30. Mai 1919

Sitzung des westdeutschen politischen Ausschusses in Köln

Anwesend: Oberbürgermeister Adenauer, Vorsitzender;
die Abgeordneten Falk, Hess, Kaas, Sollmann, Weidtmann, Mitglieder;
Frau Abgeordnete Teusch als Zuhörerin;
Hauptmann Schwink, deutscher Generalstabsoffizier für den Brückenkopf Köln.

Oberbürgermeister Adenauer: Als wir nach der Sitzung vom 1. Februar auseinandergingen, stand die Frage, ob auf dem verfassungsmäßigen Wege eine Änderung der Bundesstaaten möglich sei, auf der Tagesordnung der Nationalversammlung bzw. ihres Ausschusses, und ich war der Auffassung, dass die Frage, ob eine Rheinische oder eine Rheinisch-Westfälische Republik im Rahmen des Deutschen Reiches zu gründen sei oder nicht, zunächst eine Frage von innerpolitischer Bedeutung sei und dass es daher nicht angebracht sei, über diese Frage überhaupt zu sprechen, ehe von den verfassungsmäßigen Organen im Wege der Gesetzgebung die Möglichkeit dazu geschaffen wäre, oder falls sie nicht geschaffen werde, der verfassungsmäßige Weg damit er­ledigt sei. Ich glaubte deshalb, dass es nicht zweckmäßig wäre, diesen Aus­schuß vor der Lösung der gesetzlichen Frage zusammenzuberufen, weil in unserem Schoße zu verschiedene Meinungen über diese Frage bestehen und ich mir eine fruchtbringende Verhandlung von einer Sitzung nicht versprechen konnte. Ich habe mich als Vorsitzender des Ausschusses darauf beschränkt, mich mit den Herren in Weimar, namentlich auch mit den Herren Abge­ordneten Trimborn und Meerfeld, in Verbindung zu halten und mich von diesen über die Entwicklung der Frage informieren zu lassen. Nun hätte ich den Ausschuß ja aus einem anderen Grunde - aus außenpolitischen Grün­den - einberufen können. Das habe ich aber ebenfalls nicht für richtig ge­halten, das würde schon nach außen einen falschen Eindruck hervorrufen, und die außenpolitische Seite dieser ganzen Frage ist derart diffizil, dass man nach meiner Meinung überhaupt nur mit der allergrößten Vorsicht an sie heran­gehen kann. Ich glaubte nunmehr aber, da die Verhältnisse sich jetzt so zu­gespitzt haben, dass eine Aussprache, namentlich über das, was innerhalb der letzten 8 oder 14 Tage geschehen ist, stattfinden muss. Ich habe mir daher erlaubt, Sie zu der heutigen Sitzung, allerdings mit etwas kurzer Frist, ein­zuladen. Entschuldigt haben sich die Herren Schmittmann, der krank ist, dann Herr Meerfeld, der ebenfalls noch krank ist, und schließlich hat Herr Hess telegraphiert, dass er mit dem Spazuge hier einträfe. Von Herrn Trim­born habe ich nichts gehört. Dann ist noch hier die Abgeordnete Fräulein Teusch; sie hat gebeten, in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete den Verhand­lungen als Zuhörerin beiwohnen zu dürfen.

Abgeordneter Falk: Ich bin durchaus damit einverstanden, dass Frau Teusch als Zuhörer hier teilnimmt, bitte aber, daraus nicht einen Präzedenzfall zu schaffen, denn es wäre möglich, dass in anderen Fällen der Zulassung von Zu­hörern widersprochen werden müsste.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich habe weiter folgende Dispositionen ge­troffen. Ich habe aus Versailles einen Herrn hierher gebeten, um sich hier die nötigen Informationen einzuholen. Herr Dr. von Becker wird mit dem Zuge um 1 Uhr hier eintreffen, also gegen halb 2 Uhr hier sein. Ferner habe ich Herrn Hauptmann Schwink gebeten, hierhin zu kommen, weil er es gewesen ist, der in der Sache Kastert und Kuckhoff die verschiedenen Schriftstücke an die maßgebenden deutschen Stellen weitergegeben hat. Endlich habe ich Herrn Kastert gebeten, sich bereitzuhalten und auf telefonischen Anruf hier­hin zu kommen. Ich habe das für den Fall getan, dass der Ausschuß den Wunsch hat, von Herrn Kastert positive Äußerungen über irgendwelche Fra­gen zu erhalten. Ich höre eben von Herrn Hauptmann Schwink, dass Herr Legationsrat Trautmann aus Spa um 1 Uhr bei Herrn Hauptmann Schwink vorsprechen wird. Wir würden also Gelegenheit haben, auch diesen Herrn hier zu sprechen.

