Frage: Wo sehen Sie, Herr Minister, die wesentlichen neuen Maßnahmen der deutsch-französischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Außenpolitik?
Antwort: Ich möchte meinen, daß das Entscheidende, was auf dem Gebiet der Außenpolitik neu vereinbart wird, eine Konsultation, d. h. also eine ausdrückliche eingehende vorherige Besprechung von allen Fragen gemeinsamen außenpolitischen Interesses ist. Das gilt in dem weiten Felde, das gilt ganz besonders für die europäische Zusammenarbeit in den europäischen Gemeinschaften, das gilt für die Zusammenarbeit im NATO-Rahmen.
Und ein zweites großes Feld, das bisher überhaupt nur in den Anfängen berührt war, ist die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe. In diesem Bereich wird es darauf ankommen, die Pläne und Absichten aufeinander abzustimmen, den derzeitigen Bestand aufzunehmen, zu prüfen, ob es Objekte und Projekte gibt, die man gemeinsam betreiben kann, jedenfalls insgesamt zu einem höheren Effekt und zu einer besseren Abstimmung auf diesem Gebiet zu kommen. Diese beiden Punkte würde ich als das Wesentliche hervorheben.
Frage: Bessere Abstimmung auf allen Gebieten, sagten Sie, vor allem auch auf dem der europäischen Politik. Wird man nicht die nächste Brüsseler Konferenz über die Teilnahme Englands am Gemeinsamen Markt überall, auch bei uns, als Testfall dafür ansehen, ob Bonn und Paris ihre Außenpolitik wirklich aufeinander abstimmen können? Was wird, wenn es am 28. Januar zum Abbruch der Brüsseler Verhandlungen kommen sollte?
Antwort: Nun, es ist ein gewisser Unterschied, ob Sie davon sprechen, daß man seine Außenpolitik aufeinander abstimmt oder daß man sich über alle gemeinsam interessierenden außenpolitischen Fragen konsultiert mit dem Ziel, sich einander anzunähern. Ich habe schon einmal betont, und das muß man auch sagen, um nicht falsche Erwartungen und Vorstellungen zu erwecken, auch unter Freunden kann man verschiedener Meinung sein und wird man vielleicht öfter verschiedener Meinung sein. Hier ist eine Methode und eine dauernde Methode gesucht und gefunden worden, um möglichst übereinstimmender Meinung zu sein. Ich werde also nicht irgendein Ereignis in der nächsten Zeit sozusagen zum Testfall ernennen. Diese Zusammenarbeit ist nicht kurzfristig gedacht, sondern langfristig gedacht und kann nur bewertet werden an ihren langfristigen Ergebnissen.
Frage: Darf ich die Frage noch etwas präzisieren: befürchten Sie einen Abbruch der Brüsseler Verhandlungen Ende dieses Monats?
Antwort: Ich würde keiner solchen Befürchtung Raum geben. Wir kommen am 28. wieder zusammen. Wir werden die Fragen, die sich dort stellen, diskutieren, wir werden den Versuch machen, die Schwierigkeiten, die sich aufgetan haben, auszugleichen. Ob uns das gelingen wird, können wir heute nicht mit irgendeiner Sicherheit beurteilen. Wir können nur sagen, was wir für Absichten haben und welche Wege wir vorschlagen werden.
Frage: Noch eine Frage zur europäischen Zusammenarbeit: wie fassen unsere anderen Partner im Gemeinsamen Markt - und die des Westens überhaupt - diese engere deutsch-französische Zusammenarbeit auf?
Antwort: Sie werden aus der Lektüre der Vereinbarungen sehen, daß unsere Nachbarn im engeren Sinne unterrichtet werden sollen über den Fortgang dieser Zusammenarbeit. Das zeigt schon ganz klar, daß hier der Versuch einer allgemeinen Kooperation absolut in unserem Blickfeld ist und betrieben wird. Unsere Nachbarn sind an sich sehr damit einverstanden, daß das deutsch-französische Verhältnis möglichst gut ist, weil es eine gewisse Grundlage auf dem Weg zu einem gemeinsamen Vereinigten Europa darstellt, das wir alle anstreben. Und unsere Nachbarn können mit Sicherheit davon ausgehen, daß hier nicht Exklusivität beabsichtigt ist, sondern Zusammenarbeit im Interesse aller.
Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 15 vom 24. Januar 1963, S. 119f.