Diese Rede wollte ich auf der später verbotenen Versammlung am 10. 3. 1933 halten.
Diese Wahlparole „Fort mit Adenauer" zwingt mich, aus meiner Zurückhaltung herauszutreten, von mir und meiner Arbeit zu sprechen, Ihnen und der ganzen Öffentlichkeit Rechenschaft zu geben über das, was in Köln seit dem Zusammenbruch 1918 geleistet worden ist.
Am 8. 11. 1918 wurde mir, ich war damals 1 Jahr Oberbürgermeister, gemeldet, in Köln habe sich ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet, der die gesamte Macht übernommen habe. Ich habe mich darauf sofort telefonisch mit dem damaligen Gouverneur der Festung Köln, Generalleutnant Kruge, dem als Gouverneur der Festung die ganze vollziehende Gewalt zustand, in Verbindung gesetzt und ihn nach dem Stande der Dinge gefragt. Er hat mir erwidert, er werde im Gouvernement festgehalten, seine ganzen Offiziere seien fort, irgendwelche Machtmittel ständen ihm nicht zur Verfügung, ich müsse im Interesse der Bürgerschaft sehen, mit dem Arbeiter- und Soldatenrat fertig zu werden, so gut es gehe. - In Köln sah es damals trostlos aus. Als Hauptfestung des Westens und größte Stadt in der Nähe der Westfront war Köln Sitz einer sehr starken Garnison 50-60000 Mann, aber diese Truppen waren binnen 24 Stunden von ihren Führern verlassen - nur wenige rühmliche Ausnahmen gab es -; die großen Militärgefängnisse waren mit tausenden von Gefangenen angefüllt, darunter manche schwere Verbrecher, diese Gefängnisse waren geöffnet worden, ihre Insassen trieben sich in der Stadt umher. Seit Tagen hielten sich tausende von Deserteuren in der Stadt auf. Jede Stunde zeigte ein traurigeres Bild der Auflösung und Desorganisation. Jeder Zug, der auf der Fahrt zur Front oder von der Front Köln passierte, wurde stillgelegt, und seine Insassen vermehrten die Gefahren, die in der Zusammenballung einer führerlosen Soldatenmenge liegt. Aus der Etappe kamen dann die Flüchtlinge, vielfach höchst unerwünschte Elemente. Alles Mögliche wurde auf der Straße verkauft: Militär-Pferde, Feldküchen, Maschinengewehre, Waffen, Pistolen, Gewehre, Munition, Handgranaten.
Nacht um Nacht fanden während der ersten Zeit Plünderungen statt, krachten Handgranaten und Pistolen. Plündernde und brandstiftende Haufen bedrohten die Lebensmittellager, raubten und verwüsteten in den Geschäften und Läden. Die Polizei war schwach, nicht entsprechend organisiert und ausgebildet und der Lage nicht gewachsen. Die Bevölkerung hungerte. Das gebrechliche Gebäude der staatlichen Zwangsbewirtschaftung der Lebensmittel, das bis dahin der Bevölkerung wenigstens den allernotwendigsten Lebensbedarf gesichert hatte, war zusammengebrochen, die Zufuhren stockten, die täglichen Vorräte schwanden dahin.
Gesetze und Verordnungen wurden nicht mehr beachtet, die rationalisierten Lebensmittel ohne Marken verkauft, alle Autorität war geschwunden, auf dem Regierungsgebäude wehte die rote Fahne - auf dem Rathause ist sie infolge meines Widerstandes nicht gehisst worden -, die verwaltungsmäßigen Verbindungen mit Berlin funktionierten nicht mehr. Die Bürgerschaft und ich als ihr Vertreter waren ganz auf uns selbst gestellt. Der Winter stand vor der Türe, keine Kleidung, kein Brand, keine Kartoffeln, kein Mehl für die hungernden Massen.
