28. Juni 1945

Brief an Sohn Max Adenauer

Lieber Max,

 

vor einigen Tagen hörte ich von einem entlassenen Kriegsgefangenen Grünwald aus Hamburg, der angab, mit Dir im Gefangenenlager in Ludwigshafen zusammengewesen zu sein, daß Du nunmehr in Heilbronn bist. Wir hörten zu unserer großen Freude weiter von ihm, daß Du unverwundet bist und daß es Dir nicht schlecht gehe. Du wirst sicher danach brennen, Näheres von uns allen zu hören. Ich gebe Dir im Folgenden eine kurze Übersicht. Es ist vielleicht möglich, Dir diesen Brief durch Vermittlung eines amerikanischen Offiziers, der früher in Köln war, zukommen zu lassen.

Es geht uns allen so weit ganz gut. Die Kämpfe in Honnef/Rhöndorf waren sehr schwer. Wir haben einige Tage und Nächte in dem Bunker im Berge zubringen müssen, zu 18 Personen. In unser Grundstück sind etwa 10 schwere Granaten gekommen, zwei davon ins Haus. Es war Giselas Zimmer oben hoch und das Zimmer von Lola; letzteres sehr stark zerstört. Sehr viele Fensterscheiben kaputt, Dach sehr undicht usw. Es ist jetzt so ziemlich alles geflickt. Gisela wohnt bei uns, es geht ihr gut. Ria mit ihren Kindern wird uns morgen verlassen, voraussichtlich um nach Waidbach zu ihrem Manne zu gehen. Lotte, Libet und Schorsch sind zu Hause. Paul war in englischer Kriegsgefangenschaft im Harz. Durch Vermittlung der amerikanischen Herren hier ist es gelungen, ihn vor einigen Tagen nach Hause zu bekommen. Es geht ihm gut. Von Konrad haben wir seit Februar nichts mehr gehört. Er schrieb zuletzt aus Norwegen. Ich war zuerst als Berater des Militärgouverneurs tätig, seit dem 4. Mai amtiere ich hier als Oberbürgermeister. Ich wohne im Caritas-Haus/Hohenlind. Mutter ist jede zweite Woche mit hier. Köln ist furchtbar zerstört, und die Verhältnisse sind ungewöhnlich schwer. Die Offiziere der amerikanischen Militärregierung haben uns sehr gut geholfen. Ich stand mich mit fast allen vorzüglich. Leider haben sie uns vor einigen Tagen verlassen. Es sind jetzt Briten hier. Wie sie sind, kann ich noch nicht endgültig sagen. Keinesfalls sind sie so, wie sie 1918 waren. Herr Henle war mehrfach bei mir. Die Werke der Klöckner A.G. sind zum Teil zerstört, zum Teil nicht. Klöckner-Humboldt wird jetzt wieder in Gang gesetzt. Es sollen dort zunächst 1.000 landwirtschaftliche Traktoren hergestellt werden. Herr Henle rechnet auf Deine Mitarbeit. Ich bemühe mich, Dich mit Hilfe einiger amerikanischer Offiziere, die ich hier näher kennengelernt habe, freizubekommen. Ich hoffe sehr, daß es mir gelingt. Dein Schwiegervater und Deine Schwägerin Edith wohnen jetzt in Köln-Marienburg. Dein Schwiegervater hatte sich sehr überanstrengt und ist noch eine Zeitlang schonungsbedürftig.

Ich hoffe also sehr, Dich bald wiederzusehen, und umarme Dich herzlichst.

 

gez. Dr. Adenauer
(Oberbürgermeister)

 

 

Quelle: StBKAH 07.01. Abgedruckt in: Adenauer. Briefe 1945-1947 (Rhöndorfer Ausgabe). Hg. von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz. Bearb. von Hans Peter Mensing. Berlin 1983, S. 48f.