18. August 1961

Der Bundestag zu den Vorgängen in Berlin

Die Erklärungen der Fraktionen - Ansprache des Präsidenten nach Abschluß der Sitzung

Im Anschluß an die Regierungserklärung zur außenpoliti­schen Lage und insbesondere zu den Terrormaßnahmen des kommunistischen Regimes sprach in der 167. Plenarsitzung des Deutschen Bun­destags am 18. August, wie bereits kurz vorausberichtet, zu­nächst der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, in seiner Eigenschaft als Mitglied des Bundesrats und im Na­men des Senats der deutschen Hauptstadt. Die Ausführungen des Regierenden Bürgermeisters werden an anderer Stelle der heutigen Ausgabe des BULLETIN wiedergegeben.

 

Die Erklärung der CDU/CSU

Die erste Fraktionserklärung gab der Vorsitzende der Ge­samtfraktion der CDU/CSU, Abg. Dr. Krone, ab. Einleitend stellte er fest, was sich in Berlin zugetragen habe und in sei­nen schicksalsschweren Auswirkungen für die Menschen hinter dem Stacheldraht noch nicht zu überblicken sei, habe das Haus soeben einen erschütternden Bericht gehört. Das ganze deut­sche Volk sei tief erschüttert. Es mehrten sich die Meldungen, daß die Lage sich verschärfe.

Abg. Dr. Krone wies in diesem Zusammenhang besonders auf den zunehmenden Druck hin, der im Bereich der Kirchen von den Zonenmachthabern ausgeübt wird, und stellte dann fest, die Fraktionen hätten keine außenpolitische Aussprache gewollt, als sie diese Sitzung vereinbarten. Es sei vielmehr darum gegangen, sich nicht auseinanderzusetzen, sondern sich trotz des Wahlkampfs zueinander zu setzen. In dieser Schick­salsstunde des deutschen Volkes sollte der Bundestag als freigewählter Sprecher des ganzen deutschen Volkes Stellung nehmen, nicht nur für die Deutschen in der Bundesrepublik, sondern auch und besonders für jene Deutschen, die hinter dem Stacheldraht darauf warteten, daß hier für sie gesprochen werde. Dieses Wort müsse genau so lauten wie in der großen Freiheitskundgebung in Berlin: „Weg mit dem Stacheldraht! Gebt unseren deutschen Brüdern nach zwölf Jahren der Knechtschaft endlich die Freiheit!"

Der Sprecher der CDU/CSU betonte dann, daß es in jedem Volke Grundelemente des Gemeinsamen gebe. Als solche bezeichnete er für das deutsche Volk den Willen, daß der Friede erhalten bleibe, den Willen zur Freiheit für das ganze deutsche Volk, das Einstehen für Berlin und gegen das tyrannische System in der Zone. Dieses Bekenntnis zum Gemeinsamen dürfe jedoch kein Anlaß zur Mißdeutung der Politik der CDU/ CSU sein. Seine Fraktion halte die Politik des engsten Bünd­nisses mit dem Westen, des Eintritts in die NATO und der deutschen Beteiligung an der Verteidigungspolitik des We­stens auch weiterhin für die einzig richtige Politik. Sie danke der Bundesregierung und besonders dem Bundeskanzler dafür, daß er diese Politik so konsequent, gegen alle Widerstände durchgeführt habe.

Er glaube auch nicht, daß es klug und ratsam wäre, den Viermächte-Status Berlins von deutscher Seite auch nur in Frage zu stellen. Ein Verzicht auf diesen Status hieße, für spätere Verhandlungen eine wichtige Rechtsposition aufzuge­ben. Wir würden durch einen solchen Verzicht nachträglich durch Gewalt geschaffene Tatsachen noch anerkennen.

Die CDU/CSU sei auch nicht der Ansicht, daß es richtig wäre, den Termin der Bundestagswahl zu verlegen. Die Wahl am 17. September stehe nicht zuletzt auch im Zeichen des Gesche­hens in Berlin und in der Zone. Gerade die Sorge um Berlin verlange eine klare Entscheidung in der Frage der deutschen Außenpolitik; sie erfordere die Fortsetzung der bisherigen Sicherheitspolitik.

