15. September 1949

Wahl des Bundeskanzlers in der 3. Sitzung des Deutschen Bundestages

Die Sitzung wird um 11 Uhr 6 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.

Präsident Dr. Köhler: [...] Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:

Wahl des Bundeskanzlers.

Ehe wir zur Wahl schreiten, darf ich auf die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes hinweisen. Nach Artikel 63 Absatz 1 wird der Bundeskanzler auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestage ohne Aussprache gewählt. Gewählt ist, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags auf sich vereinigt. Der Gewählte ist vom Bundespräsidenten zu ernennen.

Der Herr Bundespräsident hat mir folgendes Schreiben übermittelt:

Ich schlage den Abgeordneten Dr. Konrad Adenauer zum Kanzler der Bundesrepublik Deutschland vor.

Nachdem Sie den Vorschlag des Herrn Bundespräsidenten gehört haben, schreiten wir zur Wahl. Ich bitte die Mitglieder des Bundestags, ihr Wahlrecht durch Abgabe der im Umschlag befindlichen Stimmzettel auszuüben dergestalt, daß auf den Stimmzettel entweder das Wort "Ja" oder das Wort "Nein" geschrieben wird bzw. bei Stimmenthaltung der Stimmzettel keine Bezeichnung erhält. Ich bitte, die Stimmzettel ungefaltet in die Umschläge zu stecken und darauf zu achten, daß nicht etwa versehentlich ein zweiter, leerer Stimmzettel sich im Umschlag befindet. [...]

Meine Damen und Herren, ich möchte das Ergebnis der Stimmabgabe bekanntgeben. Bevor ich es tue, möchte ich eine formelle Frage klären. Ich habe vorhin zum Ausdruck gebracht, daß entweder "Ja" oder "Nein" bzw. bei Enthaltungen nichts auf die Stimmzettel geschrieben werden soll. Es hat sich nunmehr herausgestellt, daß auf drei Stimmzetteln der Name "Adenauer" steht.

Dr. Holzapfel: Die Sache ist im Ältestenrat endgültig entschieden: "Auf dem Stimmzettel soll ein Ja oder Nein stehen." Ich bitte das Haus um eine Meinungsäußerung, ob diese Stimmzettel als gültig anzusehen sind.

(Ja-Rufe.)

Ich höre keinen Widerspruch. Dann darf ich die Einmütigkeit des Hauses feststellen, daß die drei mit dem Namen "Adenauer" beschriebenen Zettel als solche im Sinne des angegebenen Abstimmungsverfahrens gelten.

Meine Damen und Herren, ich stelle nun folgendes fest. Mit Ja haben 202, mit Nein 142 gestimmt, 44 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten, und eine Stimme ist ungültig. Nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die Wahl des Bundeskanzlers, Artikel 63 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Artikel 121, beträgt die absolute Mehrheit der 402 Mitglieder des Bundestags 202. Diese Mehrheit im Sinne der eben genannten Vorschriften ist auf den Abgeordneten Dr. Adenauer entfallen.

(Lachen links. - Zurufe.)

Meine Damen und Herren! Ich habe den Herrn Abgeordneten Dr. Adenauer zu fragen, ob er bereit ist, die auf ihn gefallene Wahl zum Bundeskanzler anzunehmen.

Dr. Adenauer (CDU): Ja.

Präsident Dr. Köhler: Der Herr Abgeordnete Dr. Adenauer hat erklärt, er nehme die Wahl als Bundeskanzler an. Ich stelle fest, daß damit der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt ist. Ich werde nach der Vorschrift des Artikels 63 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes dem Herrn Bundespräsidenten die entsprechende Mitteilung zur weiteren Veranlassung machen.

Wir sind am Ende der Tagesordnung der dritten Bundestagssitzung angekommen. Ich berufe die nächste, die vierte Bundestagssitzung auf 12 Uhr 30 [ein].

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluß der Sitzung: 11 Uhr 53 Minuten.)

 

Quelle: Stenogr. Berichte 1. Deutscher Bundestag. Bd. 1, S. 13f.