Das gesamte Wirtschaftsleben, das bis dahin ganz auf den Krieg eingestellt war, stockte plötzlich; die Arbeitslosigkeit war katastrophal, die heimkehrenden Soldaten ohne Arbeit, ohne Kleidung, vielfach ohne Obdach. Die Mutlosigkeit, die Enttäuschung, die Erbitterung über den Ausgang des Krieges, die Verzweiflung über die umsonst gebrachten Opfer, die Hoffnungslosigkeit der Zukunft, die Zügellosigkeit verbrecherischer Elemente, die besonderen, oben von mir geschilderten Verhältnisse der Festungsstadt Köln: alles das zusammen war furchtbar, Köln stand vor einem Abgrund.
Das, meine Damen und Herren, das war in Wahrheit ein Trümmerfeld, ein einziges, großes Trümmerfeld!
Ich habe damals kein Titelchen meiner Überzeugung preisgegeben, ich bin nicht geflohen wie so mancher andere. Ich habe im Verein mit anderen wackeren und mutigen Männern versucht, dem Unheil Einhalt zu tun, für Ruhe und Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Und unsere Arbeit die auch von besonnenen Elementen der sozialdemokratischen Partei unterstützt wurde, hat Erfolg gehabt. Am 10. 11. 1918 haben wir einen Wohlfahrtsausschuss unter meinem Vorsitz gebildet, dem im Gegensatz zum Arbeiterrat neben Sozialdemokraten Vertreter aller bürgerlichen Parteien angehörten; unmittelbar darauf folgte die Bildung einer Bürgerwehr, die aus Mitgliedern aller Parteien und Schichten bestand. Unseren vereinten Kräften gelang es, allmählich wieder Ruhe und Ordnung zu schaffen, den Arbeiter- und Soldatenrat auszuschalten, die militärischen Lager zu retten, die Versorgung mit Lebensmitteln wieder in Gang zu bringen, die nötigen Vorbereitungen zu treffen, um den reibungslosen Durchzug der 6. und 17. Armee, die bis zu einem bestimmten Tage auf dem anderen Rheinufer sein mussten, zu sichern.
Den Tagen des Durchzuges unserer Armeen, die in tadelloser Disziplin einzogen und die von der ganzen Bürgerschaft mit wärmster Begeisterung begrüßt wurden, folgte der Einzug der Engländer, folgten die Jahre der Besatzung. Ach, meine Damen und Herren! Wer von denen, die sich heute so übernational gebärden, hat eine Ahnung davon, wie es einem zu Mute ist, wenn feindliche Heere einrücken, wenn der Feind Herr auf deutschem Boden ist! Wer von ihnen weiß, welche Bitterkeit einen durchdringt bei den Verhandlungen mit dem Feind! Wer von Ihnen weiß, dass es Mut kostet, vor den Befehlshaber der Sieger hinzutreten und ihm zu sagen: „Deine Soldaten tun Unrecht, sie rauben und bedrücken meine Mitbürger!" Wer von ihnen, die das alles nicht miterlebt haben, weiß, was es heißt, seine Stadt und seine Mitbürger durch alle diese Fährnisse glücklich hindurchzubringen.
Erinnern Sie sich noch, meine Damen und Herren, an die Inflation? Erinnern Sie sich daran, welche Anforderungen damals an die Verwaltung der Stadt Köln gestellt wurden? Und auch damals dasselbe Lügengewebe gegen mich, die Behauptung, dass die Stadt sich durch den Druck des Papiergeldes bereichere, eine unwahre, durch die Statistik, die nachweist, dass in Köln auf den Kopf der Bevölkerung erheblich weniger Notgeld gedruckt worden ist, als in den anderen westlichen Städten, längst widerlegte Behauptung.