Die Fraktion der CDU/CSU habe diese Bundestagssitzung vor allem deshalb gewünscht und begrüßt, damit von der Tri­büne des Parlaments aus die Wahrheit über Mitteldeutschland und Ost-Berlin gesagt und die Bankrotterklärung des kommunistischen Zonenregimes erneut ins Bewußtsein der Welt­öffentlichkeit gerufen werde, Die Massenflucht aus der Zone sei von der Bundesrepublik in keiner Weise ermutigt, sondern durch die Kommunisten selbst mit der Ankündigung eines separaten Friedensvertrags für die sowjetische Besatzungszone ausgelöst worden. Diese „Volksabstimmung mit den Füßen" sei in der Tat zum großen Plebiszit geworden, das den Kom­munismus in Deutschland nach 16 Jahren Gewaltherrschaft mo­ralisch erledige. Die Kommunisten hätten diese Volksabstim­mung nur mit den brutalsten Mitteln zu stoppen vermocht, mit der Annexion Ost-Berlins, mit der Unterdrückung der Frei­zügigkeit und mit schwersten Verstößen gegen internationales, auch von den Sowjets anerkanntes Recht. Das sei Ulbrichts traurige Bilanz, daß er 16 Millionen Deutsche nur noch mit Stacheldraht zusammenhalten könne. Im sowjetischen Auftrag habe er ein riesiges Konzentrationslager zu verwalten.

Dr. Krone stellte dann fest, daß das, was hier geschehen sei, eine tiefe Verletzung des internationalen Rechts und der Rechtsmoral darstelle. Wenn Vertrauen in künftige Verträge wieder einkehren solle, so nur dann, wenn das Recht wiederhergestellt werde. Deshalb müßten die Stacheldrahtverhaue verschwinden. Durch die Annexion Ost-Berlins seien die Westmächte aus diesem Zuständigkeitsbereich durch sowjetzonale Hilfstruppen der Sowjetunion herausgedrängt worden. Damit sei dieser Vorgang auch eine Sache der Geltung der drei west­lichen Mächte und der westlichen Gemeinschaft überhaupt.

Die hohnvolle Verletzung der Menschenrechte, der Frei­zügigkeit und der freien Wahl des Arbeitsplatzes treffe hier Menschen, die seit Jahrhunderten eine menschliche und na­tionale Einheit bildeten. Wenn etwas zum Himmel schreie, dann sei es das menschliche Leid, das dadurch herbeigeführt wurde, daß Millionen menschlicher Bande zerrissen wurden. Damit sei aber auch eine neue Gefahr für den Frieden geschaffen worden. Er deute dies auch an, damit niemand glaube, am 13. August sei nichts Entscheidendes geschehen, weil die Rechtsbrecher unmittelbar vor der konkreten Verletzung West-Berlins Halt machten.

Die freiheitliche Demokratie sei nicht immer eine leichte und bequeme Sache. Doch die Freiheit sei es wert, gewisse Nachteile und Belastungen in Kauf zu nehmen, auch in der Zusammenarbeit mit unseren Bundesgenossen. Diese Zusam­menarbeit sollte jedoch schneller vonstatten gehen, als wir dies in den letzten Tagen erlebt hätten. Protestschritte, über die tagelang hin- und herberaten werde, hätten ihren psychologischen Effekt oft schon zu einem großen Teil verloren. Die CDU/CSU richte daher an alle Regierungen die dringende Bitte, die Nerven der Bevölkerung nicht zu sehr zu strapazie­ren und alles zu tun, um die jeweils erforderlichen gemein­samen Schritte zu beschleunigen. Der deutschen Öffentlichkeit lege die CDU/CSU nahe, die Geduld und die Besonnenheit aufzubringen, ohne die man in einer Allianz freier Staaten nicht auskomme.

An dieser Stelle warnte der Sprecher der CDU/CSU ein­dringlich davor, aus einer Krise, die in Wahrheit eine solche des Kommunismus auf deutschem Boden sei, eine Krise des deutschen Vertrauens zu dem Atlantischen Bündnis zu machen. Eine solche Kritik diene nicht dem deutschen Interesse, auch wenn der Ruf nach Gegenmaßnahmen nur allzu verständlich sei. Gerade weil die Gefahren, die die Kommunisten herauf­zubeschwören drohten, unabsehbar seien, sei jeder Anschein deutscher oder westlicher Unbesonnenheit zu vermeiden.

Die CDU/CSU sei der Meinung, am 13. August ein warnen­des Zeichen dafür erhalten zu haben, in welchem Maße die Sowjets ihre eigene Stärke überschätzen. Sie sehe deshalb keine andere Gegenmaßnahme als so entscheidend an wie eine auch für die Sowjets eindrucksvolle Verstärkung der atlantischen und europäischen Verteidigung. Nur ein solches Handeln, bei dem auch die Bundesrepublik nach Kräften mit­zuwirken habe, könne die Sowjets zum Einlenken veranlassen und ihre Bereitschaft zum Risiko in die Bereitschaft zum Ver­handeln umwandeln. Nur weil die NATO existiere, seien Ulbrichts Panzer nicht durch das Brandenburger Tor nach West-Berlin gerollt.