Abgeordneter Falk: Kann Herr Trautmann Sie nicht auf dem Rathause aufsuchen, um Zeit zu ersparen?

Hauptmann Schwink: Er spricht auf dem Gouvernement vor. Wir haben ja doch wohl um die Zeit eine kleine Pause, so dass ich dorthin gehen kann.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich möchte nun darauf eingehen, was sich in den letzten 14 Tagen ereignet hat. Ich war bis Dienstag voriger Woche in Berlin und erhielt in Berlin am Sonntag früh durch einen besonderen Kurier ein Schriftstück von Herrn Hauptmann Schwink zugeschickt, das ich gleich verlesen werde. Dieses Schriftstück ist eine Niederschrift des Herrn Haupt­mann Schwink über seine Unterredung mit Herrn Froberger, an der auch Hauptmann Rostan, französischer Zensurchef in Aachen, teilgenommen hat und an deren Schluß es heißt, dass Herr Froberger aufgefordert worden sei, nach Mainz zu fahren zum General Mangin. Das Schriftstück erschien mir so bedeutungsvoll, dass ich nach Rücksprache mit Herrn Justiz-Minister Am Zehnhoff am Sonntag früh 10 Uhr zum Ministerpräsidenten gegangen bin. Der Herr Ministerpräsident war verhindert, uns zu empfangen, wir hatten aber Gelegenheit, mit Herrn Unterstaatssekretär Albert zu sprechen. Ich habe die­sem Herrn das Schriftstück übergeben und ihn auf die Wichtigkeit der Sache aufmerksam gemacht. Ich habe ihm ferner erklärt, dass ich Herrn Scheide­mann, falls er mich sprechen wolle, den ganzen Tag zur Verfügung stehe. Montag morgen um 8 Uhr wurde ich von Herrn Am Zehnhoff angerufen, ob ich mich mit Herrn Scheidemann in Verbindung gesetzt habe. Ich erklärte ihm: „Nein." Daraufhin erhielt ich um 10 Uhr Gelegenheit, mit dem Mini­sterpräsidenten zu sprechen, wobei ich feststellen konnte, dass Herr Scheide­mann in der ganzen Sache überhaupt noch nicht informiert war, obwohl er das Schriftstück vor sich liegen hatte. Der Besprechung wohnten außer dem Ministerpräsidenten der Unterstaatssekretär Albert, Geheimrat Tigges vom Justizministerium und ich bei.