Lassen Sie mich jetzt einige Worte über die eigentliche kommunale Arbeit seit 1918 sagen. Auch hier war ein Trümmerfeld. Die eigentliche Verwaltung von geschulten Beamten entblößt, das Krankenhauswesen durch die lange Kriegszeit schwer geschädigt, das Straßennetz durch mangelnde Pflege und den Rückzug der deutschen Heere in schlechtestem Zustande, das Elektrizitätsnetz unzureichend und veraltert, das Schulwesen in allen seinen Zweigen durch den Krieg schwer geschädigt, die Bahnen in schlimmem Zustande, die Wohnungsnot ungeheuer, kurz, wohin man blicken konnte, auch hier ein Trümmerfeld. Die Trümmer mussten beiseite geschafft, der Boden geebnet, alles musste neu aufgebaut werden. Es ist geschehen in hingebendster Arbeit der Beamtenschaft und der Stadtverordnetenversammlung. Ich behaupte und ich habe ein Recht, es zu behaupten, dass es wenige Städte in Deutschland gibt, deren Verwaltung in allen Zweigen so geordnet ist wie die Verwaltung der Stadt Köln. Daneben erwuchsen neue und andere Aufgaben, Aufgaben wie keiner anderen deutschen Stadt und wie sie auch in Köln noch nicht dagewesen waren. Seit über 100 Jahren war Köln Festung gewesen. Alle Nachteile einer solchen hafteten ihr an: Übervölkerung der Stadt selbst, mangelnde Grünflächen, unorganische Entwicklung der Vororte.
Die Hemmungen der Festung fielen jetzt fort. Daraus erwuchsen städtebauliche Aufgaben größten Stils. Der Körper der Stadt musste gestreckt werden, Sportplätze, Grünflächen mussten geschaffen werden. Die Großstadt und die Großstädter mussten entgiftet werden. Die Einwohner Kölns mussten aus ihren Pflaster- und Asphaltwüsten befreit, sie mussten mit der Natur wieder verbunden, ihre Stadt musste ihnen wieder zur Heimat werden. Die Spiel- und Sportanlagen wurden von 2,4 qm auf den Kopf der Bevölkerung auf 5,3 qm erhöht. Die öffentlichen Anlagen wuchsen von 342 ha auf 2110 ha. In einem Flugblatte der Deutschnationalen Volkspartei nennt man diese Politik „Wahnsinn". Ich bin überzeugt, es wird hier gehen wie mit dem Stadion: bei seiner Anlage bin ich auf das Heftigste bekämpft worden, nur mit schwerster Mühe habe ich sie durchsetzen können. Gibt es einen Kölner, der diese Anlage jetzt noch missen möchte! Städtebau darf niemals nur Arbeit für die Gegenwart sein. Wie das Geschrei über den inneren Grüngürtel-, wie das Geschrei über die Köln-Mülheimer Hängebrücke verstummt ist, so wird auch das Geschrei über den äußeren Grüngürtel rechts- und linksrheinisch verstummen. In 10 Jahren wird keiner mehr wagen, diese Grünpolitik zu bekämpfen. Das Kölner Wirtschaftsleben war schon vor dem Kriege in eine gefährliche Lage geraten. Von Düsseldorf bis Dortmund war in wenigen Jahrzehnten das Industriegebiet emporgewachsen. In Köln war bei Abbruch des Krieges kein qm Gelände vorhanden, das gleichzeitig Wasser und Bahnanschluss hatte und darum für die neu emporkommenden Industriezweige eine geeignete Niederlassungsmöglichkeit bot. Die Anlage des Industriegeländes und des kleinen Vorhafens - für den späteren Hafen ist nur das Gelände reserviert - war darum nur eine absolute Notwendigkeit für das Kölner Wirtschaftsleben. Die Anlage ist trotz der schlechten Wirtschaftskonjunktur ein voller Erfolg gewesen - sie hat es ermöglicht, dass die neuen Zweige industrieller Betätigung, Auto- und Kunstseidenindustrie sich mit Werken größten Ausmaßes in Köln niederließen. Köln hat keine bodenständige Industrie. Es lebt von Handwerk, von Veredlungsindustrie, von Handel und Verkehr. Für Handwerk und Veredlungsindustrie wurde durch den Ausbau des Berufsschulwesens Pflege getragen, für Handel und Verkehr durch Messen- und Ausstellungshallen. Vor dem Kriege wurde in Köln geklagt und geschimpft, dass die Ausstellungen in Düsseldorf seien, dass Köln überhaupt keine Möglichkeit habe Ausstellungen abzuhalten, und es wurde mit Recht darüber geklagt; denn die größte Stadt des Westens muss Ausstellungen, muss Räume für Kongresse und Versammlungen haben.
