Als in der vergangenen Woche in Rhöndorf die Totenglocke erklang, wußten wir, daß Deutschland einen großen Deutschen, Europa einen großen Europäer und die Welt des Geistes und des Glaubens einen überaus fähigen und begnadeten Diener verloren hatten.
Er hat ohne Zweifel bewiesen, daß ein und derselbe Mann Deutscher, Europäer und Weltbürger zugleich sein kann. Im Europarat war es, wo das Deutschland Konrad Adenauers zum ersten Male nach dem Kriege seinen Platz in der europäischen Völkerfamilie wieder einnahm. Diese Zusammengehörigkeit stellte Konrad Adenauer heraus, als er im Dezember 1951 vor unserer Versammlung sagte:
"Dem Bekenntnis Deutschlands zum Europagedanken kommt nicht bloß die Bedeutung einer förmlichen Proklamation oder eines unverbindlichen Programms zu. Vielmehr obliegt es der Bundesregierung in ganz besonderem Maße, eine Politik zu verfolgen, die mit diesem Bekenntnis im Einklang steht." In unserer Versammlung wird der Name Konrad Adenauers stets mit dem Alcide de Gasperis und Robert Schumans verbunden sein. Was diese Männer vor allem miteinander gemeinsam hatten, war, wie schon vor einigen Tagen erwähnt wurde, ihre Herkunft. Sie kamen alle aus Grenzländern: Trient, Lothringen, Rheinland. Diese drei Männer waren von dem glühenden Wunsch beseelt, für immer all das Unheil auszumerzen, das der Nationalismus über Europa gebracht hatte. Leider war keinem dieser drei Väter Europas die Erfüllung seiner Sehnsucht beschieden; uns ist aber heute ihre Hoffnung ein ständiger und verpflichtender Ansporn, den Kampf um die Schaffung eines politisch geeinten Europa weiterzuführen. Adenauer hat uns vor allem gezeigt, wie man zugleich Bürger des eigenen Staates und Bürger Europas sein kann. Sein Beispiel wird allen wahren Europäern stets eine Quelle des Mutes sein.
Quelle: Konrad Adenauer - Würdigung und Abschied. + 19. April 1967. Stuttgart 1967, S. 63f.