Ich habe Herrn Scheidemann dann Mitteilung gemacht von einer Unterredung, die ich 8 Tage früher mit dem General Clive, Vertreter des englischen Gouverneurs, hatte. Herr General Clive ist nach meiner Erfahrung ein sehr achtenswerter Mann, und ich bin überzeugt, dass er bewußt die Unwahrheit nicht sagt. Herr Hauptmann Schwink hat ihn jedenfalls auch kennengelernt und wird meine Ansicht bestätigen. Bei der Unterredung mit Herrn General Clive war auch Oberst Ryan zugegen, ein sehr kluger englischer Offizier, von dem ich glaube, dass er ein loyaler Mensch ist, der keine Unwahrheit sagt. Ich war zu diesen englischen Offizieren ge­gangen, um Beschwerde zu führen über die schweren Verletzungen, die ein Gymnasiast in Lindenthal durch einen britischen Offizier erlitten hatte. General Clive fing sofort an von der Rheinischen Republik zu sprechen und wies auf die Besprechung in Mainz hin. Ich habe ihm gesagt, er kenne meine prinzipielle Stellungnahme zu der ganzen Frage, und ich hielt es für einen Deutschen für unwürdig und gemein, in dem jetzigen Stadium überhaupt von dieser Frage zu sprechen. General Clive gab das zu. Er kam aber im Laufe des Gesprächs wieder darauf zurück und erklärte schließlich folgendes: Meine Ausführungen, die ich in Ihrem Kreise am 1. Februar ds. Js. gemacht habe, die seinerzeit stenographisch aufgenommen wurden und von denen eine Reihe von Herren einen Abdruck bekommen haben, seien in ihre Hände gekommen. Sie seien von ihnen übersetzt und mit Kommentar versehen 4 Wochen später nach London gegangen. Dort hätten sich die maßgebenden politischen Persönlichkeiten damit beschäftigt. Diese hätten die dort ausge­führten Gedanken im wesentlichen gebilligt, und England sei bereit, wenn eine Westdeutsche Republik im Rahmen des Deutschen Reiches errichtet würde, wesentliche Konzessionen für das übrige Deutschland im Friedens­vertrag zu machen. Ich habe dann General Clive gefragt, ob das die Ansicht maßgebender englischer Kreise sei. Er hat mir das bejaht. Dann habe ich gefragt, ob auch kein Mißverständnis darüber bestehe, dass diese Republik nur im Rahmen des Deutschen Reiches errichtet werden könne. Er hat diese Frage ebenfalls bejaht. Dann habe ich ihn gefragt, ob ich von diesen seinen Mitteilungen deutschen Staatsmännern gegenüber Gebrauch machen dürfe, und er hat mir erklärt, dass ich das tun dürfe. Er wußte auch, dass ich an dem­selben Abend nach Berlin fahren würde.

Ich habe dann von diesem Gespräch mit dem General Clive Herrn Scheidemann in Berlin erzählt und habe ihm auch gesagt, dass ich den General Clive für einen durchaus anständigen und ehrlichen Mann hielt und dass es sich nach meiner Meinung empfehlen würde, festzustellen, ob auf diesem Wege wirklich etwas für Deutschland zu erreichen sei. Der Ministerpräsident verhielt sich jedoch demgegenüber ablehnend. Ich habe ihm dabei weiter erklärt, dass, wenn der Friedensvertrag so, wie er vorgeschlagen sei, unterschrieben würde und die Entente dadurch das Recht bekäme, hier eine Zollgrenze zu errichten, und weiter das Recht bekäme, auf 15 Jahre oder darüber hinaus auf unbestimmte Zeit die Rhein­lande besetzt zu halten mit der Befugnis, in die Verwaltung einzugreifen, dass dann nach meiner festen Überzeugung das Rheinland für Deutschland ver­loren sei. Herr Scheidemann wollte das nicht gelten lassen. Er meinte, es würden die Arbeiter deswegen Widerstand leisten, weil sie in Deutschland andere, für sie bessere soziale Gesetze hätten als in Frankreich und England. Ich habe ihm darauf erwidert, er möge die Gefahr doch unter keinen Um­ständen zu gering einschätzen; ich sei der Überzeugung, dass Frankreich und England in den nächsten Jahren ebenfalls eine starke soziale Entwicklung durchmachen würden und dass die dortigen Arbeiter mit Erfolg darauf dringen würden, eine ähnliche soziale Gesetzgebung zu erhalten, wie Deutschland sie habe, so dass die Arbeiter dieses Interesse, bei Deutschland zu bleiben, nicht mehr hätten. Das gab Herr Scheidemann mir zu, erklärte aber schließ­lich, die Entente treibe doch nur Spiegelfechterei und würde doch nicht bereit sein, wenn schließlich eine Westdeutsche Republik da sei, wesentliche Be­dingungen des Friedensvertrages zu mildern.

