10. August 1934

An den Preußischen Minister des Innern, Berlin

Durch Verfügung des Herrn Preußischen Ministers des Inneren vom 17.7.33 bin ich auf Grund des § 4 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus dem Dienst entlassen worden. Gründe sind mir nicht mitgeteilt worden. Ich beantrage, die Gründe dieser Verfügung einer Nachprüfung zu unterziehen und mich auf Grund des § 6 dieses Gesetzes in den Ruhestand zu versetzen.

In der Durchführungsverordnung vom [11.]4.33 zu dem B[erufs]B[eam-ten]G[esetz] heißt es zu § 4: „Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 4 gegeben sind, ist die gesamte politische Betätigung des Beamten, insbesondere seit dem 9. November 1918 in Betracht zu ziehen."

Die Durchführungsverordnung vom 6.5.33 lautet zu § 4: „I) Die Zugehörigkeit eines Beamten zu einer politischen Partei - ausge­nommen die kommunistische Partei - rechtfertigt allein noch nicht die Annahme nationaler Unzuverlässigkeit. Dies gilt auch dann, wenn der Beamte eingeschriebenes Mitglied der Partei gewesen ist, an sie Bei­träge bezahlt und ihre Versammlungen besucht hat.

II) Die Voraussetzungen des § 4 Satz I sind insbesondere dann erfüllt, wenn ein Beamter in Wort, Schrift oder durch sein sonstiges Verhalten gehässig gegen die nationale Bewegung aufgetreten ist, ihre Führung beschimpft oder seine dienstliche Stellung dazu missbraucht hat, um national gesinnte Beamte zu verfolgen, zurückzusetzen oder sonst zu schädigen."

Ich bin im Jahre 1906, nachdem ich im Jahre 1902 das Examen als Gerichts­assessor bestanden hatte, in den Dienst der Stadtv[erwaltung] Köln als Beigeordneter eingetreten. Im Jahre 1917 bin ich einstimmig zum Ober­bürgermeister der Stadt Köln gewählt und vom Könige bestätigt worden. Im Jahre 1929 bin ich als solcher wiedergewählt worden, trotzdem die Sozialdemokraten und die Kommunisten den heftigsten Kampf gegen meine Wiederwahl geführt haben.

Ich bin seit langer Zeit eingeschriebenes Mitglied der Zentrumspartei gewesen, einer anderen Partei habe ich niemals angehört. Die NSDAP habe ich immer durchaus korrekt behandelt und mich dadurch wiederholt im Gegensatz zu den damaligen ministeriellen Anweisungen und auch zu den von der Zentrumsfraktion der Kölner Stadtverordnetenversamm­lung vertretenen Anschauungen gesetzt.

So habe ich jahrelang entgegen der damaligen Verfügung des Preußischen Innenministers der NSDAP die städtischen Sportplätze zur Verfügung gestellt und ihr bei ihren Veranstaltungen auf diesen das Hissen ihrer Hakenkreuzfahnen an den städtischen Flaggenmasten gestattet. Ich beziehe mich auf die einschlägigen Akten der Stadt Köln und auf das Zeugnis des Beigeordneten i. R. Billstein.

Seit Jahren bin ich in dem zuständigen städtischen Ausschuss entgegen den ministeriellen Verfügungen dafür eingetreten, dem „Westdeutschen Beobachter" die städtischen Bekanntmachungen zu geben. Siehe das Protokollbuch des Verfassungsausschusses der Stadt Köln. Im Sommer 1930 habe ich angeordnet, dass die Verfügung des Preußischen Staatsministeriums, die nationalsozialistischen Beamten zwecks Disciplinierung namhaft zu machen - die Verfügung war vom Regierungspräsidenten zur Durchführung übersandt worden - nicht ausgeführt worden ist, da ich sie für unberechtigt und für ungerecht hielt. Beweis: Zeugnis des Beigeordneten i. R. Berndorff in Köln.