Jedoch wolle die CDU/CSU auch in dieser Stunde keinen Zweifel daran lassen, daß das Ziel aller Bemühungen aus­sichtsreiche Verhandlungen sein müßten. Nur auf diesem Wege könne der Friede gewahrt werden. Der Wahrung des Friedens müsse alle unsere Kraft dienen. Ihr habe auch die Politik dieser Tage gedient. Mit den Westmächten und ins­besondere mit den Vereinigten Staaten müßten wir in der großen Auseinandersetzung mit dem Weltkommunismus den Weg der Festigkeit, aber auch der klugen Besonnenheit ge­hen. Nur so könne der Frieden in der Welt und für unser Volk, dessen Sicherheit und spätere Einheit gewährleistet werden.

Die CDU/CSU betrachte es als eine Selbstverständlichkeit, daß das Gebot deutscher Selbstachtung von allen Verbänden und Organisationen, die irgendwie mit dem Zonenregime zu tun haben, beachtet wird. Sie verweise auf das Beispiel, das der Deutsche Sportbund und die deutsche Industrie gaben. Sie erwarte, daß das deutsche Volk bei solchen unerläßlichen Konsequenzen, zu denen es gegenüber dem kommunistischen Terror gezwungen sei, von keinem der mit ihm befreundeten Völker im Stich gelassen werde.

Daß die Sowjetarmee in Deutschland einrückte, sei die un­erbittliche Folge eines Krieges gewesen, den einer begonnen habe, der in seinem Wahn ein großgermanisches Reich errich­ten wollte. Daß sie immer noch auf deutschem Boden stehe, sei mit dem Recht auch einer Besatzungsmacht nicht vereinbar. Wir Deutsche hätten mehr als einmal betont, daß uns an einem geordneten, auch guten Verhältnis mit der Sowjetunion gelegen sei. Alle Bereitschaft und aller gute Wille habe jedoch dort ein Ende, wo es um die Freiheit unseres Volkes gehe. Nie und nimmer könnten wir auf das verzichten, was jedem anderen Volke zugebilligt wird: das Recht auf Einheit, auf Freiheit und auf Selbstbestimmung stehe auch dem deutschen Volke zu; es stehe auch den 17 Millionen Deutschen in der Zone und in Ost-Berlin zu.

Diejenigen, die fliehen mußten und noch fliehen konnten, müßten schnell wieder zu Arbeit und Brot und zu einer Bleibe gebracht werden. Hier lägen neue Aufgaben für den Woh­nungsbau.

Abg. Dr. Krone schloß: „Wir wissen es, die Stunde ist furcht­bar hart. Die kommunistischen Machthaber wollen uns aus­einanderreißen. Wir rufen unseren Brüdern und Schwestern in Ost-Berlin und in der Zone zu: Glaubt an uns! Haltet zu uns, wie wir zu Euch halten! Bleibt gute Deutsche! Die Frei­heit ist dem Menschen eingeboren. Niemand kann Euch den Willen zur Freiheit aus der Seele reißen. Seht darauf, dass Eure Kinder gute Christen bleiben! Vertraut auf den, der Herr auch der Völkerschicksale ist! Auf die Dauer kann kein Volk vergewaltigt werden. Auf dieser Wahrheit beruht Eure und unsere Hoffnung und Zuversicht."

 

Die Stellungnahme der SPD

Der Vorsitzende der Fraktion der SPD, Abg. Ollenhauer, leitete die formulierte Erklärung seiner Fraktion mit der Fest­stellung ein, daß auch die SPD-Fraktion den Gewaltakt der sowjetzonalen Machthaber vom 13. August auf das schärfste verurteile, der einen Bruch internationaler Vereinbarungen und eine brutale Verletzung der Menschenrechte darstelle. Die hermetische Isolierung des Ostsektors von Berlin sei eine gewaltsame Annexion und die Einleitung der endgültigen Spaltung Deutschlands. Das Vorgehen der sowjetzonalen kom­munistischen Machthaber bedrohe die Existenz und die Frei­heit von West-Berlin, es bedrohe die Freiheit und den Frie­den in der ganzen Welt. Die Verantwortung für diese gefähr­liche Zuspitzung trage die Sowjetunion, ohne deren Zustim­mung der Gewaltakt des 13. August nicht möglich gewesen wäre.

Die SPD-Fraktion bekenne sich zu den Menschen im Ost­sektor von Berlin und in der sowjetisch besetzten Zone. Sie wisse, daß diese die Sorgen und Leiden, die sie jetzt in dem großen Konzentrationslager der Stacheldrähte und Panzer auf sich nehmen müssen, für uns alle tragen. Sie sollten die Ge­wißheit haben, daß keine Gewalt uns trennen könne, daß wir ein Volk bleiben, und daß wir hier nicht ruhen würden, bis wir wieder in einem Deutschland in Freiheit zusammenleben könnten.

