Herr Ollenhauer, Sie haben eindeutige Erklärungen der Bundesregierung zu Europa vermißt. Ich glaube, der Vorwurf ist ungerechtfertigt. Wir, die Bundesregierung und insbesondere ich, haben immer konsequent als letztes Ziel der Politik der Herstellung der verschiedenen Organisationen von der Montanunion über die EWG die Politische Union bezeichnet. Ich glaube, dabei sind wir geblieben. Man braucht das nicht alle 14 Tage zu erklären. Man muß nur die Politik gradlinig weiterverfolgen.

Beifall bei der CDU/CSU.

Ich bin fest überzeugt, daß wir zum Ziele kommen, wenn wir einig und geschlossen, geduldig und beharrlich weiter dem Ziele zustreben.

Herr Kollege Ollenhauer hat dann davon gesprochen, daß Herr Strauß in einem Vortrag vor der Georgetown-Universität von einer Atlantischen Union gesprochen habe, während ich in dem Interview, das ich in den letzten zehn Tagen mit Herrn Sulzberger, dem Vertreter der New York Times, gehabt habe, nicht von einer Atlantischen Union, sondern von einer Partnerschaft gesprochen habe. Das ist richtig. Ich erinnere mich auch, daß Herr Strauß, der im übrigen Verteidigungsminister und nicht Wirtschaftsminister ist, von der Atlantischen Union gesprochen hat. Es ist auch richtig, daß Herr Kennedy von der atlantischen Partnerschaft gesprochen hat. Ich spreche auch von der atlantischen Partnerschaft; denn jetzt, in diesem Stadium der Entwicklung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, müssen wir, glaube ich, doch sehr sorgfältig darauf achten, daß nicht das politische Ziel in den Hintergrund tritt oder unmöglich gemacht wird. Wenn man in einer Wirtschaftsgemeinschaft, die doch Beschlüsse fassen kann, die für alle Länder Gesetzeskraft haben, zu weit geht, ich meine, den Rahmen zu weit spannt, platzt nachher die ganze Geschichte, und das müssen wir vermeiden.

Zustimmung bei der CDU/CSU.

Bei der Weltlage, in der wir uns heute befinden und die wahrscheinlich noch sehr lange andauern wird, ist nach wie vor das Ziel die Politische Gemeinschaft, ist das dasjenige, was zum Weiterbestehen sicher Westeuropas, hoffentlich eines Tages ganz Europas absolut notwendig ist.

Beifall bei der CDU/CSU und bei einigen Abgeordneten der FDP.

Diese eindeutige Erklärung der Bundesregierung zu Europa, die Herr Kollege Ollenhauer vermißt, ist also mehrfach abgegeben worden. Mit meinen Worten habe ich sie hier noch einmal abgegeben.

Nun, meine Damen und Herren, ist auch von der NATO gesprochen worden. Sie werden aus der Presse entnommen haben, daß ich noch am Sonntag mit dem Generalsekretär der NATO eine lange Aussprache gehabt habe. Da Herr Stikker und ich von den ersten Anfängen unserer Außenpolitik an immer ein sehr gutes persönliches Verhältnis gehabt haben, war ein solches politisches Gespräch im Hause des Herrn Stikker am Comer See sehr viel ungezwungener und sehr viel ergiebiger, als wenn man in irgendeinem Büro zusammengekommen wäre.

Nun möchte ich Sie bitten, doch einmal abzuwarten, was der NATO-Rat bei seiner nächsten Zusammenkunft in Athen für Beschlüsse fassen wird. Er wird dort Beschlüsse fassen über die Frage der atomaren Waffen, das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, kurz und gut, über alle diese Themen, die - das gebe ich ohne weiteres zu - besonders für uns Deutsche von lebenswichtiger Bedeutung sind. Warten Sie doch diese fünf Wochen noch ab! Ich kann Ihnen nur sagen, ich bin aus dieser Unterredung mit Herrn Stikker sehr befriedigt herausgegangen. Ich war sehr zufrieden und zum Teil sogar überrascht über die Fortschritte, die Herr Stikker mir schildern konnte. In wenigen Wochen wird die NATO-Ratssitzung vorbei sein, und ich nehme an, daß dann wirklich der Zeitpunkt gekommen sein wird, um in diesem Saale in breiter Öffentlichkeit über die Entwicklung der NATO zu sprechen.

