17. August 1961

Unterredung Bundeskanzler Adenauers mit Axel Springer

Die Unterredung fand im Beisein von Hans Globke, Heinrich Krone und Adam Vollhardt statt. Dazu Vollhardts später (vermutlich 1974) angefertigte Aufzeichnung:

Man kam sofort, ohne die sonst üblichen Höflichkeitsfloskeln, in kühler Atmosphäre zur Sache. Der Bundeskanzler gab mit einer Handbewegung und den Worten: "Bitte, Herr Springer" dem Verleger das Wort. Nach den Ereignissen vom 13. August, so meinte Herr Springer, habe sich die an und für sich schon seit langem gespannte Atmosphäre in und um Berlin in einer kaum vorstellbaren Weise verschärft. Die Lage sei katastrophal. ... Die Gelegenheit, den Stacheldraht, den die Kommunisten am 13. August quer durch Berlin legten, sofort zu entfernen, sei von den Amerikanern nicht ergriffen worden. Man habe es bei banalen Protesten belassen. Wenn die Entwicklung so weitergehe, meinte Herr Springer, werde Westberlin bald nur noch aus Angehörigen der Besatzungsmächte und Rentnern bestehen, während Ostberlin und die Zone jetzt zu einem Staatsgefängnis mit siebzehn Millionen Deutschen geworden sei. ... Der "Alte" hatte bis dahin mit steinernem Gesicht schweigend zugehört. Jetzt fiel er Herrn Springer ins Wort und meinte, der Flüchtlingsstrom und die jüngste Entwicklung seien schließlich eine Folge der vorausgegangenen Pressekampagnen. Herr Springer wies diesen Vorwurf zurück, doch Adenauer fuhr fort, Berlin sei im übrigen doch schon seit langem geteilt, mit Militär in Ostberlin. Auf einen empörten Einwand von Herrn Springer, daß das einfach nicht stimme, mischte sich in diesem Augenblick Staatssekretär Dr. Globke ein und meinte, hier liege wohl ein Mißverständnis des Herrn Bundeskanzlers vor. Es hätte bisher in Ostberlin auch kein Militär gegeben. Doch Adenauer, offenbar verärgert über diese Widerrede seines engsten Mitarbeiters, kam erneut auf die systematischen Pressekampagnen zu sprechen, die, wie er meinte, zu dieser ganzen Entwicklung geführt hätten. Und an diesen Kampagnen seien die Blätter von Herrn Springer maßgeblich beteiligt. Bei diesen Worten des Bundeskanzlers sprang Herr Springer erregt auf, wandte sich an Herrn Vollhardt und sagte: "Kommen Sie, wir gehen!" Und so geschah es - ohne förmliche Verabschiedung. Verblüfft blieben Adenauer, Dr. Globke und Dr. Krone sitzen. Herr Springer und Herr Vollhardt fuhren ins Hotel "Königshof", um dort die Lage zu beraten. Nach etwa einer halben Stunde rief Dr. Krone im Hotel an und versuchte, mit Erklärungen wie "Missverständnisse" usw. auf Herrn Springer beruhigend einzuwirken. Er schlug vor, daß man sich demnächst doch noch einmal zusammensetze. An diesem Tag kam es aber zu keinem Gespräch mehr mit dem Bundeskanzler. Herr Springer und Herr Vollhardt reisten noch am gleichen Nachmittag aus Bonn ab.

 

Quelle: Aufzeichnung von Adam Vollhardt, in: Unternehmensarchiv Axel Springer AG, NL Axel Springer. Abgedruckt in: Adenauer. Briefe 1959-1961 (Rhöndorfer Ausgabe). Hg. von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz. Bearb. von Hans Peter Mensing. Paderborn 2004, S. 541f.