Auf kulturellem Gebiet brachte die Zeit nach 1918 die größten Gefahren für den Eigencharakter einer Stadt. Die alte Kulturstadt Köln mit ihrer großen Tradition musste ihre Eigenart erhalten und weiter entwickeln. Darum die Gründung der Universität, die der Stadt einen geistigen Mittelpunkt geben soll, darum die Gründung der Musikhochschule und Musikschule für das alte musikalische Leben Kölns, darum die Pflege von Oper und Schauspiel, darum der Ausbau unserer Museen. Köln kann heute von sich sagen, dass es ein eigenes bodenständiges kulturelles und geistiges Leben hat. Es kann sich getrost neben München und Dresden stellen.
Über den kulturellen Ausbau ist die Sorge für die Bedürftigen nie vergessen worden. Das Krankenhauswesen ist in ausgezeichneter Verfassung. Riehl bietet 2100 Bedürftigen einen ruhigen Lebensabend. Unsere Betreuungshäuser sind vorbildlich für Deutschland. 43461 Wohnungen sind in der Zeit von 19 - 32 neu geschaffen worden. Lassen Sie mich noch einige weitere Ziffern geben, die Ihnen am besten veranschaulichen, welche Arbeit in den letzten 14 Jahren in Köln geleistet worden ist: 71 km neue Straße sind angelegt worden. Die Gleislängen der städtischen Bahnen betrugen im Jahre 1918 246 km jetzt 436 km. An Einwohnern hat Köln in dieser Zeit zugenommen 110000 Einwohner, Bonn hat insgesamt etwas über 90000. Alles das, was eine Bevölkerung von 110000 Einwohnern braucht, hat in den Jahren der Revolution, der Besatzung, der Inflation, der Deflation neu geschaffen werden müssen. Ich glaube diese Leistung wird vor dem Urteil einer späteren Zeit, die reifer und vorurteilslos urteilt, mit Ehre bestehen können.
Was werfen mir meine Gegner vor, die diesen Wahlkampf auf meine Person zugespitzt haben und alles, aber auch alles hervorzerren, mit dem sie glauben, irgendwie Eindruck machen zu können.
Vor mir liegt ein Flugblatt der Deutschnationalen Volkspartei. Darin wird mir vorgeworfen: Übertriebene Verschuldung. Ich komme darauf noch besonders zurück. Städtische Regiebetriebe, nur die sogenannten Versorgungsbetriebe seien berechtigt. Ich stelle fest, dass wir nur Versorgungsbetriebe haben. Städtischer Grunderwerb in großem Stile auf Kredit. Damit verhält es sich folgendermaßen: Unser Grundbesitz betrug im Jahre 1918 8029 ha jetzt 10736 ha. Die Vergrößerung des Grundbesitzes ist zurückzuführen zum sehr großen Teil auf den Erwerb des Geländes der Festungswerke und [des] Rayongeländes, wie er bei der Entfestigung Kölns notwendig wurde, zum Teil darauf, dass die städtische Grundstücksverwaltung den infolge Inflation und Deflation zum Verkauf kommenden privaten Grundbesitz soweit auffing, als nötig war, um eine allgemeine Entwertung des Grundbesitzes mit seinen katastrophalen Folgen insbesondere für die privaten Grundbesitzer hintanzuhalten.