Dem national[sozial]istischen Stadtverordneten Gauleiter Grohé habe ich in jener Zeit auf seine an mich gerichtete Frage, ob städtische Beamte, die für [die] NSDAP sich bekannten, von mir etwas zu befürchten hätten, geantwortet, dass kein Beamter - gleichgültig, welcher Partei er angehöre - im Dienste für diese Partei agitieren dürfe; wenn aber außerhalb des Dienstes ein Beamter für die NSDAP eintrete, so sei das seine persönliche Angelegenheit, deretwegen er von mir nichts zu befürchten habe.

Ein Vorfall, der sich an einem der letzten Sonntage vor der Reichstagswahl vom 5. März 33 abspielte, hat in dem Teil der Kölner NSDAP, der nicht die ganzen Vorgänge kannte, den Eindruck einer feindseligen Behandlung der Partei entstehen lassen. In der Nacht vor diesem Sonntage waren auf den Pylonen der Hängebrücke heimlich Hakenkreuzfahnen aufgezogen worden. Die Brücke war städtisches Eigentum, ihre Beflaggung fand immer nur dann statt, wenn die Stadtverwaltung selbst flaggte.

Ich habe infolgedessen der Kölner Parteileitung mitteilen lassen, ich könne verstehen, dass die Partei bei ihrer Kundgebung ihre Flagge zeigen wolle, es handle sich aber hier um ein städtisches Bauwerk, das in kei­nem örtlichen Zusammenhange mit dieser Kundgebung stehe; ich sei damit einverstanden, dass die Fahnen vor den Messehallen, in denen die Kundgebung stattfinden sollte, gehisst würden, die Parteileitung möge jemanden schicken, der angebe, wo dort die Flaggen gehisst werden soll­ten. Es sind dann in Gegenwart eines Vertreters der Parteileitung unter Aufsicht eines Beigeordneten durch städtische Beamte vor den Messehal­len Fahnenmaste in den Boden gerammt und an diesen die Fahnen gehisst worden. Beweis: Zeugnis des Beigeordneten i. R. Billstein in Köln.

Ich bin von der Errichtung des Preußischen Staatsrates an Mitglied und Präsident gewesen bis zum Jahre 1933. Im Staatsrat sind höchst selten parteipolitische Debatten gewesen. Ich habe mich an ihnen nie beteiligt, weil ich als Präsident Wert darauf legte, nur dort in Aktion zu treten, wo ich das als Vertreter des ganzen Staatsrates tun konnte.

Das in der damaligen Preußischen Verfassung vorgesehene sogenannte Dreimänner-Kollegium - Ministerpräsident, Landtagspräsident, Staats­ratspräsident - ist nur zweimal zusammengetreten, und zwar im (Februar 1933) auf Veranlassung des damaligen Landtagspräsidenten Kerrl, um über die Auflösung des Landtags zu beschließen. Ich habe beim ersten Male gegen die Auflösung gestimmt, beim zweiten Zusammentreten erklärt, dass ich Herrn von Papen nicht für rechtlich befugt hielte, teilzu­nehmen; die Verhandlungen verliefen nicht nur in der sachlichsten und höflichsten Form, ich habe auch bei ihnen ausdrücklich erklärt, dass nach meiner Meinung eine so große Partei wie die NSDAP unbedingt führend in der Regierung vertreten sein müsse. Ich berufe mich auf das Zeugnis des Herrn Ministers Kerrl sowie auf die über die Verhandlungen aufgenommenen, bei den Akten des Staatsministeriums befindlichen Proto­kolle.

