25. Dezember 1960

Weihnachtsansprache über die "Deutsche Welle" an die Deutschen im Ausland

Meine lieben Landsleute in aller Welt!

Es ist mir eine große Freude, auch in diesem Jahr am Heiligen Abend zu Ihnen aus der alten Heimat sprechen zu können. Ich weiß, daß Sie draußen in Übersee, in Nord- und Südamerika, in Afrika, im Nahen und Fernen Osten, wo immer es auch sei, heute das schönste deutsche Fest feiern. Seit Jahren sind Sie durch die "Deutsche Welle" mit uns in der Heimat verbunden, und so können wir alle, das ganze deutsche Volk, das Christfest gemeinsam begehen. Sie hören die Weihnachtsglocken deutscher Dome und Kirchen, die Klänge der alten Weihnachtslieder bringen Ihnen das Christfest ins Heim und lassen die deutsche Heimat lebendig werden.

Ich wäre glücklich, meine lieben Landsleute, wenn ich Ihnen heute, am Fest des Friedens, mit mehr Gewißheit vom Frieden auf Erden sprechen könnte, als ich es tun kann. Sie wissen um die vielen Versuche des vergangenen Jahres, dem Frieden zu dienen und ihn zu erhalten. Sie wissen aber auch, daß an vielen Stellen der Welt Unfrieden herrscht, Menschen in Not und in Elend gestürzt wurden, und daß wir dem ersehnten Frieden für alle kaum näher gekommen sind. Und wenn wir an die Zukunft denken, so müssen wir uns ehrlich gestehen, daß sie recht dunkel vor uns liegt.

Trotz der vielen Störungsversuche aber ist es jenen Kräften, die guten Willens sind, gelungen, das Schlimmste zu verhüten. Die Spannungen zwischen Ost und West sind zwar ernst. Sie haben jedoch die Welt bisher nur gespalten, aber nicht zerrissen. Es stimmt traurig, daß dieser notdürftig erhaltene Friede nicht auf dem guten Willen aller beruht, sondern auf der Furcht vor dem Schrecken und Grauen, das ein Krieg der ganzen Menschheit bringen würde. Sie werden aber mit mir, meine lieben Landsleute, der Meinung sein, daß ein auf Furcht gegründeter Friede nicht jener Friede ist, von dem die Weihnachtsbotschaft spricht.

Und doch gibt das Weihnachtsfest eine Hoffnung. Überall in der Welt, auch im deutschen Volk, sind starke Kräfte am Werk, die sich bemühen, an die Stelle der Furcht wieder das Recht zu setzen. Wenn wir heute, wir Deutschen, überall in der Welt die Lichter am Christbaum entzünden, dann wollen wir in uns den Glauben an die Kraft des Rechts neu stärken. Wir wollen an diesem schönsten aller Feste den Herrgott bitten, daß er uns doch den Frieden des Rechts und der Liebe schenken und bewahren wolle.

Ich möchte an diesem Weihnachtsfest, meine lieben Landsleute, Ihnen die Macht und die Kraft des Rechts ins Gedächtnis zurückrufen und in Ihnen den Glauben daran erneuern, daß am Ende das Recht stärker ist als das Unrecht und die Unwahrheit. Nur allein im Recht liegt unsere Hoffnung auf Frieden und Freiheit. In dieser Hoffnung wollen wir, einiger denn je, gemeinsam das Weihnachtsfest feiern, wir hier in Deutschland, die in der Gewaltherrschaft der Zone und die in Berlin lebenden Menschen, und Sie, meine lieben Landsleute in aller Welt.

Mit dem Wunsche nach Frieden und Freiheit grüße ich Sie im Namen der Bundesregierung und des ganzen deutschen Volkes und wünsche Ihnen allen aus der alten Heimat ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 241 vom 28. Dezember 1960, S. 2333.