Abg. Ollenhauer dankte der Bevölkerung des freien Berlin für ihre tapfere und verantwortungsbewußte Haltung während dieser neuen schweren Belastungsprobe. Die Erhaltung der Lebensmöglichkeiten und der Freiheit von Berlin sei Sache des ganzen deutschen Volkes. An das deutsche Volk in der Bun­desrepublik richtete der Sprecher der SPD den Appell, sich in der Verurteilung und in der Abwehr des Gewaltstreichs vom 13. August zu vereinigen. Die Not unserer Landsleute in Ost-Berlin und in der Sowjetzone sei eine nationale Not. In dem Existenz und Freiheitskampf der Ost-Berliner und unserer Landsleute in der Zone entscheide sich auch unser Schicksal und unsere Hoffnung auf eine friedliche und lebenswerte Zukunft.

Unsere Solidarität müsse zuerst ihren praktischen Ausdruck in der materiellen und menschlichen Hilfe für die Landsleute finden, die als Flüchtlinge über West-Berlin zu uns kamen und in der Zukunft noch zu uns kommen würden. Die Machthaber in der Sowjetzone und ihre Einrichtungen und Organisationen hätten es sich selbst zuzuschreiben, wenn die Ansätze zum kulturellen Austausch auf den verschiedensten Gebieten nach den Ereignissen um den 13. August bei der Bevölkerung der Bundesrepublik auf kalte Ablehnung stoßen.

Die Antwort der Bundesregierung und unserer Verbündeten auf den Gewaltakt vom 13. August dürfe sich nicht in Protesten in Berlin-Karlshorst und in Moskau erschöpfen. Das Ziel müsse sein, den Gewaltakt rückgängig zu machen und die Stacheldrähte und Betonpfeiler in Ost-Berlin zum Verschwin­den zu bringen. Die SPD-Fraktion erwarte von der Bundes­regierung, daß sie unverzüglich und nachdrücklich gemeinsam mit unseren Verbündeten alle Maßnahmen prüfe und durch­führe, die geeignet seien, dieses Ziel zu erreichen. Der Ernst der Stunde und die Schwierigkeit der Probleme verböten eine detaillierte Aufzählung der möglichen und wirksamen Maß­nahmen. Die Bevölkerung von Berlin erwarte mit Recht und mit Ungeduld derartige Schritte. Auch die SPD-Fraktion er­warte in Kürze weitere Informationen der Bundesregierung über das Resultat ihrer Bemühungen.

Der Gewaltakt vom 13. August sei ein entscheidender Schritt in der Richtung der sowjetischen Vorstellungen über die Zementierung der Spaltung Deutschlands und die Einverlei­bung ganz Berlins in den kommunistischen Machtbereich. Die Duldung dieses Schritts schaffe keine Befriedung, sondern werde neue Spannungen und Konflikte hervorrufen und die Position der freien Welt nicht erleichtern, sondern erschweren und die Kriegsgefahr vergrößern.

Dieser Gewaltakt sei aber vor allem auch ein brutaler An­griff auf die elementarsten Menschenrechte. Die Grundrechte der Charta der Vereinten Nationen, die auch die Sowjetunion unterzeichnet habe, seien brutal vergewaltigt worden. Un­ermeßlich sei das Leid, das in diesen Tagen erneut über die Menschen in Ost-Berlin und in der Sowjetzone kam. Sie lebten in Furcht, und ihre einzige Hoffnung sei die freie Welt. Sie würden zerbrechen, wenn wir sie enttäuschen. Die Anklage wegen dieser brutalen Verletzung der Menschenrechte gehöre vor die Vereinten Nationen.

Seit dem 13. August sei die Furcht der Menschen in West und Ost vor einem Kriege gestiegen. Die SPD-Fraktion er­warte von der Bundesregierung, daß sie unsere Verbündeten dränge, ohne Verzögerung den Versuch zu unternehmen, in Verhandlungen mit der Sowjetunion den Gewaltakt vom 13. August rückgängig zu machen und eine friedliche Lösung der internationalen Spannungen, vor allem auch des Deutsch­land-Problems, zu erreichen, die mit unseren freiheitlichen Grundsätzen und Lebensvorstellungen und mit den Grund­sätzen des Selbstbestimmungsrechts vereinbar sei. Die Unter­lassung eines solchen Versuchs sei angesichts der drohenden Kriegsgefahr nicht zu verantworten. Die Art und Weise, wie die Bundesregierung und unsere Verbündeten in den nächsten Tagen auf den Gewaltakt vom 13. August reagieren würden, werde auch für die Frage entscheidend sein, ob die westliche Gemeinschaft ihre Bewährungsprobe bestehe.

Das deutsche Volk, so schloß Abg. Ollenhauer, sei durch die dramatische Zuspitzung der Entwicklung aufgerufen, sich als Volk zu bewähren. Die SPD sei bereit, für die Freiheit und die Einheit unseres Volkes in allen seinen Teilen und für die Er­haltung des Friedens zu wirken.