Während der Revolution 1918 und während der Zeit der feindlichen Besatzung habe ich mich um die deutsche Sache am Rhein verdient gemacht. Während der Revolution 1918 habe ich meine Tätigkeit als Oberbürgermeister der Stadt Köln erst wieder aufgenommen, als der damalige Gouverneur der Festung Köln mich im Interesse des Heeres, da Köln für den Rückzug der Deutschen Armeen so wichtig sei, und im Interesse der Bürgerschaft darum ersucht hatte, und als mir von den Sozi­aldemokraten die Zusage gegeben worden war, dass die rote Fahne nicht auf dem Rathause aufgezogen würde - es ist mir übrigens gelungen, auch das Gouvernementsgebäude vor dem Aufziehen der roten Fahne zu schützen, auf allen anderen öffentlichen Gebäuden in Köln ist sie aufgezogen worden. Es gelang mir, während die staatlichen Stellen nichts taten, im Zusammenarbeiten mit Männern aller Parteien in Köln Ordnung zu schaffen, sehr große Heeresvorräte vor dem Zugriff durch den Feind zu retten und alle Vorkehrungen zu treffen, damit der Durchzug der Köln passierenden Deutschen Armeen ungehindert erfolgen konnte. Ich beziehe mich auf die einschlägigen Akten der Stadt Köln und das Zeugnis des Majors a. D. Schwink in München, der damals von der Obersten Heeresleitung nach Köln geschickt wurde, um in Zusammenarbeit mit mir alles zu tun, was einen glatten Durchmarsch der Truppen sichern konnte.

Über meine Tätigkeit Ende 1918 und in den ersten Monaten 1919 gegen­über den damaligen Bestrebungen zur Errichtung einer Rheinischen Republik hat im Sommer 1933 auf Veranlassung des Herrn Preußischen Ministerpräsidenten im Preußischen Innenministerium eine Untersu­chung stattgefunden. Ich beziehe mich auf das Ergebnis dieser Untersu­chung und beschränke mich hier auf folgende Ausführungen. Gegenüber den Bestrebungen auf Errichtung einer Rheinischen Republik habe ich mich, als sie am 9.11.[19]18 an mich herangetragen wurden, vollständig ablehnend verhalten, ich hielt sie für falsch und für gefährlich und habe dieser Ansicht auch klaren Ausdruck verliehen. Man zog mich deshalb in der Folgezeit zu den fast ständig stattfindenden Besprechungen nicht mehr zu, so dass ich z. Beispiel von der Entschließung, die am 4.12.[1918] in der bekannten Versammlung in der Bürgergesellschaft in Köln gefasst wurde, erst am anderen Tage aus der Zeitung erfuhr.

Inzwischen hatte mich die damalige Reichsregierung gebeten, bemüht zu sein, dass keine Unüberlegtheiten geschähen. Die Bewegung gewann an Boden, sie wurde namentlich deshalb so gefährlich, weil sie drohte, die Bevölkerung in zwei Lager zu trennen, während vollste Einigkeit der rheinischen Bevölkerung im Hinblick auf die von Frankreich drohenden Gefahren das oberste Gebot war. Ich versuchte deshalb im Laufe des Dezember und des Januar, die Verbindung und das Vertrauen zwischen den verschiedenen politischen Parteien, das insbesondere auch durch die oben erwähnte Versammlung in der Bürgergesellschaft empfindlich gestört war, wiederherzustellen. Die Bestrebungen zur Errichtung einer rheinischen Republik wählten sich nunmehr zum Platze ihrer Tätigkeit kleine Conventikel in allen möglichen Orten des besetzten Gebietes; sie wurden dadurch unkontrollierbar und sehr gefährlich.