Das Flugblatt nennt Messehalle, neuen Hafen, Müllverwertung verdammungswürdigen Luxus auf Kosten der Steuerzahler. Ich begnüge mich mit der Feststellung, dass die Vertreter der Deutschnationalen Volkspartei in der Stadtverordnetenversammlung diesen Angaben [Ausgaben] restlos zugestimmt haben.
Welche Irrtümer in der Beurteilung finanzieller Dinge dem Nichteingeweihten nur allzu leicht unterlaufen, zeigen Ausführungen, die Dr. Quester in einer Versammlung der Kampffront Schwarz-Weiß-Rot am 9.3. 33 gemacht hat. Nach dem Bericht der Kölnischen Zeitung hat er ausgeführt: „Auch heute noch könnte man bei vielen städtischen Ämtern einen inflationistischen Charakter feststellen. Das zeige sich am besten, wenn man die Ausgaben das Hochbauamtes 1913/14 mit denjenigen von 1931/32 vergleiche: Die gesamten Personalkosten seien hier von 400000.- Mark auf 1,75 Millionen Mark gestiegen. Es sei streng zu verwerfen, wenn die städtischen Ausgaben die Steuerzahler zugrunde richteten. Hier wolle die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot eine grundlegende Änderung schaffen! Dabei übersieht Dr. Quester, dass im Jahre 1913/14 im Etat des Hochbauamtes nur ein Teil der Kosten des Hochbauamtes ausgewiesen, der größte Teil aber bei den Neubaukassen verrechnet wurde.
Eine besonders große Rolle spielt in den Angriffen die Errichtung der Müllverwertungsanstalt. Es ist richtig, dass die zur Verwertung des Mülls eingerichtete Steinfabrik und Schmelzanlage unrentabel ist; richtig ist auch, dass die Lieferantin dieser Anlage, die A.G. Humboldt in Köln, von ihren eigenen Angestellten bzw. den Angestellten ihrer Tochtergesellschaft getäuscht worden ist und infolgedessen die Stadt Köln getäuscht hat. Die Stadt Köln hat sich, als diese Täuschung zu Tage trat, mit Zustimmung des Rechtsausschusses wegen ihrer Ersatzansprüche mit Humboldt verglichen. Die gesamten Akten sind, weil gegen 2 Beamte und Angestellte der Stadt der Vorwurf der Bestechung erhoben worden war, am 11.9.31 [19.9.31] dem Oberstaatsanwalt übersandt worden, der ein Ermittlungsverfahren einleitete. Der Oberstaatsanwalt hat am 22.12.31 das Verfahren eingestellt, da ein Vergehen gegen § 331 des Strafgesetzbuches nicht nachzuweisen sei. Neuerdings sind die Akten nochmals dem Oberstaatsanwalt übermittelt worden. Das Ermittlungsverfahren schwebt noch.
Und nun zum Hauptpunkte der Vorwürfe: Der angeblichen Überschuldung der Stadt Köln. Die Schulden der Stadt Köln betragen insgesamt 390 Millionen Mark, und nicht, wie in einer Versammlung der Nationalsozialistischen Partei am 10. 3. behauptet worden ist 548 Millionen. Das Vermögen der Stadt Köln ist im Dezember 1932 durch den Vertreter der Inhaber der städtischen Schuldverschreibungen nachgeprüft worden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Schätzung der Stadt in ihrer Gesamtsumme von 975 Millionen Mark richtig sei. Das Vermögen der Stadt beträgt demnach nach Abzug der Schulden rd. 600 Millionen RM. Es wird behauptet, das Vermögen liege vollkommen fest. Auch das ist durchaus unrichtig. Die Versorgungsbetriebe der Stadt Köln können auch in der jetzigen wirtschaftlich so schlechten Zeit aus ihren Reinerträgnissen den gesamten Schuldendienst der Stadt Köln decken; sie stellen also einen höchst greifbaren Vermögenswert dar. Dabei sind die Tarife zwar bei Gas und Wasser höher als vor dem Kriege, beim Strom aber liegen sie erheblich unter den Vorkriegspreisen. Die finanzielle Lage der Stadt ist ungünstig nicht wegen ihrer Verschuldung, denn die im Anleihewege aufgenommenen Summen sind zum größten Teil ertragbringend verwandt. Die finanzielle Lage ist vielmehr schlecht wegen der trostlosen Wirtschaftslage in Deutschland. Diese trostlose Wirtschaftslage hat zur Folge, dass die Steuereinnahmen katastrophal zurückgegangen sind, die Reichsüberweisungssteuern betrugen im Jahre 1928 39,2 Mill. Mark, im Jahre 32 8,7 Mill. Mark, und dass die Ausgaben für die Erwerbslosen in unerträglicher Weise, nämlich von 10 Millionen im Jahre 1928 auf 33,6 Millionen im Jahre 1932 gestiegen sind. Bei einer Besserung der Wirtschaftslage oder bei einer Übernahme der Erwerbslosenkosten auf das Reich würde die Finanzlage der Stadt so gut sein, dass sofort eine erhebliche Senkung der Gemeinde-Grund-Steuer und der Gewerbesteuer eintreten könnte.
