Vom 9. bis 13. September 1955 fanden in Moskau Besprechungen zwischen den Regierungsdelegationen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion statt.
Von der Bundesrepublik Deutschland nahmen an den Verhandlungen teil: Bundeskanzler Dr. K. Adenauer (Delegationsführer), Bundesminister des Auswärtigen, Dr. von Brentano, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Professor Dr. Hallstein, Staatssekretär des Bundeskanzleramtes, Dr. Globke, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundesrates, Ministerpräsident Arnold, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Abgeordneter Kurt Kiesinger, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Professor Carlo Schmid, Botschafter Blankenhorn, Botschafter von Eckardt, Ministerialdirektor Professor Grewe.
Von sowjetischer Seite nahmen an den Besprechungen teil: der Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Bulganin, das Mitglied des Präsidiums des Obersten Sowjets, Chruschtschow, der erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Obersten Sowjets und Außenminister der UdSSR, Molotow, der erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Obersten Sowjets der UdSSR, Perwuchin, der Außenhandelsminister der UdSSR, Kabanow, der erste Stellvertreter des Außenministers der UdSSR, Semjonow.
Im Verlauf der Besprechungen, die von gegenseitigem Verständnis getragen waren, fand ein umfassender und freimütiger Meinungsaustausch zur Frage der gegenseitigen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion statt.
Während der Verhandlungen wurde die Frage der Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken erörtert. Es wurde ein Übereinkommen erzielt, das in entsprechenden Briefen, die von beiden Seiten ausgetauscht wurden, seinen Ausdruck findet. Es sieht vor (vorbehaltlich der Zustimmung des Bundeskabinetts und des Bundestages sowie des Präsidiums des Obersten Sowjets), diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion aufzunehmen und zu diesem Zweck jeweils Botschaften in Bonn und Moskau zu errichten und diplomatische Vertreter im Range außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter auszutauschen. Beide Delegationen stimmten darin überein, daß die Herstellung diplomatischer Beziehungen der Entwicklung des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion im Interesse des Friedens und der Sicherheit in Europa dienen werde.
Beide Seiten gehen davon aus, daß die Herstellung und Entwicklung normaler Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion zur Lösung der ungeklärten Fragen, die das ganze Deutschland betreffen, beitragen und damit auch zur Lösung des nationalen Hauptproblems des gesamten deutschen Volkes - der Wiederherstellung der Einheit eines deutschen demokratischen Staates - verhelfen wird.
Zur Bestätigung des erreichten Übereinkommens haben der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und der Vorsitzende des Ministerrates der UdSSR Briefe gewechselt, deren Text nachfolgend veröffentlicht wird. Beide Seiten einigten sich ferner darüber, daß in nächster Zeit zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland Besprechungen über die Frage der Entwicklung des Handels geführt werden sollen.
Seiner Exzellenz, dem Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, Marschall Bulganin, in Moskau.
Herr Ministerpräsident!
Auf Grund der Übereinstimmung, die im Laufe der Verhandlungen zwischen den Regierungsdelegationen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion erzielt wurde, habe ich die Ehre, Ihnen zu bestätigen, daß die Bundesregierung den Beschluß gefaßt hat, diplomatische Beziehungen mit der Sowjetunion aufzunehmen und diplomatische Vertreter im Range von außerordentlichen Botschaftern auszutauschen.
Die Bundesregierung bringt die Überzeugung zum Ausdruck, daß die nunmehr herzustellenden diplomatischen Beziehungen der Entwicklung des gegenseitigen Verständnisses und der Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion im Interesse des Friedens und der Sicherheit in Europa dienen werden.
Die Bundesregierung geht hierbei davon aus, daß die Herstellung und Entwicklung normaler Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion zur Lösung der ungeklärten Fragen, die das ganze Deutschland betreffen, beitragen wird und damit auch zur Lösung des gesamtnationalen Hauptproblems des deutschen Volkes, der Wiederherstellung der Einheit eines deutschen demokratischen Staates, verhelfen wird. Diese Erklärung tritt in Kraft, sobald das Bundeskabinett und der Deutsche Bundestag sich damit einverstanden erklärt haben. Genehmigen Sie, Herr Ministerpräsident, den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung.
(gez.)
Adenauer
Der Brief Bulganins ist mit dem des Bundeskanzlers identisch, nur daß bei ihm an Stelle der Worte „Bundesregierung" und „Bundestag" die Worte „Sowjetische Regierung" und „Oberster Sowjet" treten.
Quelle: Europa-Archiv, 20. September 1955, S. 8219; Frankfurter Allgemeine Zeitung, D-Ausgabe, vom 15. September 1955.