Inzwischen hatten die Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung und zur Preußischen Landesversammlung stattgefunden, so dass durch diese Wahl legitimierte Vertreter der Bevölkerung vorhanden waren. Ich schlug deshalb den politischen Parteien vor, alle im Rheinland gewähl­ten Abgeordneten der Nationalversammlung und der Landesversammlung, die Oberbürgermeister der Städte, die Vertreter der Kirchen, von Handel und Industrie, der Provinzialverwaltung usw. zu einer Ausspra­che nach Köln zusammen zu berufen. Köln kam als Tagungsort allein in Frage, weil man annehmen konnte, dass die Engländer die Versammlung nicht einem politischen Druck aussetzen würden. Ich wollte auf dieser Versammlung die Einigkeit und Geschlossenheit der Rheinischen Bevöl­kerung wieder herstellen und die Behandlung der wichtigen politischen Fragen den Conventikeln, die sich allenthalben gebildet hatten, entzie­hen. Die Versammlung fand am 1.2.[19]19 im Rathause in Köln statt. Die aktivistische Richtung suchte durch einen am gleichen Tage in der „Kölni­schen Volkszeitung" erschienenen Artikel, den man bis zu seinem Erscheinen sorgfaltig vor mir geheim gehalten hatte, die Versammlung im Sinne eines Beschlusses auf baldigste Bildung eines Rheinischen Bundes­staates zu beeinflussen.

Es gelang mir, nachdem ich zuerst ein umfangreiches Referat gehal­ten hatte, das auch den Bestrebungen und Überlegungen desjenigen, zunächst die Mehrheit bildenden Teiles der Versammlung, der auf dem Boden des oben erwähnten Artikels der „Kölnischen Volkszeitung" stand, gerecht wurde, die Versammlung nach vielstündiger Dauer dahin zu brin­gen, dass ein einstimmiger Beschluss gefasst wurde, und zwar dahinge­hend, dass ein energischer Einspruch gegen die französischen Absichten und Pläne eingelegt wurde und dass ferner beschlossen wurde, unter mei­nem Vorsitz einen Ausschuss einzusetzen, der die Pläne „zur Errichtung einer Westdeutschen Republik im Verbande des Deutschen Reiches und auf dem Boden der von der Deutschen Nationalversammlung zu schaf­fenden Reichsverfassung" weiter bearbeiten sollte.

Da die Verhältnisse in Deutschland sich nach der Einberufung der Natio­nalversammlung konsolidierten, da die Aspirationen Frankreichs auf den Rhein bei seinen Verbündeten keine Gegenliebe fanden, und weil in der ursprünglich von Deutscher Vaterlandsliebe getragenen Bewegung sich nach einiger Zeit französische Einflüsse geltend machten, erschien mir schon die Einberufung des Ausschusses nicht opportun, ich habe sie deshalb unterlassen.

Georges Clemenceau sagt in seinem Buche „Größe und Tragik eines Siegers" (Union Deutsche Verlagsanstalt 1930), Seite 153 zu dieser Epi­sode: „Einige Wochen vergingen. Der Bürgermeister von Köln, Ade­nauer, hatte die Leitung der Bewegung übernommen. Am 1. Februar 1919 wurden alle rheinischen Abgeordneten, die zu Mit­gliedern der Nationalversammlung gewählt worden waren, nach Köln berufen, ebenso auch die Bürgermeister der rheinischen Städte. Es han­delte sich darum, feierlich die Gründung der rheinischen Republik auszu­rufen. Was geschah? Man begnügte sich, unter dem Einfluss Adenauers einen Ausschuss zu wählen, der den Auftrag erhielt, an der Bildung eines selb­ständigen Rheinlandes im Verbande des Deutschen Reiches zu arbeiten. Wie oft trat dieser Ausschuss zusammen? Nicht ein einziges Mal!"

Als einige Zeit später, am 1.6.1919, von Dorten und seinen Anhängern in Wiesbaden und Mainz die Rheinische Republik ausgerufen wurde und diese Ausrufung von den französischen Militärbehörden, aber auch von der Rheinlandkommission in Koblenz teils ausdrücklich, teils durch konkludente Handlungen anerkannt wurde, gelang es mir, durch die Argumentation, die englische Besatzung sei völkerrechtlich verpflichtet, dem Deutschen Reiche das englisch besetzte Gebiet in der staatsrechtli­chen Form wiederzugeben, in der sie es bei Antritt der Besatzung über­nommen habe, den Erlass einer Ordonnanz durch die englische Besat­zungsbehörde zu erwirken, durch die eine Änderung der Staatsform im britisch besetzten Gebiet ohne Zustimmung der Besatzungsbehörde ver­boten wurde. Damit war das Übergreifen der Bewegung auf die Kölner Zone verhindert und der separatistische Vorstoß zur Erfolglosigkeit ver­urteilt, da eine Rheinische Republik ohne Köln unmöglich war.