Herr Ollenhauer hat die Ansicht geäußert, wir hätten unsere Linie in der Außenpolitik verändert; Ursache dafür seien die Koalitionsverhandlungen über die Außenpolitik gewesen. Nun, meine Damen und Herren, diese Verhandlungen über die Außenpolitik hat Herr von Brentano, als er noch Außenminister war - ich bedaure, daß er es nicht mehr ist -,

Lachen bei der SPD.

ja, meine Damen und Herren, soll ich denn sagen: Gott sei Dank, daß er es nicht mehr ist? -

Heiterkeit.

schriftlich niedergelegt und in meiner Gegenwart Herrn Kollegen Mende übergeben. Herr Mende hat dann mit seinen Leuten gesprochen und diese von Herrn von Brentano niedergelegten Richtlinien unserer Außenpolitik akzeptiert.

Lachen bei der SPD. - Abg. Dr. Schäfer: Und daraufhin mußte Brentano abtreten!!

Meine Herren, wenn Sie einmal Koalitionsverhandlungen führen sollten,

Heiterkeit bei den Regierungsparteien. - Zuruf von der CDU/CSU: In zwölf Jahren!

werden Sie diese wohl nicht auf offenem Markt führen. Ich glaube, daß Sie sie in möglichst kleinem Kreis führen würden, und ich bin fest überzeugt, daß dann auch allerhand gemunkelt, geredet und geschwätzt würde, was gar nicht zutrifft. Das ist doch immer so, meine verehrten Herren.

Abg. Dr. Kohut: Das war eine ganz reizende Darstellung der Koalitionsverhandlungen, Herr Kanzler!

Nun zur Innenpolitik. Die wirtschaftliche Lage ist ein sehr ernstes und sehr umfangreiches Problem. Das ist sie meiner Meinung nach von jeher gewesen. Sie werden wohl aus der Presse ersehen haben, daß meine Sorgen um die wirtschaftliche Entwicklung nicht von gestern oder vorgestern sind. Ich stimme Ihren Ausführungen bei. Sie werden das vielleicht den Bemerkungen entnommen haben, die ich in der "Welt am Sonntag" in ihrer letzten Nummer gemacht habe. Man kann nicht etwa nur die Gewerkschaften dafür verantwortlich machen. Ich denke nicht daran. Ich sage Ihnen auch in aller Offenheit: Ich habe mich in den vergangenen Jahren, sogar häufig, auch über die Unternehmer geärgert, weil diese - solange sie das Bestellbuch voll hatten - geneigt waren, alles zu bewilligen, was gefordert wurde. Sie wollten lieber fortarbeiten und die Preise in die Höhe setzen, als bestreikt zu werden. Das ist doch die Situation.

Was mich immer so besorgt gemacht hat, das war die sprungweise Erhöhung der Baupreise, seit nunmehr drei Jahren jedes Jahr, dreimal um 8 %, und jetzt um noch mehr als 8 %. Was mir dabei am meisten Kummer gemacht hat, ist, daß die Bausparer durch diese sprungweise Erhöhung gerade der Baukosten so tief getroffen worden sind.

Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP.

Dies hat mich seit langem veranlaßt, mich mit der ganzen Materie eingehend zu befassen. Denn ich halte es für ein ganz schweres Unrecht -

Zurufe von der SPD.

verzeihen Sie! -, wenn eine Regierung nicht versucht, wenigstens das Vertrauen der Bausparer lebendig zu halten.

Beifall bei der SPD und bei einzelnen Abgeordneten der Regierungsparteien. - Zuruf von der SPD: Späte Erkenntnis!

Aber wir sind nicht das einzige Land, das unter den Gefahren der Überbeschäftigung leidet. Manche von Ihnen werden genauso wie ich regelmäßig die "Neue Zürcher Zeitung" verfolgen. Gerade in der "Neuen Zürcher Zeitung" hat vor wenigen Tagen ein ausführlicher Bericht über den Überschwang der Konjunktur gestanden.

Zuruf von der SPD: Kein Trost!

Ich bin ja noch nicht fertig! Ich kann doch nicht immer trösten!

Heiterkeit in der Mitte.