 

Die FDP zu dem Gewaltakt

Namens der Fraktion der FDP gab deren Vorsitzender, Abg. Dr. Mende, eine Erklärung ab, die die Vorgänge des 13. Au­gust als einen neuen unmenschlichen Willkürakt brandmarkte und feststellte, daß damit das Vier-Mächte-Abkommen über Berlin verletzt und das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen erneut verhöhnt wurde. Die Sowjetunion, die mit der Billi­gung dieses Rechtsbruchs erneut das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes mißachte, sollte erkennen, daß nach den schmerzlichen Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit alle Völker den absoluten Wert der Freiheit erkannt hätten. Die Verletzung des Rechts auf Selbstbestimmung und nationale Freiheit in Deutschland müsse als Rückfall in den Kolonialis­mus wirken und die Freiheitssehnsucht der jungen Staaten Asiens und Afrikas bitter enttäuschen. Das Verhalten der Sowjetunion in der Berlin- und Deutschlandfrage sei auch in der Weltöffentlichkeit der Gradmesser für die Ehrlichkeit ihrer Beteuerungen gegenüber den jungen Staaten.

Die Machthaber der Sowjetzone treffe nach den Willkür­maßnahmen vom 13. August erneut die Verachtung des gan­zen deutschen Volkes in beiden getrennten Teilen. Das Schicksal der Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs, denen Freiheit und Menschenwürde noch heute vorenthalten werden, müsse der Maßstab unseres Handelns sein. Niemand könne sich in dieser Stunde auf die Erfolge seiner Deutschland-Politik berufen. Die Politik, die seit 1945 gemacht wurde, werde danach beurteilt werden, was für das ganze deutsche Volk erreicht worden sei. Ziel und Aufgabe sei unverrückbar die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit. Sie sei der politische Auftrag unserer Generation, an dessen Er­füllung Erfolg oder Mißerfolg dereinst gemessen würden.

Heute sei nicht die Stunde, um Kritik an der Bundesregie­rung zu üben. Die FDP begrüße es, daß die Bundesregierung endlich zu stärkerer Initiative in der Deutschlandfrage über­gehen wolle und für alsbaldige Verhandlungen über diese Frage eintrete. Jetzt müsse jeder mögliche Fall einer neuen Provokation ins Auge gefaßt werden. Konkrete Gegenmaß­nahmen müßten mit den Verbündeten vorbereitet werden. Die Pflichten der frei gewählten Vertreter unseres Volkes würden verletzt, wenn der Weltöffentlichkeit die Unruhe in unserem Volk in dieser Stunde verborgen würde.

Die bewunderungswürdige Disziplin der Berliner in beiden Teilen der Stadt und die Haltung der Deutschen in der Sowjet­zone sollten niemanden darüber hinwegtäuschen, daß die Grenzen der Selbstachtung des deutschen Volkes erreicht seien. Die Forderung, daß Ruhe die erste Bürgerpflicht sei, dürfe den Ruf nach Freiheit für das ganze deutsche Volk nicht unterdrücken. Niemand bei uns und in der Welt sollte glau­ben, daß das deutsche Volk sich in der Erwartung, daß ein Teil auch morgen im Wohlstand leben kann, mit der jetzt ge­schaffenen Lage auf die Dauer abfinde. Die Deutschen in der Sowjetzone und die Berliner hätten ihre Vorleistung auf die Freiheit unter schwersten Bedingungen und Belastungen er­bracht. Die Haltung der freien Welt in den nächsten Wochen und Monaten werde beweisen, ob sie dieses Opfers würdig sei.

Der Sprecher der FDP stellte dann nachdrücklich die Ver­antwortung der vier Mächte für die staatliche Einheit Deutsch­lands heraus und betonte, unsere Vertragspartner würden dem Inhalt und dem Geist der Verträge nicht gerecht, wenn sie die Berlin-Frage allein unter dem Blickpunkt ihrer Rechte in Berlin betrachteten. Die von den Verbündeten übernom­mene Verpflichtung, die Sache der deutschen Einheit mit zu ihrer eigenen zu machen, verpflichte sie auch, die letzten Klammern zwischen den getrennten Teilen Deutschlands auf­rechtzuerhalten. Die Beseitigung des Rechts der Freizügigkeit würde einen Bruch der Verträge bedeuten. Moskau und die Welt sollten wissen, daß jede vertragliche Vereinbarung, die die Spaltung unseres Vaterlands zur Voraussetzung habe, gegen die Menschenrechte und gegen den Verfassungsauftrag des Grundgesetzes verstößt, die Einheit in Freiheit zu voll­enden.

An dem Tage, an dem die Vier-Mächte-Vereinbarungen über Berlin nicht mehr gelten würden, würden auch die Vor­behalte der drei westlichen Mächte gegen die im Grund­gesetz und in der Verfassung von Berlin vorgesehene Zuge­hörigkeit Berlins zur Bundesrepublik als Bundesland erlö­schen. Die Antwort auf eine fortgesetzte Verletzung und Verhöhnung des Vier-Mächte-Status durch die Einbeziehung des Ostsektors von Berlin in die Sowjetzone könne nur die Eingliederung Berlins in die Bundesrepublik Deutschland mit allen Konsequenzen sein, die sich daraus auch in bezug auf die von der Bundesrepublik geschlossenen Verträge ergäben.

