28. Juni 1959

Ansprache beim Schlesiertreffen in Köln

Recht auf die Heimat

 

Meine lieben Schlesier!

Im Namen der Bundesregierung heiße ich Sie an diesem, Ihrem Tage von ganzem Herzen willkommen. Auch ich darf Ihnen dafür danken, dass Sie die Reise hierher nicht gescheut haben und so zahlreich gekommen sind. Denn nichts kann, glaube ich, im Inland und im Ausland Ihre Treue zur Heimat besser und mehr versinnbildlichen als dieses Treffen, das Hunderttausende besuchen.

Auf dem Schlesiertag ist von der völkerrechtlichen Lage gesprochen worden. Herr Botschafter Jänicke hat über das Recht auf die Heimat gesprochen. Dieses Recht auf die Heimat und den Willen und das Recht, zu betonen, dass niemals ohne einen Vertrag ein Stück des geteilten Deutschen Reichs von uns genommen werden darf, muss ich hier nochmals der ganzen Welt gegenüber stark unterstreichen.

(Starker Beifall.)

Meine Freunde! Dieser Friedensvertrag, der eines Tages doch kommen muss, hängt eng zusammen mit der Regelung der Fragen, die zurzeit die ganze Welt in Erregung halten, und dieser Zustand in der Welt verkrampft sich leider immer mehr. Die Verhandlungen in der ersten Phase der Genfer Konferenz haben das jedem gezeigt. Hier möchte ich betonen, weil das ein Trost für uns alle ist, dass unsere westlichen Verbündeten in Genf die deutsche Sache und die deutschen Ansprüche in bezug auf Berlin ausgezeichnet vertreten haben.

(Starker Beifall.)

Mit einer gewissen Sorge, meine Freunde, beobachten wir die ausgedehnte Propaganda, die von russischer Seite in den Ländern der mit uns alliierten Mächte getrieben wird. Dort wird hingewiesen auf einen Krieg, der jetzt doch viele Jahre zurückliegt, und man versucht dort, gerade den Deutschen - bei dem Versuch, der Welt den Frieden zu bringen - wieder als den Störenfried darzustellen. Nun, ich glaube, wir können in aller Kraft und in aller Offenheit darauf hinweisen, dass dieses neue Deutschland ein Deutschland des Friedens ist, und dass es nicht gesonnen ist, irgendwie den Frieden zu brechen, dass es auch nicht daran denkt, irgendwie eine Kriegspropaganda irgendwelcher Art zu unterstützen.

Ich greife auch das Wort auf, das Herr Botschafter Jänicke gesagt hat, und betone gerade auch vor Ihnen, dass dieses neue Deutschland mit dem polnischen Volk dereinst in gute, in nachbarschaftliche Verhältnisse zu treten wünscht.

(Starker Beifall.)

Ich sage ausdrücklich mit dem polnischen Volke, denn wir wissen, dass die jetzigen Machthaber Polens unverbrüchliche Anhänger von Moskau sind. Wir wissen aber auch, dass das polnische Volk auf christlicher Grundlage und in Freiheit leben will so wie wir.

(Starker Beifall.)

Ich wünschte, ich könnte heute vor Sie hintreten und Ihnen sagen: das Ende Ihrer und das Ende unserer Prüfungszeit ist in Sicht. Es würde nicht meiner Überzeugung entsprechen, wenn ich das aussprechen würde, und kein Mensch auf der Erde ist in der Lage, irgendeine solche Prophezeiung heute auszusprechen. Aber die stärkste Waffe des Besiegten ist und bleibt die Geduld. Die stärkste Waffe ist ein zuverlässiger ethischer Glaube an die Heimat und an das eigene Volk.

(Starker Beifall.)

Ich hoffe, dass doch eines Tages eine Milderung der Gegensätze, der Schwierigkeiten der jetzt gezogenen Grenzen eintreten wird, wie sie in Westeuropa eingetreten ist, wenn die europäische Vereinigung auch übergreifen darf auf die osteuropäischen Völker.

(Beifall.)

Meine Freunde, glauben Sie mir, der Tag wird kommen, da dieses Europa in West und in Ost ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln wird, das Spaltungen und Gegensätze überwindet. Das Heimatgefühl, meine Freunde, hat Sie alle hierher geführt, die Liebe zu Ihrer schönen Heimat, und zu meiner sehr großen Freude sehe ich an dem zahlreichen Erscheinen der jungen Menschen, dass dieses Heimatgefühl auch in der schlesischen Jugend stark und lebendig ist.

Das Heimatgefühl beruht auf einer ethischen Grundlage, und letzten Endes sind die ethischen Grundlagen, die ethischen Werte, auch beim Ringen der Welt das Stärkste, und sie werden sich als das Stärkste auch in Zukunft erweisen. Wenn ich nicht vor Sie treten kann und Ihnen sagen kann, das Ende unserer Prüfungszeit kommt in naher Sicht, so darf ich Ihnen doch heute sagen: In diesen Jahren seit 1945 haben wir letzten Endes in einem Teile Deutschlands, in der Bundesrepublik, und damit auch dem größten Teil von Ihnen, Frieden und Freiheit gerettet.

(Beifall.)

Es wird nach meiner Überzeugung ein geschichtliches Verdienst des deutschen Volkes bleiben, dass es nach der Enttäuschung durch den Nationalsozialismus, nach diesem schrecklichen Kriege, nach diesem Zusammenbruch, nicht in das Gegenteil verfallen ist und auf ihn nicht geantwortet hat mit einem wilden, auch nicht mit einem kommunistischen Nationalismus. Ich glaube, die freien Völker des Westens müssen und werden dieses große Verdienst des neuen Deutschlands anerkennen.

Heimat, Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit - das soll Ihre und unsere Losung sein bei der Arbeit der kommenden Jahre. Das walte Gott!

(Starker, anhaltender Beifall.)

 

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Nr. 114, 30. Juni 1959.