Danach haben sich in der Schweiz sowohl die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber zu einem sehr vernünftigen Standpunkt des gemeinsamen Handelns bekannt.

Beifall bei den Regierungsparteien.

Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß es gelingt, daß auch in der Bundesrepublik die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber sich in der Frage der Konjunktur finden. Denn es ist sowohl das Interesse der Arbeitgeber wie das der Arbeitnehmer wie das der Konsumenten - von denen überhaupt keiner spricht -

Unruhe bei der SPD.

wie das der Sparer, das gewahrt werden muß. Ich habe auch das sehr offen in der "Welt am Sonntag" gesagt. Ja, meine Damen und Herren, die Bundesregierung - damit ich damit anfange - ist schuldig, der Bundestag ist auch schuldig,

Beifall bei den Abgeordneten der Regierungsparteien - Lachen bei der SPD.

es sind schuldig die Länder, und es sind schuldig die Kommunen.

Zurufe von der SPD.

Es sind auch schuldig eine ganze Anzahl von Leuten, die zuviel verdient haben.

Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP und der SPD.

Halten Sie mich denn für so töricht und blind, daß ich das nicht auch sehe und meine Meinung darüber habe, wie gering manche Leute den Wert des Geldes einschätzen und es einfach für nichts ausgeben?!

Beifall bei der CDU/CSU und Abgeordneten der FDP und der SPD.

Die ganze Angelegenheit, um die es sich handelt, die Überführung unserer Wirtschaft in ein neues Stadium, wo die Bestellungen, das Geld nicht mehr in dieser Weise nach Deutschland hereinfließen, ist in hohem Maße auch eine Aufgabe des moralischen und politischen Denkens. Da müssen wir miteinander, auch alle Parteien, nach dem Rechten sehen. Wir müssen unseren Leuten - die hinter Ihnen stehen, die hinter der Koalition stehen - und der gesamten Öffentlichkeit klarzumachen versuchen, daß wir alle in einem Boot sitzen. Dazu brauchen wir Zeit. Das kann man nicht von heute auf morgen machen. Es ist manches Vertrauen zerstört worden, das wieder begründet werden muß. Man muß auch versuchen, dem ganzen deutschen Volke klarzumachen, daß nun eine andere Epoche in der Entwicklung angebrochen ist, sowohl auf sozialem Gebiete wie auf wirtschaftlichem Gebiete, mit der man sich auseinandersetzen muß und die man zum Wohl des allgemeinen Besten führen sollte.

Nun, meine Damen und Herren, der Herr Kollege Ollenhauer hat auch Sätze gesprochen, die mich, wenn ich an die Vergangenheit denke, sehr wohltuend berührt haben. Er hat so, kurz gesagt, ausgesprochen, früher wäre ich ein Mann von Tatkraft gewesen, der gewußt hätte, was er gewollt hätte, und jetzt ließe er die Zügel einfach schleifen. Nun, ich muß Ihnen, glaube ich, eine Enttäuschung bereiten, Herr Ollenhauer. Ich glaube, ich bin noch ganz derselbe, der ich früher auch gewesen bin.

Lachen bei der SPD. - Heiterkeit bei der CDU/CSU. - Zuruf links: Eben!

Aber, meine Damen und Herren, in der Außenpolitik ist es wirklich nicht das Wichtigste, alle acht Tage oder alle vierzehn Tage mit einem neuen Gedanken zu kommen.

Sehr richtig! bei der CDU/CSU.

Die Situation ist doch genau dieselbe, meine Damen und Herren. Das Wichtigste ist, das Vertrauen, das wir erworben haben, zu behalten.

Beifall bei der CDU/CSU.

Glauben Sie mir, wenn die Deutschen alle Monate oder alle vierzehn Tage oder alle zwei Monate mit einer neuen Ansicht die Welt überraschten, dann würde man draußen an uns zweifeln und würde sagen: Es sind doch immer dieselben unruhigen und nicht zuverlässigen Deutschen.

Beifall in der Mitte.

Wenn irgendwo, dann muß man in der Außenpolitik an einer klaren Richtung festhalten und darf nicht verlangen, man solle immer etwas Neues sagen.

Zuruf von der SPD: Mende!

Sehen Sie, meine Freunde, meine Damen und Herren,

Lachen bei der SPD. - Allgemeine Heiterkeit.

ich glaube, ich brauche mich nicht zu entschuldigen.