Das deutsche Volk wünsche gute Beziehungen zu den Völkern der Sowjetunion. Auch die Regierung der UdSSR müsse erkennen, daß die von ihr gebilligten Unrechtsmaß­nahmen der Sowjetzonenmachthaber die Gefühle des deut­schen Volkes auf das tiefste verletzen. Solange dem deut­schen Volk in seiner Gesamtheit das Recht auf Selbstbestim­mung vorenthalten werde, solange unser Land widerrechtlich geteilt sei, werde der auch von der Sowjetunion geforderte Frieden in Europa gefährdet bleiben. Die Berlin-Frage könne daher nur im Rahmen der deutschen Frage im Sinne einer Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands gelöst werden. Unsere Aufgabe sei es, den verbündeten Völkern und ihren Regierungen den Weg zum gemeinsamen Ziel der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands zu zeigen, für das wir ihre Hilfe erwarteten.

Abg. Dr. Mende schloß mit einer Wiederholung der Worte, mit denen es der Präsident des Deutschen Bundestags am 30. Juni unter dem Beifall aller Fraktionen des Bundestags als das Gebot der Stunde bezeichnete, über das Verfahren zu einem Friedensvertrag mit Deutschland eine Einigung zwischen den Westmächten und der Sowjetunion herbeizu­führen, und in denen er die Ziele umriß, über die die Friedensverhandlungen Klarheit schaffen müßten.

 

Stellungnahme der DP/BHE-Gruppe

Für die Gruppe der DP/BHE gab Abg. Schneider-Bremerhaven der Trauer und Empörung aller Deutschen über den Gewaltakt vom 13. August Ausdruck. Hauptaufgabe dieser Stunde scheine seinen Freunden von der Gesamtdeutschen Partei zu sein, vor allem von den Schichten zu sprechen, die heute das Gefühl hilfloser Ohnmacht und schmerzlicher Ent­täuschung bewege. Zu bedauern sei auch, daß diese außer­ordentliche Sitzung des Bundestags in Bonn und nicht in Berlin stattfinde.

Die Reaktion des Westens auf den 13. August sei ganz anders ausgefallen, als es die große Mehrheit der Deutschen erwartet habe. Es sei notwendig, in diesem Augenblick offen und ohne Umschweife von der gefährlichen Ernüchterung und Enttäuschung zu sprechen, die große Teile unserer Bevölke­rung erfaßt hätten. Die Protestnoten der Vereinigten Staaten von Amerika, Englands und Frankreichs seien scharf und in ihrer Beweisführung für die freie Welt völlig überzeugend. Der Eindruck, den sie in Moskau erzielen würden, werde ebenso gering sein, da gleichzeitig offenkundig sei, daß sie die einzigen sofortigen Gegenmaßnahmen bleiben würden, abgesehen von der neuerlichen Verstärkung der Verteidi­gungsbereitschaft der drei Mächte.

Von den umfassenden wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen, von denen der Bundeskanzler noch am Dienstag gesprochen habe, sei leider nicht mehr die Rede. Stattdessen versuchten einflußreiche Zeitungen und Kommentatoren insbesondere in den USA und in England, den Deutschen klarzumachen, wes­halb die angekündigten gleichwertigen Gegenmaßnahmen nur so und nicht anders aussehen könnten. Nach den vielfältigen Beschwörungen unseres westlichen Bündnisses und den zahl­reichen Beweisen unserer Bündnistreue sei es nun nach Mei­nung der Gesamtdeutschen Partei an den Westmächten, ihrerseits einen Beweis für diese Bündnistreue zu liefern. Effektive Gegenmaßnahmen würden deshalb gefordert, weil nur auf diese Weise eine furchtbare Katastrophe vermieden werden könne.

Die größte Gefahr für den Weltfrieden liege in der Über­zeugung eines totalitären Regimes, es mit einem schwachen, handlungsunfähigen Gegner zu tun zu haben, der zu keiner wirklichen Abwehr bereit und fähig sei. Es gehe darum, die den Frieden bedrohenden Fehleinschätzungen und Illusionen der bolschewistischen Führer zu zerstören und ihnen endlich klarzumachen, daß die zielbewußt betriebene Unterhöhlung der westlichen Position in Berlin ihr Ende gefunden haben muß. Aus diesem Grunde unterstütze die Gesamtdeutsche Partei uneingeschränkt die Forderung, den Rechtsbruch vom 13. August vor die Vereinten Nationen zu bringen.

