28. September 1950

Schreiben des Bundeskanzlers Adenauer an den amerikanischen Hohen Kommissar für Deutschland, McCloy

 

Herr Hoher Kommissar!

In Beantwortung Ihres Schreibens vom 31. August 1950 zur Frage der Ausfuhrkontrolle möchte ich Ihnen versichern, daß die Bundesregierung allen Maßnahmen der Regierung der Vereinigten Staaten, den Handel mit dem Ostblock der augenblicklichen internationalen Lage anzupassen, vollstes Verständnis entgegenbringt und entschlossen ist, mit ihrer Regierung auch weiterhin auf diesem Gebiete aufs engste zusammenzuarbeiten. Die Bundesregierung steht nach wie vor auf dem Standpunkt, daß trotz der Bedeutung des deutschen Außenhandels mit dem Osten die Sicherheit der westlichen Welt den Handelsinteressen der einzelnen Staaten vorangehen muß. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich mich auch persönlich stets dafür einsetzen werde, daß diesem Grundsatz von allen beteiligten Behörden der Bundesrepublik im Sinne einer wirksameren Handhabung des gegenwärtigen Kontrollsystems Rechnung getragen wird.

Die Bundesregierung ist stets bestrebt gewesen, sich in ihren Entscheidungen von dem eingangs erwähnten Grundsatz leiten zu lassen. Eine Überprüfung der Genehmigungspraxis der zuständigen deutschen Behörden hat ergeben, daß diese ihre Tätigkeit stets in engster Zusammenarbeit mit der Export Control Working Party ausgeübt haben. Bei den neben der laufenden Fühlungsnahme monatlich durchgeführten Überprüfungen sämtlicher in deutscher Zuständigkeit erteilten Genehmigungen durch die Export Control Working Party haben sich, abgesehen von wenigen Unklarheiten bei einzelnen Anträgen, die jeweils sofort aufgeklärt worden sind, keinerlei Beanstandungen ergeben. Insbesondere ist niemals die für die einzelnen Positionen genehmigte Gesamtmenge beanstandet worden.

Zu dem in Ihrem Schreiben enthaltenen Hinweis, daß deutsche Stellen in verschiedenen Fällen Ausfuhrlizenzen für Materialien erteilt hätten, deren Ausfuhr verboten ist, darf ich bemerken, daß die Genehmigung der Ausfuhr dieser Materialien, die in der sogenannten "I A-Liste" zusammengefaßt sind, nicht deutscher Zuständigkeit unterliegt. Es hat sich auch bei einer Reihe der in letzter Zeit an der Grenze zunächst angehaltenen Sendungen herausgestellt, daß für diese Sendungen Ausfuhrgenehmigungen der alliierten Stellen vorgelegen haben.

Zu Ihrer Besorgnis, daß Grenzbeamte nur eine schwache oder überhaupt keine Kontrolle an den Grenzstellen ausüben, erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß es vornehmliche Aufgabe der Grenzstellen ist, zu überprüfen, ob die Ausfuhrgüter mit den Angaben in den Ausfuhrpapieren übereinstimmen und gegebenenfalls die erforderliche alliierte oder deutsche Genehmigung vorliegt. Diese Funktion der Grenzstellen wird allerdings dadurch erschwert, daß die Fassung der Vorbehaltslisten, deren endgültige Festlegung noch in Paris erörtert wird, leider in vielen Punkten so ungenau ist, daß es für einen Grenzbeamten überaus schwierig ist, festzustellen, ob die Ware unter die betreffende Nummer der Vorbehaltsliste fällt oder nicht. Darüber hinausgehende Entscheidungen, wie etwa die Prüfung, ob es sich um eine "reasonable or unreasonable quantity" handelt, können jedoch nicht den Zollstellen überlassen werden, sondern sind von der zuständigen Lizensierungsstelle zu treffen.

Anschließend beehre ich mich, Eurer Exzellenz nochmals zu erklären, daß die Bundesregierung nach wie vor von der Notwendigkeit einer Beschränkung der Ausfuhr strategischen Materials aus Deutschland nach dem unter kommunistischer Kontrolle stehenden Gebiet überzeugt ist und stets in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den West-Staaten alle Maßnahmen ergreifen wird, die erforderlich sind, um dieses Ziel zu erreichen. Aus diesem Bestreben heraus ist die Bundesregierung daher auch den Vorschlägen der Alliierten Hohen Kommission in den Schreiben AGSEC(50)1888 vom 31. August 1950 und AGSEC(50)1945/FOREX vom 8. September 1950 bereitwilligst nachgekommen. Die zuständigen Stellen sind angewiesen, in allen Fragen der Ausfuhr nach dem Osten weiterhin engste Fühlung mit der Export Control Working Party zu halten und sich in allen schwierigen Fällen vorher mit ihr abzustimmen.

Die Bundesregierung ist gewillt, in der deutschen Öffentlichkeit das notwendige Verständnis für diese Kontrollmaßnahmen zu wecken. Diese Aufgabe würde ihr wesentlich erleichtert werden, wenn sie hierbei mit Zustimmung der Alliierten Hohen Kommission darauf hinweisen könnte, daß die Bundesrepublik in allen Fragen des Osthandels den gleichen Beschränkungen, zum Beispiel hinsichtlich des Umfanges der Vorbehaltslisten, unterliegt, denen auch die anderen West-Staaten unterworfen sind.

Genehmigen Sie, Herr Hoher Kommissar, den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.

gez. Adenauer

 

Quelle: BArch, VS-B 102/5.