27. September 1945

Brief an Dr. Wim J. Schmitz, Bückeburg

Lieber Wim,

 

Von einem Herrn Kesser bekam ich Ihre Grüße. Ich freue mich daraus zu ersehen, daß es Ihnen anscheinend gut geht. Ich hoffe das gleiche von Ihrer Frau und Ihren Kindern. Vor kurzem habe ich einen aus Holland stammenden Offizier der UNRRA gebeten, Ihnen Grüße zu übermitteln. Vielleicht haben Sie diese in der Zwischenzeit erhalten.

Über uns berichte ich Ihnen Folgendes:

Konrad ist in Norwegen in Kriegsgefangenschaft. Es geht ihm soweit gut. Seine Frau und seine zwei Kinder sind bei uns in Rhöndorf. Max ist vor 14 Tagen aus 4-monatiger amerikanischer Kriegsgefangenschaft in Frankreich zurückgekommen.

Es ging ihm recht schlecht. Vier Monate im Freien auf der nackten Erde, zwei Monate ohne jeden Schutz vor der Witterung, dann als Schutz etwas Dachpappe, sehr geringe Verpflegung. Er erholt sich jetzt bei uns in Rhöndorf, seine Frau ist bei ihm. Paul war in englischer Kriegsgefangenschaft im Harz, er ist seit über 2 Monaten zurück, er studiert jetzt im Konvikt in Bonn Theologie.

Meinetwegen hatten wir seit Sommer 1944 viele Aufregungen, zunächst viele Haussuchungen durch SD und Gestapo. Ich kam dann in der 2. Hälfte vom August 1944 ins KZ, Köln-Messe, mußte nach 14 Tagen wegen Haftunfähigkeit entlassen werden, wurde nach 14 Tagen wieder verhaftet und war bis Ende November 1944 im Gestapo-Gefängnis in Brauweiler bei Köln. Meine Frau war auch 10 Tage dort in Haft. Ich wurde weiter ständig überwacht und verdanke wohl nur dem überraschenden Einbruch der amerikanischen Armee über die Rheinbrücke Remagen, daß ich nicht verschleppt wurde.

Die Kämpfe in Honnef und Rhöndorf waren sehr schwer. Wir haben auf unser Grundstück etwa 12 schwere Granaten bekommen, davon 2 ins Haus. Es ist niemand von uns verwundet worden, das Haus ist auch wieder in Ordnung.

Mein altes Amt habe ich auf starkes Drängen der Amerikaner bis auf Weiteres übernommen. Köln ist furchtbar zerstört. Beim Einrücken der Amerikaner waren auf der linken Rheinseite noch 40.000 Menschen, jetzt hat Köln wieder 400.000 Einwohner.

Dem Winter sehen wir mit großen Sorgen entgegen. Unsere Zukunft liegt sehr schwarz verhangen vor uns.

Lotte will jetzt in Bonn studieren, Liesbeth ist im Sacre Cœur in Pützchen bei Beuel, Georg im Oberterzianer [sic!].

Leider sind ja die Grenzen zwischen Holland und Deutschland hermetisch geschlossen, aber geben Sie uns doch ausführlich Nachricht, wie es Ihnen persönlich und den Ihrigen geht, und kommen Sie uns besuchen, so bald Sie können.

Recht herzliche Grüße an Ihre Frau und Sie auch von meiner Frau,

 

Ihr
(Dr. Adenauer)
Oberbürgermeister

 

 

Quelle: StBKAH 07.03. Abgedruckt in: Adenauer. Briefe 1945-1947 (Rhöndorfer Ausgabe). Hg. von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz. Bearb. von Hans Peter Mensing. Berlin 1983, S. 107f.