20. Juni 1919

Ansprache aus Anlass der Eröffnungsfeierlichkeiten der Universität zu Köln in der Aula der Universität

Diese Rede bezeichnet einen Höhepunkt kommunalpolitischer Tätigkeit Adenauers und lässt gleichfalls einige auch später wesentliche Grundgedanken erkennen: Kulturelle Gemeinsamkeit der westlichen Demokratien; Sorge um die Stellung Europas in der Welt bei fortdauernder Uneinigkeit; idealistisches Wissenschaftsverständnis und Kritik am Materialismus.

Meine Damen und Herren! Ich möchte die heutige festliche Gelegenheit benutzen, um in meiner doppelten Eigenschaft als Kurator der Universität und als Oberbürgermei­ster der Stadt Köln, der Stifterin der Universität, einige grundsätzliche Worte zu Ihnen zu sprechen: Als der Plan für die Schaffung der Universität in die Öffentlichkeit drang, wurden in manchen Kreisen Zweifel laut, ob die finanziellen Kräfte der Stadt für die materielle Grundlage eines so großen Werkes ausreichten. Es fehlte nicht an Stimmen, die der Meinung waren, dass die Stadt Köln die finanzielle Belastung, die mit dem Ausbau der Universität verbunden sein würde, nicht tragen könne. Ich kann versichern, dass die Stadtverordnetenversammlung sich mit mir der finanziellen Tragweite des Be­schlusses der Universitätsgründung vollauf bewusst gewesen ist, dass wir fest entschlossen sind, trotz aller namentlich in der gegenwärtigen Zeit gebotenen Sparsamkeit jetzt und in Zukunft unserer Universität diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, deren sie zu ihrer Fortgestaltung und zum weiteren Ausbau bedarf. (Beifall)

Und eine zweite noch wichtigere Erklärung möchte ich heute abgeben: Die deutschen Universitäten rühmen sich mit Stolz des kostbaren Palladiums der Freiheit - einer Freiheit, deren Grenzen durch Herkommen und Verfassung gezogen und gewährleistet sind. Sie betrachten mit Recht diese Freiheit als ihr wertvollstes Gut, denn nur bei voller Freiheit kann die Wissenschaft blühen und gedeihen. Es drängt mich daher, heute zu erklären, dass auch die Universität Köln so frei sein wird wie irgendeine andere Universität in deutschen Landen. Mit gutem Grunde kann ich sagen, dass die Universität Köln so frei sein wird wie irgendeine andere deutsche Universität; denn in all den Jahren, in denen nun in Köln akademische Einrichtungen, die Vorgängerinnen unserer heutigen Universität, bestehen, hat sich nach der Erklärung, die aus dem Munde ihres Rektors, des früheren Studiendirektors der Handels-Hochschule, also des berufensten Mannes vor wenigen Tagen gekommen ist, niemals irgendeine unberechtigte oder störende Ein Wirkung seitens der Stadt auf die Handels-Hochschule geltend gemacht. So wird es auch in Zukunft sein, und ich würde jeden Versuch, diese Freiheit zu beeinträchtigen, mag er von oben oder von unten kommen, mit allen Mitteln und mit aller Entschlossenheit entgegentreten. (Beifall)

Mein Beruf, meine Damen und Herren, der heute mehr wie je meine ganze Kraft und meine ganze Zeit erfordert, lässt mir leider viel zu wenig Zeit zu wissenschaftlicher Tätigkeit, aber in der Überzeugung stimme ich mit Ihnen, die sich die wissenschaftliche Arbeit zum Lebensberuf gewählt haben, vollständig überein, dass die lautere, nicht dem Dienst des Tagesgötzen, nicht dem materiellen Fronen ergebene Wissenschaft mit zu dem Wertvollsten und Kostbarsten zählt, was wir haben. Diese Erkenntnis, das Bestreben, geistige Dämme zum Schütze des Idealen gegen den alles überflutenden Strom des rein materiellen Denkens und Strebens zu errichten, hat mich vor allem bei der Schaffung der Universität Köln geleitet.

Helfen Sie alle, die Sie hier versammelt sind, Sie, die Dozenten, und Sie, die Studenten, diesen hohen Beruf der Universität voll zu erfüllen, wir tun damit unserem armen deut­schen Vaterlande den größten Dienst, den wir ihm leisten können. An der Überschätzung des geistigen Elements, an der Überschätzung der Macht des Materiellen, ist Deutschland zugrunde gegangen: nur bewusste und völlige Umkehr von diesem Wege sichert dem deutschen Volke noch eine Zukunft.

In diesem Geiste wollen wir die Alma mater Coloniensis ausbauen, mit diesem Geiste möge sie erfüllt sein, damit sie in Wahrheit eine Alma mater in des Wortes tiefster Bedeutung werden möge.

Möge die Zukunft der Universität Köln sich würdig gestalten der größten Zeiten ihrer Vergangenheit. Vivat, floreat, crescat, Alma mater Coloniensis!

 

Quelle: Eröffnungsfeier der Universität Köln. Rede gehalten bei der Akademischen Feier in der Aula der Universität am 20. Juni 1919, verlegt bei Heinrich Z. Gonski, Köln 1919, S. 53-55.