In Berlin und in der Sowjetzone bestehe heute tatsächlich eine akute Gefahr für den Frieden dieser Welt. Die Gefühle des größten Teils der Welt für die Sache der Unterdrückten zu gewinnen und gegen ihre Unterdrücker zu mobilisieren, sei eine politische Aufgabe von höchster Bedeutung. Die Anrufung der Vereinten Nationen müsse durch wirtschaftliche Abwehrmaßnahmen der Atlantischen Gemeinschaft unterstützt werden. Unerläßliche Voraussetzung hierfür sei allerdings eine wirkliche Geschlossenheit der freien Welt, die endlich darauf verzichten müsse, ihrem Henker vorher noch den Strick zu liefern, der für sie selbst bestimmt sei.

Die Gesamtdeutsche Partei schlage darüber hinaus vor, West-Berlin und seine Verbindungswege zum freien Westen unter den Schutz der NATO zu stellen. Die energische weitere Verstärkung der Verteidigungskraft der USA, Englands und Frankreichs sollte durch eine solche Maßnahme demonstrativ unterstrichen werden. Seine Partei frage auch, welche ein­seitigen Aktionen und Provokationen Moskaus eigentlich noch geschehen müßten, bis sich der Westen zu Antworten auf­raffe, die dem Bolschewismus effektiv verständlich seien. Auf diese Frage müsse auch die Bundesrepublik selbst eine Antwort zu geben in der Lage sein. In seinen wei­teren Ausführungen unterstrich der Abg. Schneider-Bremerhaven den starken Willen des deutschen Volkes zu einem friedlichen Ausgleich, den es mehr als einmal überzeugend bewiesen habe. Das deutsche Volk sei aber nicht bereit, auf seine Selbstachtung zu verzichten, wenn seine Forderung nach Gewährung der Menschenrechte auch für die Deutschen immer wieder brutal zurückgewiesen werde.

Als Maßnahmen, die die Bundesrepublik in eigener Zu­ständigkeit durchführen könnte, nannte der Abgeordnete einen Verzicht der freien Wirtschaft der Bundesrepublik auf die tatsächliche Ausfüllung des im Interzonenhandelsabkommen vorgezeichneten Rahmens und auf die Vertretung dieser Wirtschaft auf der Leipziger Messe und die Einstellung der Bemühungen um ein neues Kulturabkommen mit der Sowjet­union. Kritik übte der Redner auch an der Verlautbarung der Bundesregierung über das Gespräch des Bundeskanzlers mit dem sowjetischen Botschafter, deren Folge nur eine weitere Entmutigung des Willens der Deutschen zur Wiedervereinigung sein könne. Das Bekenntnis zur Freiheit und den Willen zur Wiedervereinigung zu stärken, ihn glaubwürdig zu erhalten und in aller Welt anläßlich der Bundestagswahlen auch durch eine damit verbundene Volksabstimmung in West-Berlin und Westdeutschland vor Augen zu führen, müsse die vor­nehmste Aufgabe des Bundestags sein.

Die Drohung des Separatfriedens stehe als nächste Provoka­tion der Kommunisten bevor. Dies mache ein Zusammenstehen aller Deutschen über alle parteipolitischen Gegensätze hinweg notwendig.

 

Der Abschluß der Aussprache

Unter starker Unruhe bei der Mehrheit des Hauses erhielt dann der aus der Fraktion der SPD ausgeschiedene fraktions­lose Abg. Behrisch das Wort, der das, was in Berlin geschah, ebenfalls als erschütternd bezeichnete. Noch erschütternder sei aber die Blindheit gegenüber den Ursachen der Ereignisse. Abg. Behrisch warf der Bundesregierung vor, daß sie Möglich­keiten nicht ausgenützt habe, die österreichische Lösung auch für die Bundesrepublik zu erreichen und freie und geheime Wahlen unter internationaler Kontrolle in ganz Deutschland schon im März 1947 verhindert zu haben. Die Mittel der Diplomatie seien nicht eingesetzt worden, um eine Kompro­mißlösung zu erreichen. Als Hauptursache für die gegenwärti­gen Spannungen bezeichnete er die Rüstungspolitik und schloß mit einer Wiederholung der Hauptpunkte des Pro­gramms der DFU, die er am 30. Juni im Rahmen der damali­gen Aussprache entwickelt hatte.

Ihm erwiderte als Abgeordneter, der bis zum Beginn der zurückliegenden Ereignisse unmittelbarer Vertreter der Ost-Berliner Bevölkerung im Bundestag war, Abg. Neubauer (SPD). Behrisch habe vorgegeben, erschüttert zu sein, aber er habe vergessen, in seiner Ansprache auch nur einen einzigen Satz darüber auszusagen, ob er bereit sei, vor diesem Hause und vor der Welt diejenigen anzuklagen, die vor einigen Tagen brutal auf die Ost-Berliner Bevölkerung einschlugen. Wer sich in dieser Zeit bemühe, auch noch Entschuldigungen für diese Handlungsweise zu finden, identifiziere sich mit diesem Gewaltakt. - Alle Fraktionen des Hauses unterstreichen diese Feststellungen des Sprechers der SPD durch anhaltenden Beifall.

