25. Dezember 1959

Weihnachtsansprache über die "Deutsche Welle" an die Deutschen im Ausland

Liebe Landsleute in aller Welt!

Im Dezember waren zahlreiche Konferenzen in Paris. Und es ist erst wenige Tage her, seitdem wir in Paris zusammen berieten, der Präsident der Vereinigten Staaten, der französische Staatspräsident, der englische Ministerpräsident und ich. Wir haben über die weltpolitische Lage verhandelt. Wir haben miteinander gesprochen in großem Ernst. Vor allem haben wir über die Frage gesprochen, wie man am besten dem Frieden in der Welt dienen könne.

Hinter uns, meine lieben Landsleute, liegt ein Jahr schwerer Anstrengungen, ein Jahr wichtiger Konferenzen und Besprechungen und Reisen. Der sowjetische Ministerpräsident Chruschtschew hat die Vereinigten Staaten besucht. Präsident Eisenhower hat gerade jetzt in einer kleinen Weltreise mit vielen Staatsmännern darüber verhandelt, wie die Spannungen in der Welt beseitigt werden können, insbesondere auch, wie die Freiheit Berlins geschützt werden kann. Vor uns liegt die West-Ost-Gipfelkonferenz, die dem großen Ziele der allgemeinen Entspannung dienen soll.

Wenn ich, meine lieben Landsleute, heute zu Ihnen darüber spreche, so vor allem deshalb, damit Sie sehen, daß in dieser gefahrvollen Zeit auch hart von den Staatsmännern der Freien Welt für den Frieden gearbeitet wird. Ich tue es auch, damit wir dankbar dafür sind, daß uns wieder ein Jahr des Friedens geschenkt wurde. Heute, am Weihnachtsfest, sollten wir dafür besonders dankbar sein. Aber wenn auch das Jahr 1959 friedlich verlaufen ist, so können wir leider nicht sagen, daß die Lage damit weniger ernst geworden wäre. Ich will damit nicht sagen, daß ich für die nähere Zukunft eine ernsthafte Störung des Friedens in größerem Umfange befürchte. Aber eines ist sicher: wir müssen, wenn wir den Frieden erhalten und sichern wollen, viel Geduld und viel Standhaftigkeit aufbringen.

Was mich vor allem an diesem Weihnachtsfest bedrückt, das ist die immer noch andauernde unselige Teilung unseres Vaterlandes. Gestern, am Heiligen Abend, standen in allen Wohnungen und in allen Häusern der Bundesrepublik Kerzen zur Erinnerung an diejenigen, die von uns getrennt sind, und zur Mahnung an uns, die wir in der Freiheit leben, daß wir alles tun, damit diese Trennung in Frieden und in Freiheit beseitigt wird. Aber unsere Hoffnung, jene 17 Millionen Deutsche hinter dem Eisernen Vorhang würden endlich von den unsichtbaren Ketten befreit, die sie jetzt fast 15 Jahre lang drücken, ist zunächst noch nicht in Erfüllung gegangen. Im Gegenteil, von Jahr zu Jahr verstärkt sich der Druck. Und auch im vergangenen Jahr sind vor allen Dingen die Eingriffe in das kirchliche Leben unserer Landsleute in der Zone härter geworden denn je. Das zu sagen, ist am Weihnachtsfest, dem Fest der Liebe und des Friedens, besonders schmerzlich. Auch an diesem Weihnachtstage kann ich deshalb wieder nichts anderes tun, als vor aller Welt die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes in Frieden und Freiheit, die Befreiung der Deutschen in der Zone, zu fordern. Es kann keinen wahren und echten Frieden geben, wenn 17 Millionen Deutsche mitten in Europa ohne Recht und ohne Freiheit leben müssen. Nach wie vor bleibt daher die Befreiung dieser Deutschen eine Kernfrage im internationalen Leben der Völker.

Das Neue Jahr, meine Landsleute, wird wichtige politische Konferenzen bringen, die entscheidend sein können für den Frieden. Heute, am hochheiligen Weihnachtsfest, am Fest des Friedens, wollen wir alle gemeinsam, wir Deutsche in der Heimat und Sie, unsere Landsleute im Ausland und in Übersee, das Christkind bitten, die Staatsmänner zu leiten, damit am Ende ihrer Beratungen und Bemühungen stehe jener Friede auf Erden für alle, die guten Willens sind.

Wir Deutsche wollen das Fest feiern, Sie draußen, wir, in der Heimat, in einem Gefühl echter Verbundenheit miteinander. In dieser herzlichen Verbundenheit grüße ich Sie und wünsche Ihnen im Namen der Bundesregierung, im Namen des ganzen deutschen Volkes, ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!

 

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 238 vom 29. Dezember 1958, S. 2451.