25. Oktober 1951

Schreiben an den zweiten Vorsitzenden der Exil-CDU, Ernst Lemmer

 

Sehr geehrter Herr Lemmer!

Auf einer Versammlung in Aachen am 15. Oktober haben Sie Ausführungen gemacht, insbesondere über die Neutralisierung Deutschlands, die, wie Sie wussten, in diametralem Gegensatz zu den Ansichten der Bundesregierung und der von mir verfolgten Politik stehen. Es handelt sich, wie Ihnen auch bekannt ist, dabei um eine Angelegenheit von denkbar größter Bedeutung.

Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass unter diesen Umständen die mit Ihnen geführten Verhandlungen nicht fortgesetzt werden können. Ich bedauere sehr, dass Sie auf der Tagung der Exil-CDU am 14. Oktober, auf der ich meine Politik dargelegt habe, nicht Ihre entgegengesetzten Ansichten mitgeteilt haben. Falls Sie geglaubt haben sollten, dass ein solcher Gegensatz zweckmäßig auf der Versammlung nicht in Erscheinung treten sollte, hätten Sie mir mindestens nach Schluss der Versammlung Ihre Ansicht mitteilen müssen. Ich bedauere sehr, dass Sie das nicht getan haben.

Auf der Aachener Versammlung sollen Sie, wie mir berichtet worden ist, auch gesagt haben, „Adenauer steht mir doch noch näher als Grotewohl." Falls Sie das wirklich gesagt haben sollten, kann ich Ihnen nur mein tiefes Bedauern darüber aussprechen, dass Sie den Namen Grotewohl in eine solche Verbindung mit meinem Namen gebracht haben.

Mit hochachtungsvollem Gruß!

(Adenauer)

 

Quelle: Adenauer. Briefe 1951-1953. Hg. von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz. Bearb. von Hans Peter Mensing. Berlin 1987, S. 129.