Ich komme zu einem neuen Kapitel meiner Tätigkeit, meiner politischen Tätigkeit, namentlich während der Separatistenzeit. Wenn ich auf einen Teil meiner Lebensarbeit mit warmer, innerer Befriedigung zurücksehe, dann sehe ich zurück auf mein Verhalten in dem Separatistenjahre.
Es ist gelungen trotz größter Gefahr, unsere Heimat dem Reiche zu erhalten, und ich bin stolz darauf, sagen zu können, dass meine Arbeit mit zu diesem Erfolge beitragen konnte. Was über meine Tätigkeit im Jahre 18/19 verbreitet worden ist, ist unwahr. Wie man mit der Wahrheit umgeht, das bitte ich Sie, aus einem Artikel des Westdeutschen Beobachter zu ersehen, der heute erschienen ist, und der so beginnt: „Schon eine Stunde, bevor Scheidemann am 9.11.1918 in Berlin die Republik ausgerufen hat, waren im Kölner Rathaus einige Herren zusammengekommen. Alle vom Zentrum. Der Plan der Errichtung einer selbständigen Rheinischen Republik wurde besprochen. Es ist die Geburtsstunde des Separatismus. Der Schauplatz war das Zimmer vom Oberbürgermeister Adenauer." Der Artikelschreiber muss wissen, dass ich damals den Herrn, die zu mir kamen, gesagt habe, ich hielte alles, was sie sagten für unrichtig und falsch, wolle unter keinen Umständen etwas mit diesen Dingen zu tun haben, man solle mich mit solchen Gedankengängen verschonen. Das sagt er nicht, und so ruft er durch Verschweigung meiner Worte einen ganz unrichtigen Eindruck hervor. Ich will Ihnen sagen, meine Damen und Herren, wann das Rheinland in allergrößter Gefahr geschwebt hat. Ich glaube, man ist jetzt verpflichtet, den Schleier zu lüften von Dingen, die nur wenigen bekannt sind. Am 13. November 1923 hat Herr Reichskanzler Stresemann eine kleine Anzahl von Rheinländern, darunter auch mich, in das Reichskanzlerpalais gebeten. Dort hat er uns in Gegenwart mehrerer Reichsminister und des Ministerpräsidenten Braun folgendes eröffnet: Wenn man die eben eingeführte Rentenmark nicht wieder gefährden wolle, könne man keine Zahlungen an das besetzte Gebiet weiter leisten. Die Reichsregierung sei deshalb schweren Herzens zu dem Entschluße gekommen, die Sorge für das besetzte Gebiet dem Feinde zu überlassen. Wir Rheinländer sollten de facto, nicht de jure einen eigenen Staat bilden, am anderen Tage zur Rheinlandkomission nach Koblenz fahren und uns von dieser ein Besteuerungsrecht bewilligen lassen. Er und die übrigen Mitglieder des Reichskabinetts hofften, dass das Rheinland später wieder einmal zum Reich kommen würde. Es seien die Vertreter aller in- und ausländischen Zeitungen in Berlin für den Nachmittag bestellt, um diese Erklärung der Reichsregierung entgegen zu nehmen. Es war der tragischste und schicksalschwerste Augenblick, meine Damen und Herren, den ich je erlebt habe: Wir waren von der Reichsregierung aufgegeben. Wir alle, die wir damals anwesend waren, haben in der erbittertsten und heftigsten