18. Juni 1921

Schreiben an Direktor Hamspohn, Berlin-Wannsee

 

Sehr verehrter Herr Direktor!

Eben erhalte ich Ihr Telegramm von heute. Material zu einer Erwiderung zu geben, ist außerordentlich schwer. Meine allgemeine Politik kennen Sie. Sie besteht darin, den Franzosen zu geben, was ihnen zukommt, andererseits einen Schutz gegen chauvinistische Ansprüche der Franzosen dadurch zu schaffen, dass man die Engländer wirtschaftlich hier interessiert. Diese Grundsätze kann man natür­lich nicht öffentlich mitteilen. Dass ich Zwietracht zwischen die Verbündeten hier säte, ist eine glatte Unwahrheit. Zu den einzelnen besonders aufgeführten Fällen angeblicher Unfreundlichkeit ist folgendes zu bemerken:

1. Schule für els.-lothr. Kinder: Die Engländer hatten eine städtische Schule für ihre Polizei beschlagnahmt. Zufällig hörte die städt. Besatzungsabteilung, dass in dieser Schule seit mehreren Monaten von den Engländern einige Räume zur Unterrichtung elsaß-lothr. Kinder zur Verfügung gestellt sind. Die Besatzungsab­teilung hat darauf bei den Engländern angefragt, ob diese Räume als requiriert zu gelten hätten; die Engländer haben diese Frage bejaht. Von alledem habe ich jetzt erst durch meine auf Grund des Artikels im Temps angestellte Erkundigungen [erfahren]. 2. Französische Organisation der Wirtschaftsabteilung: Es handelt sich um eine Angelegenheit zwischen dem Reichskommissar in Coblenz und der betr. Abteilung; die Stadt geht die ganze Sache nichts an. 3. Nationalistische, durch mich begünstigte Propaganda der Universität. Hierüber gibt am besten die Anlage Auskunft.

Besprechen Sie bitte mit Ihren Freunden die Angelegenheit. Ich meine, eine Zeitungspolemik ist immer von Übel, besonders aber im vorliegenden Fall. Viel­leicht können Sie durch Ihre Freunde direkt auf die hiesigen französischen Stellen (Generalkonsul, französischer Delegierter beim britischen Bezirksdelegierten in Köln) dahin wirken lassen, dass in Zukunft Derartiges unterbleibt. Sehr lieb wäre es mir, wenn Sie feststellen lassen könnten, ob der Artikel, namentlich der Satz „Von nun an ist der Oberbürgermeister Gegenstand unseres berechtigten Misstrauens", eine von amtlichen französischen Stellen (Coblenz oder Paris) aus­gehende Warnung sein soll. Merkwürdiger Weise erhielt ich ebenfalls in diesen Tagen die zuverlässige Mitteilung, dass ein französisches Mitglied der Coblenzer Kommission meinem Gewährsmann gesagt hat, man bedauere sehr, dass ich mich mit Haut und Haaren den Engländern verschrieben habe.

Ich hoffe, dass Sie mein gestriges Schreiben erhalten haben. Leider konnte ich es nur diktieren, nicht unterschreiben, weil ich unbedingt fort musste.

Ich bin bis Dienstag Abend in Köln, fahre Dienstag Abend nach Stuttgart, Hotel Marquardt, komme Sonntag, den 26. abends nach Köln zurück, fahre Mittwoch, den 29. abends nach Berlin, hoffe Samstag, den 2. Juli abends zurück­fahren zu können.

Mit den besten Grüßen wie immer

Ihr

P.S. Ich habe heute mit Herrn Duisberg wegen des Herrn Heinemann gesprochen. Herr Duisberg lässt Herrn Heinemann bitten, sich wegen Verabredung eines Ter­mins mit ihm unter Bezugnahme auf mich in Verbindung zu setzen.

 

Quelle: HAStK 902/253/3, Kopie ohne Unterschrift. Abgedruckt in: Konrad Adenauer 1917-1933. Dokumente aus den Kölner Jahren. Hrsg. v. Günther Schulz. Köln 2007, S. 223f.