25. Dezember 1958

Weihnachtsansprache über die "Deutsche Welle" an die Deutschen im Ausland

Liebe Landsleute in aller Welt!

Das deutsche Volk verlebt das Weihnachtsfest in diesem Jahr unter dem Druck des schärfsten Angriffs, den der Osten in den letzten Jahren gegen die Freiheit richtete. Sie alle wissen aus den Nachrichten der "Deutschen Welle", daß der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschew in einer starken Drohung seinem Willen Ausdruck gegeben hat, West-Berlin in die Gewalt des Ostens zu zwingen. Der freie Westen hat sich dagegen aufgelehnt, und dieser Kampf um die Freiheit Berlins wirft seinen Schatten über das diesjährige Weihnachtsfest.

Aber, meine lieben Landsleute, wenn der Heilige Abend sich niedersenkt und in allen deutschen Heimen die Lichter des Christbaums angezündet werden, dann müssen wir zunächst Gott dafür danken, daß er uns wieder ein Jahr des Friedens geschenkt hat.

Zwar hat sich unsere Hoffnung, daß wir dem Weltfrieden näherkommen würden, infolge des Verhaltens des Ostens nicht erfüllt. Die internationale Lage ist heute, am Weihnachtsfest 1958, nach wie vor dunkel. Zwar möchte ich nicht sagen, daß ich ernsthafte Störungen des Friedens in größerem Umfang befürchte. Auch für den Osten ist das Risiko eines bewaffneten Konflikts so riesengroß geworden, daß er im letzten davor zurückscheuen wird. Ich habe immer noch die Überzeugung, daß wir mit viel Geduld und sehr viel Standhaftigkeit trotz aller Drohungen den Frieden erhalten können.

Aber wir wollen am Heiligen Abend nicht nur dunkel sehen. Auch Sie draußen in der weiten Welt erlebten mit, wie die Bundesrepublik immer mehr an Ansehen in der Welt gewinnt. Vielleicht hat dieses wachsende Ansehen des deutschen Volkes sich sogar in Ihrem privaten Leben bemerkbar gemacht. Auf der anderen Seite spüren wir, daß Ihre Arbeit und Ihre Verbundenheit mit dem deutschen Vaterlande uns die Arbeit an den Verbesserungen unserer Beziehungen zu den Völkern der freien Welt erleichterte.

Wir gedenken heute auch der 18 Millionen Deutschen, die in der Sowjetzone unter fremder Herrschaft leben. Immer noch ist unser Volk getrennt durch eine Grenze, die zwei Welten voneinander scheidet. Diese unnatürliche Trennung unseres Vaterlandes kommt uns am Weihnachtsfest, dem schönsten Fest unseres Volkes, immer wieder besonders schmerzlich zum Bewußtsein. Wir spüren die Spaltung der Welt hier gewissermaßen am eigenen Leibe.

Aber so schwer auch die Lage in der Welt sein mag, wir wollen gerade am Weihnachtsfest die Hoffnung nicht verlieren. Wenn auch Gewalt und Terror den Frieden zu gefährden drohen, wir wissen aus einer langen Geschichte, daß Gewalt und Terror keinen Bestand haben und keinen Bestand haben können. Am christlichen Fest des Friedens wollen wir daran denken und fest daran glauben, daß am Ende doch das Recht sich durchsetzt. Das Recht war auf die Dauer immer stärker als die Gewalt und wird es auch in Zukunft sein.

Es lag mir daran, meine lieben Landsleute, Ihnen die Macht des Rechts ins Gedächtnis zu rufen, jenes Rechts, das allein einen wahren Frieden in Freiheit geben und erhalten kann. Hier liegt unsere Hoffnung. In dieser Hoffnung wollen wir einiger denn je gemeinsam Weihnachten feiern, wir hier in der Bundesrepublik, die bedrohten deutschen Menschen in Berlin und in der Zone und Sie, meine Zuhörer, in aller Welt. Im gemeinsamen Wunsch nach Frieden und Freiheit grüße ich im Namen der Bundesregierung und des ganzen deutschen Volkes alle unsere Landsleute in aller Welt und wünsche Ihnen aus der alten Heimat ein glückliches und gesegnetes Weihnachtsfest.

 

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 238 vom 30. Dezember 1958, S. 2375f.