28. Dezember 1956

Sicherheit für Volk und Familie

Von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer

 

1957 ist das Jahr der Bundestagswahl. Die Union und ihre Regie­rung stellen sich der Entscheidung des Volkes. Sie haben vor dem Volk ihre Politik zu vertreten. Jeder einzelne, der sich zur Union bekennt, hat seinen Anteil an der Verantwortung, aber auch an der erfolgreichen Aufbauarbeit, die die CDU/CSU für unser Volk geleistet hat. Wir haben keinen Grund, unser Licht unter den Scheffel zu stellen!

Zu keinem Zeitpunkt haben sich die Union und ihre Regierung der verführerischen Illusion hingegeben, dass die wortreich betrie­bene Koexistenzpolitik des Kremls schon eine Minderung der Gefahr für die Freiheit bedeutet. Das Schicksal des tapferen, unglückli­chen ungarischen Volkes war eine warnende Bestätigung für die Be­rechtigung unserer Außenpolitik, die Sicherheit und Frieden in der engen, vertraglichen Verbindung mit den Völkern der freien westlichen Welt sucht. Wir sind überzeugt, dass nur mit diesem Rückhalt der Weg der Verständigung und des Ausgleichs mit dem Osten beschritten werden kann, der zugleich der Weg der Wieder­vereinigung des geteilten Deutschland sein muss. Zu keiner Stunde wollen wir die 18 Millionen in der Sowjetzone vergessen!

Der erste Tag des neuen Jahres bringt den Beweis dafür, wie mit einer Politik maßvoller und unerschütterlicher Geduld eine außenpolitische Streitfrage zwischen den Völkern gelöst werden kann. Wir begrüßen von Herzen die Saarländer bei ihrer Rückkehr in unsere staatliche Gemeinschaft. Der Dank für ihre Treue ver­bindet sich mit der Genugtuung, dass die Wiedervereinigung mit der Saar zugleich eine Grundlage für eine gutnachbarliche franzö­sisch-deutsche Zusammenarbeit wurde.

Unsere Politik will als eine Einheit verstanden werden. Die CDU/CSU als stärkste Partei hat die Verantwortung in erster Linie zu tragen. Das bedeutet, in der Außenpolitik Sicherheit für Volk und Familie zu verbürgen, in der Innenpolitik für eine stabile Währung und eine vorwärtsschreitende Wirtschaft zu sorgen. Im Bewusstsein dieser Verantwortung lehnt es die Union ab, Agitations­anträgen zuzustimmen, die zusammengenommen die äußere und die innere Sicherheit gefährden würden.

Die Union und ihre Regierung konnten keine Entscheidungen aus Wahlgründen vertagen, wie es die SPD auf ihrem Münchener Parteitag 1956 getan hat. Mehr als sieben Jahre hat die Politik der Union Schritt für Schritt die Bundesrepublik wieder zu Ansehen unter den Völkern und zu wirtschaftlichem Wohlstand gebracht. In einer Krisenzeit, wie sie in der Welt seit 1945 nur beim roten Überfall auf Korea ein Beispiel hat, bewährte sich die soziale Marktwirtschaft so, dass unsere Volkswirtschaft zu den am wenig­sten von den letzten Ereignissen betroffenen gehört. Das alles darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Wir wollen keine dilettantischen Experimente.

1957 gilt es, durch einen entscheidenden Wahlerfolg die Fortfüh­rung einer Politik beharrlicher Arbeit zu sichern und Experimente auszuschließen, die unser aller Zukunft gefährden würden. Aus christlicher Verantwortung sehen wir in dieser Aufgabe eine echte Verpflichtung.

 

Quelle: Deutschland-Union-Dienst. Jg. 10, Nr. 249 vom 28.12.1956, S. 1f.