Ich möchte noch erwähnen, dass ich vor Unterzeichnung des Versailler Vertrags gleichzeitig im Auftrage einer Anzahl maßgebender Rheinlän­der den damaligen Reichskanzler Scheidemann aufgesucht und ihn gebeten habe, den Vertrag unter keinen Umständen zu unterzeichnen. Die Rheinländer seien durchaus bereit, den ungeregelten Zustand der Besat­zung weiter zu ertragen, man werde jeder separatistischen Bewegung mit Erfolg entgegentreten. Besonders kritisch war die Lage des Rheinlandes im Winter 1923-24 nach Abbruch des passiven Widerstandes, und zwar einmal wegen der Verhältnisse im Rheinlande selbst, vor allem aber, weil die damalige Reichsregierung unter dem Reichskanzler Stresemann zu der Überzeugung gekommen war, dass sie das ganze damals besetzte Gebiet aufgeben müsse.

Am 13. November 1923 wurde einer kleinen Anzahl führender Rheinlän­der in der Reichskanzlei von Reichskanzler Stresemann in Anwesenheit mehrerer Mitglieder der Reichsregierung mitgeteilt, dass die Reichsregie­rung beschlossen habe, jede Zahlung in das besetzte Gebiet einzustellen, weil durch die Fortsetzung dieser Zahlungen die eben eingeführte Ren­tenmark gefährdet werde; das besetzte Gebiet solle de facto, nicht de jure, einen eigenen Staat bilden, die anwesenden Vertreter des Rheinlandes sollten am anderen Tage nach Koblenz zur Rheinlandkommission fahren und von dieser ein Besteuerungsrecht erbitten, die Reichsregierung hoffe, dass das besetzte Gebiet später einmal zum Reich zurückkomme, dieser Beschluss der Reichsregierung werde am Abend dieses Tages in einer Pres­sekonferenz von ihr der Weltöffentlichkeit mitgeteilt werden.

Die anwesenden Rheinländer erhoben unter meiner Führung entschie­densten Einspruch gegen diese Absichten der Reichsregierung, die unbe­dingt zur Vernichtung Deutschlands geführt hätten. Es kam zu so erreg­ten Auseinandersetzungen, dass ein Reichsminister Tätlichkeiten zwi­schen mir und einem anderen Minister befürchtete, der Reichskanzler Stresemann erlitt einen Anfall von Herzschwäche. Die Reichsregierung zögerte gegenüber diesem entschiedenen Widerspruche mit der Durch­führung ihres Beschlusses. Sie stürzte kurz darauf infolge einer Abstim­mung im Reichstage, es folgte ein Kabinett Marx. Unser Kampf gegen den noch bestehenden Beschluss des früheren Kabinetts Stresemann ging wei­ter, und es gelang erst auf Grund von Zahlenmaterial, das ich durch besondere Informationen erhielt und dem Reichskanzler Marx unterbrei­ten konnte, nach weiteren stundenlangen Verhandlungen in einem Aus­schuss der Reichsregierung, diese für eine Aufhebung des Beschlusses der Regierung Stresemann zu gewinnen. Öffentlich sind diese Vorgänge, bei denen das Schicksal Deutschlands auf des Messers Schneide stand, nicht bekannt geworden. Ich beziehe mich zum Nachweise der Richtig­keit der obigen Darstellung auf die Akten der Reichskanzlei und nötigen Falles auf das Zeugnis der in diesen Akten als anwesend angeführten Personen.

