27. April 1950

Schreiben an John H. Freeman, Honnef

John Henry Freeman (1888-1964), britischer Journalist, seit 1926 für „The Times" tätig, 1946-1949 Korrespondent in Berlin, ab 1949 in Bonn.

 

Sehr geehrter Herr Freeman!

Für Ihren Brief vom 25. April danke ich Ihnen sehr. Ich bin Ihnen für die daraus sprechende Gesinnung und die Teilnahme an meiner Arbeit sehr verbunden. Das folgende möchte ich Ihnen ausführen, damit Sie mich verstehen. Ich kann bei meinen Reden auf die Gefühle des Auslandes nur soweit Rücksicht nehmen, als mein Ansehen und mein Einfluss in der deutschen Bevölkerung dadurch nicht Schaden leiden. Ich muss besorgt sein, dass das Letztere nicht eintritt, weil ich genügend Einfluss im deutschen Volke haben muss, um es in die westliche Gemeinschaft hineinzuführen. Ich bitte Sie, daher zu verstehen, dass ich bei der Wahl meiner Ausdrücke und bei meinen Formu­lierungen immer zwischen Szylla und Charybdis hindurch muss.

Noch ein weiteres möchte ich Ihnen sagen. Unter Brüning, der gegenüber dem Ausland immer sehr „brav" war, hat man Deutschland nichts gegeben. Dem Verbrecher Hitler hat man in den ersten Jahren seiner Kanzlerschaft fast alles gegeben, was er wollte. Diese Erfahrung ist natürlich auch nicht dazu angetan, gegenüber den Alliierten zu vor­sichtig zu sein. Als die Saarfrage unlängst hier so viel Erregung hervorgerufen hat, ist von manchen Leuten gesagt worden, Frankreich habe Hitler 1935 die Saar zurückgegeben, dem demokratischen Deutschland nimmt es sie ab.

Was nun die Interviews angeht, so bleibt mir ja gar nichts anderes übrig, als diesen Weg zu gehen, weil die Stimme der deutschen Bundesregierung im Auslande ja nicht gehört, geschweige denn gewürdigt wird.

Ich möchte gern baldmöglichst, am besten, wenn Herr Blankenhorn zurück ist, mit Ihnen einmal wieder über die ganze Lage sprechen.

Mit herzlichen Grüßen

Ihr ergebener

(Adenauer)

 

Quelle: Konrad Adenauer: Briefe über Deutschland 1945-1955. Eingeleitet und ausgewählt von Hans Peter Mensing aus der Rhöndorfer Ausgabe der Briefe. München 1999, S. 103f.