27. April 1951

Bundespolitik und Landtagswahlen

Von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer

 

Bis zur Gründung der Bundesrepublik vollzog sich das gesamte staatliche Leben Deutschlands - allerdings beschränkt durch die den Besatzungsmächten vorbehaltenen Zuständigkeiten - auf der Ebene der Länder. Durch die Verabschiedung des Grundgesetzes wurde mit der Bundesrepublik wieder eine gesamtdeutsche Autorität geschaffen, deren Bereich sich zwar zunächst auf die Besatzungszonen der Westmächte beschränkt, die aber darüber hinaus auch die Interessen der Deutschen vertritt, die heute noch nicht in der Lage sind, in Freiheit und Selbstbestimmung über ihr politisches Schicksal zu entscheiden. Das Grundgesetz hat wichtige gesetzgeberische und verwaltungsmäßige Zuständigkeiten, die vorher von den Ländern treuhänderisch wahrgenommen wurden, auf die Bundesorgane übertragen und so die deutsche Rechts-, Wirtschafts- und Lebenseinheit weitgehend gesichert.

Das bedeutet aber nicht, dass die Länder zur völligen Bedeutungslosigkeit herabgesunken sind. Die Länder sind nach wie vor in weitem Umfange Träger der Gesetzgebung auf den verschiedensten Gebieten, insbesondere in der Kultur-, Kirchen- und Schulpolitik. Darüber hinaus sind die Länder die hauptsächlichsten Träger der Verwaltung geblieben und als solche nicht nur mit der Durchführung ihrer eigenen Landesgesetze, sondern auch des größten Teiles der Bundesgesetze betraut. Allein hieraus ergeben sich schon die wichtigen politischen Funktionen, welche die Länder auch heute noch innerhalb der Bundesrepublik zu erfüllen haben. Bund und Länder sind verfassungsrechtlich und politisch in ihrer Wirksamkeit so miteinander verzahnt, dass eine fruchtbare Aufbauarbeit nur geleistet werden kann, wenn zwischen Bund und Ländern ein Verhältnis vertrauensvoller Angleichung und Zusammenarbeit besteht. Die Arbeit des Bundes und die Arbeit der Länder müssen harmonisch zusammengehen, wenn das deutsche Volk die persönliche Freiheit und menschenwürdige Existenz für alle sichern, die aus dem Osten drohenden totalitären Gefahren abwehren und sich die volle politische Gleichberechtigung in der Gemeinschaft der Kulturvölker erringen will.

Schon aus diesen Tatsachen ergibt sich, dass die politische Entwicklung in den Ländern auch für die Bundesrepublik von erheblicher Bedeutung ist. Die enge Verbindung zwischen Bund und Ländern findet ihren besonderen Ausdruck in der Errichtung des Bundesrates. In Artikel 50 des Grundgesetzes heißt es: "Durch den Bundesrat wirken die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit." Wenn auch der Bundesrat auf dem Gebiete der Gesetzgebung nicht die gleichen Befugnisse wie der Bundestag hat, so kann er doch gemäß den ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Befugnissen auf den Gang der Gesetzgebung wesentlichen Einfluss nehmen. In zahlreichen Fällen ist die Bundesregierung für den Erlass von Ausführungsbestimmungen und grundsätzlichen Verwaltungsvorschriften an die Zustimmung des Bundesrates gebunden. Man kann erfreulicherweise feststellen, dass bisher die Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Bundesrat im allgemeinen gut war, und dass der Bundesrat insbesondere bei manchen vielleicht unpopulär erscheinenden Maßnahmen der Bundesregierung eine wertvolle Stütze gewesen ist.

Da der Bundesrat aus Mitgliedern der Landesregierungen besteht, die den Beschlüssen ihrer Kabinette unterliegen, die politische Zusammensetzung der Landesregierungen aber wiederum von der Zusammensetzung der Landtage abhängig ist, haben alle Landtagswahlen automatisch ihre Auswirkungen auch auf den Bundesrat und damit auf die Bundespolitik. Das gilt selbstverständlich auch für die bevorstehenden Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz. Das Land Rheinland-Pfalz hat in der Vergangenheit unter der Regierung Altmeier loyal mit dem Bund zusammengearbeitet. Ich bin davon überzeugt, dass die Bevölkerung von Rheinland-Pfalz bei der kommenden Wahl den Stimmen der politischen Vernunft und Verantwortung Gehör schenken und so dazu beitragen wird, die gute Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Rheinland-Pfalz auch für die Zukunft zu sichern.

 

Quelle: Neuer Mainzer Anzeiger vom 27. April 1951.