11. Februar 1954

Der Bundeskanzler grüßt Bremen und Bremerhaven

Botschaft Dr. Adenauers an die "Bremer Nachrichten" zur Schaffermahlzeit und zum Staatsbesuch

Bundeskanzler Dr. Adenauer übermittelte heute den "Bremer Nachrichten" aus Anlass seines bevorstehenden ersten Staatsbesuches der Freien Hansestadt eine Grußbotschaft an die Bevölkerung von Bremen und Bremerhaven. Am Vorabend des Staatsbesuches ist der Bundeskanzler Ehrengast der Schaffermahlzeit, dem repräsentativen Treffen der Kapitäne, Reeder und Kaufleute unseres Landes.

Die Grußbotschaft Dr. Adenauers hat folgenden Wortlaut:

 

Im vergangenen Jahr erhielt ich von den Schaffern und Gästen der Schaffermahlzeit ein Grußtelegramm, in dem es hieß: "Mit aufrichtigem Bedauern vermissen wir Sie, Herr Bundeskanzler, in unserer Mitte und entbieten Ihnen herzliche Grüße, verbunden mit besten Wünschen für baldige völlige Genesung. Wir vertrauen fest, dass der erste Steuermann des Bundes guten Kurs hält und das deutsche Schiff, auch wenn es stürmt, sicher in den Hafen eines vereinten Europa bringt."

Um so freudiger komme ich in diesem Jahr nach Bremen, wo der unternehmende, weltoffene Geist der alten Hanse heute so wirksam wie ehedem geblieben ist. Die Kräfte, die vor Jahrhunderten den Weltruf der Stadt, ihres Bürgerfleißes, ihrer Kaufmannstugenden und ihrer Tüchtigkeit zur See begründeten, wirkten, wie die Entstehung der Genossenschaft "Die arme Seefahrt" beweist, sich auch in der sozialen Hilfsbereitschaft aus. Im "Haus Seefahrt" war die unternehmerische Zusammengehörigkeit, die Nachbarschaftshilfe, Kameradschaft, Nächstenliebe lebendig. Hier feierten seit 1545 die Kaufleute, Kapitäne und ihre Geschäftsfreunde mit den Vertretern der Regierung Jahr für Jahr ihre traditionsreiche Schaffermahlzeit. Sie wurde zum Ausdruck bremischer Eigenart, die in dem Bewusstsein der Unabhängigkeit im selbst geschaffenen Lebensraum besteht und mit dem Willen gepaart ist, dem Ganzen als Treuhänder zu dienen.

Dieser Geist der Schaffer beseelte und bewegte auch den Wiederaufbau Bremens, die schwerste Aufgabe, die von der alten Stadt in ihrer Geschichte zu bewältigen war. Wenn ich mir die verzweifelte Lage 1945 in Erinnerung zurückrufe und damit das Bild vergleiche, das sich mir seitdem bei meinen verschiedenen Besuchen, zuletzt im vergangenen Sommer, bot, dann ist das ein überzeugender Beweis für den alten, immer jungen Hansegeist, den Fleiß, den Mut, die Tatkraft des bremischen Aufbauwerkes. So wie durch den genossenschaftlichen Zusammenschluss der Schiffer und Kaufleute vor Jahrhunderten die Not von den Seefahrttreibenden ferngehalten werden sollte, so haben die gemeinsamen Anstrengungen aller in der Bundesrepublik das Chaos und die Not überwunden, durch welche die Bewohner der großen Hafenstädte besonders hart getroffen waren.

Ihnen war ja durch das Potsdamer Abkommen jeglicher Bau von Seeschiffen verboten. Später gestattete die Kontrollratsdirektive Nr. 37 nur Ersatzbauten für die uns verbliebene Restflotte. Die Größe des einzelnen Schiffes wurde auf 1.500 BRT beschränkt. Es war ein schweres Erbe, das die Bundesregierung 1945 vorfand. Seitdem gelang es, Schritt um Schritt diese Fesseln zu lockern. So konnte sich auch Bremen zu seiner alten Bedeutung erheben. Die eigene Kraft der Stadt und die von Anfang an tatkräftig gegebene Hilfe des Bundes wirkten zusammen, den Überseehafen, den Europahafen, die Werften wiederherzustellen. Die Werften sind heute gut beschäftigt, im vergangenen Jahr wurden von den größeren Betrieben Bremens 50 Schiffe mit 130.000 BRT - das ist ein Viertel des Schiffbaues der Bundesrepublik - fertig gestellt. Der Warenumschlag ist hinter dieser Entwicklung nicht zurückgeblieben.

Ich bin trotzdem weit davon entfernt, heute von einer "reichen Seefahrt" zu sprechen. Vieles bleibt noch zu tun, und immer wieder müssen drohende Schwierigkeiten überwunden werden. Bremen darf sich dabei der weiteren Unterstützung durch die Bundesregierung um so mehr versichert wissen, als der unternehmende hanseatische Geist sich mit den wirtschaftspolitischen Grundsätzen der Bundesregierung erfolgversprechend verbindet. Deutschland weiß, was die freien Seestädte als alte demokratische Gemeinwesen und was insbesondere Bremen und Bremerhaven ihm bedeuten. Auch im Vereinten Europa wird ihnen eine wichtige Rolle zugewiesen sein.

 

Quelle: Bremer Nachrichten. Jg. 212. 1954, Nr. 35 vom 11. Februar 1954.