Erneute Heiterkeit.

Meine Damen und Herren, das möchte ich Ihnen hier sagen - und jedes Wort davon ist überlegt -: Die Beziehungen zwischen uns und den Vereinigten Staaten und auch die Beziehungen zwischen Präsident Kennedy und mir sind so gut, wie sie nur je gewesen sind, einschließlich der Administration Eisenhower/Dulles, und das ist doch das Wichtigste von allem.

Sie wissen auch, meine Damen und Herren, daß die Beziehungen zu Frankreich ausgezeichnet sind und sich immer wieder, auch in diesen Zeiten bewährt haben.

Beifall bei der CDU/CSU.

Wir sind uns doch wohl darin einig, daß ohne gute und freundschaftliche Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland ein Europa von Dauer sich nicht schaffen läßt.

Was nun unsere Beziehungen zu Großbritannien angeht, meine Damen und Herren, so habe ich den ernsten und wohlüberlegten Wunsch, daß Großbritannien in die EWG als vollwertiges Mitglied eintreten möge.

Beifall bei den Regierungsparteien.

Ich hoffe sehr, daß die Verhandlungen, die begonnen haben, zu dem von uns allen zu wünschenden und speziell von mir gewünschten Erfolg führen werden, so daß ich glaube, meine Damen und Herren, daß ich nichts weiter hinzuzufügen brauche.

In der Außenpolitik wird Europa werden. Wir hoffen alle, daß Großbritannien als vollwertiges Mitglied mit uns zusammenarbeitet. Die NATO macht eine Entwicklung zum Guten durch. Warten Sie die Sitzung des NATO-Rates in Athen ab!

In der Frage der Innenpolitik möchte ich ein Wort zu den Angriffen von Herrn Ollenhauer auf Herrn Blank sagen. Ein Minister kann nicht - das wollen Sie bitte verstehen - einem Abgeordneten, gleichgültig welcher Fraktion, seine Gedanken über größere Probleme sagen, ehe er nicht weiß, ob das Kabinett diese Gedanken teilt. Daher halte ich es für durchaus richtig, wenn man auf eine solche Frage höflich antwortet: "Entschuldigen Sie, aber ich hoffe, daß ich in kurzer Zeit in der Lage sein werde, Ihre Frage zu beantworten."

Wir sind uns wohl alle darüber einig, daß wir auf sozialem Gebiet große Aufgaben vor uns haben. Auch die beiden Koalitionspartner sind sich darin einig.

Zurufe von der SPD.

Deswegen glaube ich: die Opposition sollte weiter fortfahren - das ist aber ein Wunsch; ich kann Ihnen keinen Rat geben - in einer konstruktiven Opposition; denn die braucht man.

Bravo! bei der SPD.

Ja, das ist meine ehrliche Überzeugung;

Lachen und Zurufe von der SPD.

denn es ist doch kein Mensch allwissend. Jeder weiß doch, daß er auch nur ein Mensch ist und daß es da sehr gut ist, wenn einer auf ihn aufpaßt und ihn auf Mängel hinweist. Das ist doch ganz selbstverständlich.

Beifall bei der SPD.

Ich habe gesagt: Eine konstruktive Opposition ist nur erwünscht und kann vom Standpunkt der parlamentarischen Demokratie aus nur erwünscht sein.

Ich bitte Sie, wenn Sie diesen Haushaltsplan verabschiedet haben, daran zu denken, daß es eine sehr schwere Aufgabe war, in einer solchen Situation, in der wir uns augenblicklich befinden, einen Haushaltsplan aufzustellen. Sie haben ganz recht, Herr Kollege Ollenhauer: Der Haushaltsplan 1963 wird sehr schwierig werden, wird noch schwieriger werden, und man wird sich sehr überlegen müssen, wie man ihn zum Ausgleich bringt. Aber verzeihen Sie, wenn ich Ihnen darauf nur sage: Über den Haushaltsplan 1963 sprechen wir zu gegebener Zeit; heute handelt es sich um den Haushaltsplan 1962.

Beifall bei den Regierungsparteien.

 

Quelle: Konrad Adenauer, Bundestagsreden. Hg. von Josef Selbach. Bonn 1967, S. 308-318.