Unterstaatssekretär Albert kam - allerdings aus anderen Gründen - zu demselben Resultat wie Herr Scheide­mann. Er erklärte, dass er die optimistische Ansicht des Ministerpräsidenten über das Verbleiben der Rheinprovinz bei Deutschland nicht teile, auch nach seiner Überzeugung sei die Rheinprovinz verloren. Er sei aber auch der Auf­fassung, dass eine Westdeutsche Republik auch als Bundesstaat des Deutschen Reiches, da sie wirtschaftlich von der Entente abhängig sei, ebenfalls verloren sei. Und da die Westdeutsche Republik auch Teile des rechten Rheinufers umfassen würde, so würde in diesem Falle ein größerer Länderteil für Deutschland verloren sein, als das jetzt besetzte Gebiet einschließlich der Brückenköpfe ausmache. Ich habe Herrn Albert erwidert, dass ich diese Logik nicht einsehen würde, ich könne nicht verstehen, warum dieser westdeutsche Bundesstaat oder die Westdeutsche Republik von der Entente wirtschaftlich abhängig sein würde, da sie doch innerhalb der Zollgrenze des Deutschen Reiches liege; er möchte doch einmal die Gründe für seine Ansicht angeben. Darauf konnte er nichts anderes erwidern, als dass die Entente durch günsti­gere Gestaltung des Verkehrs und der Fracht- und Eisenbahntarife eine der­artige Einwirkung machen würde. Ich erachtete diese Beweisführung für außerordentlich schwach, denn ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Bun­desstaat innerhalb des Deutschen Reiches nur deshalb vom Deutschen Reiche weggehen könnte, weil ihm von einem anderen Staate für seine Güter bessere Frachttarife eingeräumt werden.

Abgeordneter Falk: Sie sind davon ausgegangen, dass das Rheinland vom Feinde geräumt wird, wenigstens in kurzer Zeit?

Oberbürgermeister Adenauer: Ja, vielleicht in ein paar Monaten, und dass kein Eingriff in die Verwaltungen erfolgt und keine Zollgrenze hier errichtet wird. Die Unterredung schloß damit, dass mir Herr Albert vorschlug, es sähe nicht schön aus, wenn die Regierung die Sache in die Hand nähme, und ich solle den Versuch machen, durch Verhandlung mit General Clive festzustellen, was für die Rheinprovinz dabei herauskäme. Ich habe darauf meiner festen Überzeugung Ausdruck gegeben, dass, wenn ich dem General Clive das sagte, er jedes Vertrauen zu mir verlieren und ich dann gar nichts mehr von ihm hören würde. Ich habe Herrn Scheidemann dann versprochen, falls ich irgend etwas hören sollte, ihm darüber Mitteilung zu machen. Damit sind wir auseinandergegangen.

Dann kam ich nach Köln zurück und erfuhr, dass Herr Hauptmann Schwink mir noch einen zweiten Brief nach Berlin gesandt hatte, den ich übrigens bis jetzt noch nicht erhalten habe. Erst Donnerstag ist mir eine Abschrift dieses zweiten Briefes übersandt worden, der ebenfalls nachher verlesen wird. Dann kam Herr Froberger zu mir. Ich hatte ihn telefonisch bitten lassen, einmal zu mir zu kommen. Er kam am Freitag, dem 23. Mai. Ich habe ihm im wesent­lichen das wiederholt, was ich eben gesagt habe, und habe ihm meine schwe­ren Bedenken darüber geäußert, dass er mit Leuten wie Staatsanwalt Dorten aus Wiesbaden und Salm aus Aachen zum General Mangin fährt. Herr Fro­berger erzählte mir dabei, dass bei der Unterhaltung mit General Mangin der Staatsanwalt Dorten erklärt habe: „Notre coeur appartient à la Françe", und dass General Mangin das mit der Bemerkung quittiert habe: „Das ist eine Phrase." Ich habe Herrn Froberger gesagt, 1. dass er sich dadurch, dass er mit diesen Leuten nach Mainz gefahren sei, sehr kompromittiert habe - Herr Froberger sagte dazu, er hätte dadurch sehr böse Sachen, die durch die Leute sonst hervorgerufen worden wären, zurückgehalten -, und 2. sagte ich ihm, dass er natürlich gar kein Recht habe, einen solchen Schritt zu tun, sondern das sei Sache der Reichsregierung.

An einem der folgenden Tage - es war am Dienstag, dem 27. Mai - kamen dann die Herren Kastert und Kuckhoff zu mir, und zwar ließ Herr Froberger in meinem Vorzimmer anfragen, ob ich bereit wäre, die Herren zu empfan­gen. Es ist Ihnen ja bekannt, dass ich mit Herrn Kastert im März eine Ausein­andersetzung in einer persönlichen Angelegenheit gehabt habe.

Abgeordneter Falk: Diese persönliche Angelegenheit zwischen Ihnen und Herrn Kastert beruhte wohl darauf, dass Herr Kastert Ihnen eine Äußerung in den Mund gelegt hat, die Sie bestritten, getan zu haben?