Über die Einschätzung meiner Tätigkeit durch die Separatisten gibt folgender Auszug aus den „Geheimprotokollen der Rheinischen Repu­blik", die im Jahre 1933 in der rheinischen Presse veröffentlicht wur­den, Auskunft (entnommen aus Nr. 76 des Düsseldorfer „Mittag" vom 30.3.33):

„Koblenz, den 29. Oktober 1923

Ärger auf Köln und Adenauer.

Mit dem militärischen Bevollmächtigten Graf d'Arboneau verhandelte heute Herr Matthes über seinen Plan, mit etlichen tausend Mann die Kölnische Zone zu zernieren; Köln müsse von dem übrigen besetzten Gebiet ganz abgesperrt werden, der Besatzungsverkehr werde natürlich nicht gestört. Wenn sich die Berliner Parteiführer aus dem preußisch­-englischen Fuchsbau Köln ins Gebiet der rheinischen Regierung wagen sollten, auch nach Koblenz, wolle er sie verhaften lassen. Das sei doch logisch die von Herrn Tirard als Oberkommissar Frankreichs ausdrück­lich anerkannte de facto Gewaltausübung der provisorischen Regierung. D'Arboneau sagte, das würde den französisch-englischen Konflikt noch verschärfen, die Sache müsste von Herrn Tirard und in Paris erst wohler­wogen werden. Dr. Kremers und einige engere Parteigenossen haben sich in der Schloßstraße 8 zusammengetan, um einen Anschlag auf Adenauer vorzubereiten, den man ebenso gut beseitigen könne bzw. müsse, wie man lange vor jeder Aktion in Köln Smeets tödlich verwundet und seinen Schwager Kaiser erschossen habe; der Generalsekretär Trier sei bei jenem Attentat nur wie durch ein Wunder unverletzt geblieben. Man müsse endlich den Preußen mit gleicher Münze heimzahlen. Als Matthes davon hörte, sagte er, er habe nichts dagegen, Adenauer, wenn man ihn habe, vor ein rheinisches Revolutionsgericht zu stellen und ihn eventuell standrechtlich erschießen zu lassen; politische Meu­chelmorde, wie sie verschiedentlich an Rheinländern verübt worden seien, dulde er aber nicht."

Der Hass der Separatisten gegen mich währte auch später noch fort, da sie in mir einen Hauptgegner sahen. Als ich im Herbst 192[9] in der Deutschen Gesellschaft in Amsterdam einen öffentlichen Vortrag hielt, wollte der inzwischen aus Deutschland geflohene Separatist Matthes meine Anwesenheit in Amsterdam zur Ausführung eines Attentats gegen mich benutzen. Ich musste deshalb während meiner zweitägigen Anwe­senheit in Amsterdam unter sorgfältigsten polizeilichen Schutz gestellt werden.

Die in der Entlassung nach § 4 des B[erufs]B[eamten]G[esetzes] liegende Kennzeichnung als national unzuverlässig ist für mich und meine Fami­lie - ich habe sieben Kinder - in höchstem Maße schmerzlich und unverdient. Ich glaube sagen zu dürfen, dass ich mir unter den schwierig­sten Verhältnissen erhebliche Verdienste um die Rettung der Deutschen Rheinlande erworben habe. Der Herr Reichspräsident von Hindenburg hat nach dem Abzug der englischen Besatzung diese meine Verdienste in sehr warmen Worten anerkannt und mir sein Bild geschenkt. Umso bit­terer ist für mich die Entlassung auf Grund des § 4. Ich bitte daher dringend um eine Nachprüfung der Entscheidung. Wenn noch über irgendeinen Punkt Unklarheiten oder Zweifel bestehen sollten, so bitte ich mir Gelegenheit zur Stellungnahme dazu geben zu wollen.

Adenauer

 

Quelle: Adenauer im Dritten Reich. Bearb. von Hans Peter Mensing. Berlin 1991, S. 220-229.