24. März 1934

Brief an Dora Pferdmenges aus Berlin

 

Liebe Frau Pferdmenges!

Recht herzlichen Dank für Ihren l[ieben] Brief, der ankam, als meine Frau gerade im Begriffe war, abzureisen. Ich freue mich, daß Ihre Reise so schön verlaufen ist, sie wird Ihnen beiden hoffentlich eine wirkliche und dauerhafte Ausspannung und Erholung sein. Ich bin sehr gespannt, wie Ihnen beiden Rom gefallen wird. Ich hatte immer etwas Angst vor einer Reise dorthin, ich fürchtete, sie würde eine Enttäuschung sein wegen der [massivsten] und zum Teil für uns nicht artgemäßen Frömmigkeit; aber man hat sich vielleicht an Gemeinschaftsgefühl und den Ausdruck eines solchen etwas gewöhnt. - Wenn Sie und Ihr Mann einen etwas eigenartigen Eindruck bekommen, so denken Sie daran, daß auch in derselben Religionsgemeinschaft jedes Volk seine eigene Psyche behält und sein besonderes Frömmigkeitsideal. - Ich könnte mir aber auch denken, daß die Charwoche und das Osterfest in Rom doch tiefe Eindrücke vermitteln kann.

Ich habe heute hier den Mietvertrag unterschrieben, zunächst auf ein Jahr, was dann wird, muß man abwarten. Das Haus ist schön und bequem, etwas teuer, relativ, nicht absolut genommen, einen ziemlich großen für die hiesigen Verhältnisse - Klima und Boden - anständigen Garten, der Rasen ist vollständig vermoost, das ist die Strafe für meine „übertriebenen Rasenansprüche“. Der Frühling macht sich langsam auch hier bemerkbar - ich werde seine große Entfernung von Neubabelsberg schmerzlich empfinden. - Ein unerwartetes Frühlingserlebnis hatte ich heute Morgen. Ich ging in den Zoo, um unserem Freund dem Gorilla Lebewohl zu sagen; er war stark gewachsen und fett und nicht schöner geworden. Aber überrascht war ich von der Vogelwelt, die fast restlos im neuen Gefieder prangte und am Nisten war, das war ein wirklicher Frühlingsanblick. - Sie haben Recht: Kultur und Civilisation ist etwas ganz Verschiedenes, das letztere ist oft der Feind des ersteren; hier in Berlin W habe ich soviel Civilisation, daß ich ein wahres Verlangen nach der nicht vorhandenen Kultur habe.

Neues gibt es so allerhand, allerdings nichts besonders Überraschendes; Ihren Mann werden sicher die Gesetze zur Regelung der Rohstoffversorgung im Hinblick auf die Gladbach-Rheydter Industrien interessieren. Die Gesetze sind vorgestern beschlossen worden, sie sind aber noch nicht veröffentlicht.

Mit dem Gregorovius haben Sie mir eine große Freude gemacht, er schildert wirklich Natur und Kultur, augenblicklich mache ich einen Ausflug in die Campagna. - Wann werden Sie zurückkommen? Ich hoffe, daß wir uns dann bald einmal sehen und daß Sie dann mit einer großen Zahl wohlgelungener Bilder aufwarten können. Ich beabsichtige an sich, morgen nach M[aria] Laach zu fahren. Aber ich habe plötzlich wieder so mit meinen unglücklichen Zähnen zu schaffen, daß ich noch nicht weiß, ob ich nicht noch einige Tage zusetzen muß. Am Mittwoch kommt Paul nach M[aria] Laach, der dann einige Tage - über Ostern - bei mir bleibt, meine Frau hat jetzt viel zu tun; sie muß auch Lotte zur ersten Kommunion am weißen Sonntag vorbereiten helfen.

Ich weiß nicht, ob ich Ihre Osteradresse erhalten werde, und wünsche Ihnen und Ihrem Manne darum jetzt schon ein frohes Osterfest!

Mit recht herzlichen Grüßen an Sie und Ihren Mann stets

Ihr
Konrad Adenauer

[P.S.] Ich kenne Abbildungen von Tempeln auf Sizilien, die ganz wunderbar sind, aber ich meine, die Tour um den Ätna müsste doch das Schönste sein.

 

Quelle: Freundschaft in schwerer Zeit. Die Briefe Konrad Adenauers an Dora Pferdmenges 1933-1949. Bearb. von Hans Peter Mensing und Ursula Raths. Bonn 2007, S. 98f.