30. Dezember 1958

Freiheit, Sicherheit, Frieden und Einheit

Von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer, Erster Vorsitzender der Christlich Demokratischen Union Deutschlands

 

An der Schwelle des neuen Jahres mag sich mancher sorgenvoll fragen, ob es den freien Völkern auch 1959 gelingen wird, alle ihre Posi­tionen gegenüber dem Bolschewismus zu behaupten. Die ultimativen Vorschläge der Sowjetregierung für einen neuen Status Berlins lassen erkennen, dass der Kommunismus nach wie vor auf Ausdehnung bedacht ist, selbst dort, wo er so eindeutig abgelehnt wird wie in den soeben abgehaltenen Berliner Wahlen. Die Auseinandersetzung um Berlin geht nicht um diese Stadt allein, sie ist eine allgemeine deutsche Angelegenheit, und die Berliner sollen wissen, dass die Bundesrepublik zu ihnen steht. Berlin ist aber auch ein Prüfstein für die ge­samte freie Welt. Die mit uns im Nordatlantik-Pakt verbündeten Mächte haben das erkannt und auf ihrer letzten Tagung in Paris eindrucksvoll bekundet, dass sie die Freiheit verteidigen und den Forderungen der Sowjetunion mit Entschlossenheit begegnen werden. Wir danken für diese Haltung und wissen, dass der Kommunismus seine Ziele nicht erreichen wird, solange die freien Völker einig und stark sind.

Die Bundesrepublik ist mitverantwortlich dafür, dass Einigkeit und Stärke des westlichen Zusammenschlusses erhalten bleiben. Es darf bei uns nichts geschehen, was das Vertrauen unserer Verbündeten zu uns erschüttern könnte, und wir müssen unseren vollen Beitrag zum nordatlantischen Bündnis leisten, selbst unter Opfern.

Auch im neuen Jahr werden wir nicht aufhören, die Weltöffentlichkeit auf die Unterdrückung unserer Brüder und Schwestern in der Sowjetzone hinzuweisen und die Wiederherstellung der Freiheit in diesem Teile Deutschlands zu verlangen.

In der Zusammenarbeit mit unseren europäischen Freunden und Verbündeten gelten unsere besonderen Wünsche der Verwirklichung der Euro­päischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihrer notwendigen Ergänzung durch eine weitere wirtschaftliche Assoziation nach Art der sogenannten Freihandelszone, Durch die hier in der letzten Zeit aufge­tretenen Schwierigkeiten lassen wir uns nicht entmutigen. Die wirtschaftliche Einheit des freien Europa ist eine Notwendigkeit. Wir vertrauen auf den guten Willen aller Beteiligten und sind, soweit es auf uns selbst ankommt, bereit, das Zustandekommen einer Eini­gung nach Kräften zu fördern.

Innenpolitisch wird es in neuen Jahr besonders um die Fortsetzung des durch die Rentenreform eingeleiteten Werkes gehen. Unfallversicherung, Krankenversicherung, Alterssicherung in der Landwirtschaft und im Handwerk, Kriegsopferversorgung werden auf der Tagesordnung sein Gesetzentwürfe über Jugendarbeitsschutz, Kindergeld, Sparprämien, die Volksaktie, über Auslandsrenten und vieles andere werden zu beraten sein. Das besondere Bemühen der CDU/CSU und der von ihr hauptverantwortlich getragenen Bundesregierung wird der Förderung des Mittelstandes und der Gewährleistung einer gesunden Wirtschaftsordnung gelten. Die Überwindung der Krise im Kohlenbergbau und die Vermeidung ungesunder Konzentrationsbestrebungen in der Wirtschaft werden mit allen Kräften anzustreben sein.

Das Jahr 1958 hat der CDU/CSU in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Bayern eindrucksvolle Wahlerfolge gebracht. Auch in Hessen und Berlin hat unsere Partei ihren Stimmenanteil erheblich vergrößern können. Ich bin sicher, dass im neuen Jahr auch die Wahlen in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz unsere Politik bestätigen werden. Wir müssen uns freilich bewusst bleiben, dass wir das Vertrauen der Wähler ständig neu erwerben und rechtfertigen müssen. Leben und Organisation unserer Partei müssen unseren Wahlerfolgen entsprechen.

Wir haben die berechtigte Hoffnung, dass alle Deutschen in der Ab­wehr der kommunistischen Bedrohung einig sein werden, ungeachtet aller sonstigen Meinungsverschiedenheiten.

Die Ziele unserer Politik stehen auch für das neue Jahr unverrückbar fest: Freiheit, Sicherheit, Frieden und Einheit.

 

Quelle: Deutschland-Union-Dienst. Jg. 12, Nr. 248 vom 30.12.1958, S. 1-3.