Weise mit Stresemann und den übrigen anwesenden Mitgliedern der Reichsregierung gerungen und schließlich nach zehnstündigem Kampf erreicht, dass wenigstens die Ausführung des mitgeteilten Beschlusses zunächst vertagt wurde. Stresemann trat zurück, Marx trat an seine Steife. Von neuem hob der Kampf der Rheinländer mit der Reichsregierung an, bis schließlich Reichskanzler Marx in einer denkwürdigen Sitzung entschied, dass der Beschluss des Reichskabinetts einer Nachprüfung unterzogen werden solle. Hätten wir uns damals dein Beschluss der Reichsregierung gefügt, so wären wir Rheinländer jetzt nicht mehr deutsch, die Karte Europas sähe anders aus. Entscheidend mitgewirkt zu haben, bei diesem Kampfe mit der Reichsregierung, beim Kampf um die Erhaltung beim Deutschen Reich, das ist mein Stolz. Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, welch innere Erbitterung mich erfasst, wenn mir Separatismus vorgeworfen wird. Ich habe bis jetzt über diese Vorgänge geschwiegen, ich muss jetzt darüber reden, um der historischen Wahrheit willen: wenn das Rheinland deutsch geblieben ist, so verdankt es das nur sich selbst, seinen eigenen Kämpfen, seinen eigenen Leiden und seiner eigenen Aufopferung, und niemand hat das Recht, uns Rheinländern irgendwie einen Mangel an Nationalgefühl oder seperatistische Neigung vorzuwerfen. Es waren schwere Jahre, schwere Zeiten, in denen wir den Boden der Heimat unter uns zittern fühlten. Aber es war eine große Zeit. Wir wussten, wofür wir kämpften, wofür wir stritten. Das ganze Rheinland, alle Parteien, waren einig und geschlossen. Damals fühlten wir uns wirklich als Brüder, fühlten wir uns nur als Deutsche, stellten in der Not der Heimat unseres Vaterlandes alles Trennende weit zurück. Und heute? Fast auf den Tag ist es 7 Jahre her, da hat in diesem Saale unser greiser Reichspräsident gesprochen, er hat gesagt: „Alle diese Opfer sind vergeblich nicht gebracht worden, sie haben der Welt gezeigt, dass das Volk am Rhein fest und unbeugsam seine Volksgemeinschaft behauptet; sie haben die Vaterlandsliebe des ganzen Rheinlandes im Feuer der Not gestählt und gehärtet; sie haben durch ihre vorbildliche Geschlossenheit im Kampf und Gefahr die Einigkeit, die uns allen so not tut, gefördert und gestärkt." Lassen Sie mich noch zwei Sätze wiedergeben, die er damals gesprochen hat: „Im Rahmen der Geschichte erscheint der Rhein uns als unser Schicksalsstern; oft aber auch ein dunkles Bild deutschen Leides, dann nämlich, wenn unser alter Erbfehler, die Uneinigkeit, die deutsche Stärke lähmte." Und weiter lassen Sie uns hoffen, dass das deutsche Volk auch übet den inneren Zwist und die Fehde des Tages hinweg durch einen neuen Geist brüderlichen Verstehens emporgetragen werde zur Einigkeit und zu starkem gemeinsamen Empfinden seines Volkstums."
Quelle: ARh, maschinenschriftliches Redemanuskript (Durchdruck)