Abg. Neubauer fuhr fort, wer sich mit dieser Handlungs­weise der sowjetzonalen Machthaber identifiziere, müsse sich auch gefallen lassen, so behandelt zu werden, wie diejenigen behandelt werden müßten, die für diese Ereignisse verant­wortlich seien. Behrisch habe offenbar die Funktion übernom­men, die die Kommunisten oft anderen zugedacht hätten, demokratische Parteien zu diffamieren, in demokratische Par­teien einzudringen und damit die Demokratie zu zerstören. Unter anhaltendem starken Beifall auf allen Seiten des Hauses protestierte der Sprecher der SPD mit aller Entschiedenheit namens der Frauen und Männer, die jetzt seit Tagen im Gefängnis sitzen, dagegen, daß ein Abgeordneter dieses Hauses die Schuld bei allen, nur nicht bei den Tätern der letzten Tage suche.

Schon während der Ausführungen des Abg. Behrisch war es zu einem Zwischenfall gekommen, als festgestellt wurde, daß ohne Genehmigung des Präsidenten auf der Pressetribüne Bandaufnahmen dieser Ausführungen gemacht wurden. Präsi­dent D. Dr. Gerstenmaier forderte den dabei betroffenen Besucher auf, den Saal sofort zu verlassen.

 

Die Schlußansprache des Präsidenten

Die Sitzung schloß mit einer Ansprache des Präsidenten des Deutschen Bundestags, D. Dr. Gerstenmaier, in der der Präsi­dent das zusammenfaßte, von dem er glaubte, daß der Bundestag mit einer Ausnahme darin einig sei. Er fuhr fort: „Ich glaube, daß der Deutsche Bundestag als oberste gesetz­gebende Körperschaft und als Sprecher des ganzen deutschen Volkes in diesem Augenblick einig ist in dem Willen zum Widerstand, zum besonnenen, aber ganz entschlossenen Widerstand gegen den Terror und die Unmenschlichkeit, die in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands, gewiß nicht nur und nicht erst seit dem 12. August, sondern schon seit Jahr und Tag brutal geübt werden. Gegen diesen Terror befinden wir uns im Widerstand. Wir sind aber auch im Widerstand gegen den von den Warschauer-Pakt-Staaten vertretenen oder mindestens gebilligten Bruch von Verträgen, von internatio­nalen, völkerrechtlichen Abmachungen.

Wir sind zweitens einig in dieser Stunde, wie wir in diesen Jahren immer gewesen sind, in der Solidarität mit den Unterdrückten und den Terrorisierten, mit denen, die seit Jahr und Tag hinter den Zonen- und Sektorengrenzen erniedrigt und beleidigt werden. In dieser Solidarität erweist sich die Kraft der Deutschen, auch im geteilten Deutschland eine Nation zu sein und hoffentlich auch eine Nation zu bleiben. Und wir sind bei aller Vielfalt der Töne, die wir hier gehört haben, einig in der Solidarität mit der freien Welt und ihren Schutzorganisationen, deren Wertes und deren Bedeutung wir uns, wiederum nicht erst in dieser Stunde, aber in dieser Stunde in ganz besonderem Maße wohl bewußt sind.

Drittens: Dieser Bundestag ist hoffentlich ebenso wie der kommende völlig einig in der Treue zur Freiheit, einig mit dem ganzen deutschen Volke in dem Willen, das Selbstbestim­mungsrecht für ganz Deutschland und alle, die darin wohnen, zu verwirklichen.

Ich nehme den Ton noch einmal auf, der kein billiges Wort sein soll, den Ton des Trostes und des Mutes an die, die hinter den Sektoren- und den Zonengrenzen leiden. Ich glaube, es gibt reale Tatsachen, auf Grund deren wir ihnen zurufen können: In der Tat, laßt den Mut und die Hoffnung nicht sinken!

Der Bundestag bekennt sich in dieser Solidarität damit er­neut und feierlich zur Charta der Vereinten Nationen und den in ihr proklamierten Menschenrechten, die für uns kein leeres Wort sind, einschließlich ihres Artikels 1 mit dem Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht der Völker. Der Bundestag hat damit auch in dieser Stunde entsprechend dem Sinn und Geist des Grundgesetzes gehandelt, das ihm auferlegt, für alle Deut­schen das Wort zu führen. Wir stehen treu und gehorsam heute und morgen zu der Forderung des Grundgesetzes im Schlußsatz seiner Präambel: Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Dafür dienen wir, daran glauben wir."

Mit diesem Schlußwort klang die Sitzung nach annähernd dreistündiger Dauer aus.

 

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 155 vom 22. August 1961, S. 1497-1501.