3. Oktober 1951

Schreiben des Bundeskanzlers Konrad Adenauer an den Geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission, Sir Ivone Kirkpatrick

 

Herr Hoher Kommissar,

die Bundesregierung hat in ihren Erklärungen vom 22. März 1950, vom 14. September 1950 und vom 9. März 1951 die Abhaltung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen in ganz Deutschland zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung vorgeschlagen. Dabei hat sie gleichzeitig die unerlässlichen Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen festgelegt. In meinem Schreiben an den Geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission vom 9. März ds. Js. hatte ich die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen gebeten, bei Verhandlungen der vier Besatzungsmächte über die deutsche Frage diese Forderungen der Bundesregierung hinsichtlich der rechtlichen und psychologischen Voraussetzungen für die Abhaltung freier Wahlen durchzusetzen.

Die Bundesregierung wiederholt nunmehr diesen Vorschlag und richtet an die Regierungen der vier Besatzungsmächte die Aufforderung, dem deutschen Volk baldigst Gelegenheit zu geben, durch Wahlen, die unter internationaler Kontrolle durchzuführen sind, eine verfassungs- und gesetzgebende sowie regierungsbildende und kontrollierende Nationalversammlung für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlin zu wählen. Die Bundesregierung wird in Bälde in der Lage sein, der Alliierten Hohen Kommission eine Wahlordnung für gesamtdeutsche Wahlen zuzuleiten, die die Durchführung einer freien Wahl ermöglicht. Der wesentliche Inhalt der Wahlordnung ist bereits in der Regierungserklärung vom 27. September 1951 enthalten.

Die Bundesregierung fühlt sich verpflichtet, alles zu tun, um Gewissheit zu schaffen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen für die Abhaltung der von ihr vorgeschlagenen gesamtdeutschen Wahlen gegeben sind. Das kann vor der Weltöffentlichkeit nur dadurch geschehen, dass eine neutrale internationale Kommission unter der Kontrolle der Vereinten Nationen in der Sowjetzone und auf dem Gebiet der Bundesrepublik untersucht, inwieweit die bestehenden Verhältnisse die Abhaltung freier Wahlen ermöglichen. Die Bundesregierung beantragt, eine entsprechende internationale Untersuchung für das Bundesgebiet unverzüglich durchzuführen und bittet die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen, die Bildung einer solchen Kommission möglichst bald bei den Vereinten Nationen in Vorschlag zu bringen. Die Bundesregierung wird einer solchen Kommission die Durchführung ihrer Aufgabe in jeder Weise erleichtern, ihr insbesondere Zugang zu allen Stellen der Bundes- und Länderverwaltungen und Einsicht in alle amtlichen Akten und Dokumente geben, deren sie zur Erfüllung ihres Auftrags bedarf.

Genehmigen Sie, Herr Hoher Kommissar, den Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hochachtung.

gez. Adenauer

 

Quelle: Mitteilung an die Presse Nr. 892/51 vom 5. Oktober 1951, Presse- und Informationsamt der Bundes­regierung, Pressearchiv F 25.