Oberbürgermeister Adenauer: Es handelte sich damals um die Kasino­geschichte im März. Von dieser Sitzung habe ich nichts gewußt und deshalb dem Herrn Kastert in einer daraufhin veranlaßten Unterredung die größten Vorwürfe gemacht. Zum Schlusse der Unterhaltung habe ich gefragt: „Wen haben Sie denn eigentlich eingeladen?" Und da ergab sich, dass die Sozial­demokraten und auch die Kölnische Zeitung nicht eingeladen waren. Ich sagte darauf: „Um Gottes willen, laden Sie doch auch die Zeitungen ein, besonders auch die Kölnische Zeitung und die Rheinische Zeitung und vor allen Dingen auch Herrn Abgeordneten Meerfeld." Und dann erklärte Herr Kastert zwei Stunden später, ich sei einverstanden!

Abgeordneter Falk: Das Wesentliche ist für mich, dass Herr Kastert Ihnen eine Äußerung in den Mund gelegt hat, die Sie leugnen, getan zu haben.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich habe daraufhin nochmals die Herren von der Kölnischen Volkszeitung zu mir gebeten und sie befragt. Sie haben mir erklärt: Daraus, dass ich geraten habe, Herrn Meerfeld einzuladen, hätten sie entnommen, dass ich einverstanden wäre.

Abgeordneter Falk: Sie werden nachher hören, weshalb ich diese Fest­stellungen mache. Dazu habe ich allerdings den Bericht der Kölnischen Volks­zeitung nötig.

Oberbürgermeister Adenauer: Den habe ich hier. Also am vorigen Dienstag kamen die Herren Kastert und Kuckhoff zu mir und gaben mir ganz andere Vorschläge, die sie dem General Mangin über­reicht hätten, als sie in der Niederschrift über die Unterredung mit Herrn Froberger enthalten sind. Ich habe den Herren auch dabei wieder gesagt, was ich Herrn Froberger bereits gesagt hatte, nämlich dass sie dadurch, dass sie mit solchen Leuten, wie Salm und Dorten, zusammen machten, sich selbst kompromittierten, denn das seien Vaterlandsverräter, und es wäre sehr gefährlich, solche detaillierte Sachen zu machen. Dann kam Herr Chef­redakteur Posse zu mir. Ich habe Herrn Posse gezeigt, was mir die Herren dagelassen hatten. Darauf erklärte Herr Posse: „Ja, wenn das wahr wäre, was darin steht, so könnte man über die ganze Sache sprechen." Ich habe dann Herrn Posse gebeten, er möchte dafür sorgen, dass das, was ich den Herren geraten hätte, von der französischen Regierung festgelegt würde. Dann habe ich nachträglich noch auf dem Wege über Herrn Hauptmann Schwink eine sehr bedeutungsvolle Erklärung bekommen, die Sie wahrscheinlich auch noch nicht wissen, die aber gleich ebenfalls verlesen wird. Das ist alles, was ich von der ganzen Geschichte weiß. Ich höre zu meinem großen Erstaunen von Fräulein Teusch, dass der Reichsminister Erzberger in einer Besprechung am vorigen Dienstag erklärt hat, die Kölnische Volkszeitung habe nach Berlin telegraphiert, ich sei mit der ganzen Sache Kastert-Kuckhoff einverstanden. Dabei hören Sie, dass ich von der ganzen Sache nichts gewußt habe, dass ich zu der Zeit in Berlin war, dass ich die Herren Kastert und Kuckhoff am ver­gangenen Dienstag zum ersten Male gesehen habe und ich ihnen dabei sofort meine großen Bedenken geäußert und ihnen gesagt habe, dass sie sich durch ihr Zusammengehen mit den Herren Salm und Dorten kompromittiert hätten.

Abgeordneter Hess: So lautet das Telegramm nicht, sondern es heißt, die Herren hätten sich nachträglich mit Ihnen benommen, und zwar am Dienstag dieser Woche, und Sie hätten sich mit dem ganzen Vorgehen durchaus ein­verstanden erklärt und deckten die ganze Sache.

Abgeordneter Sollmann: Ich meine, diese Bekundung ist etwas ganz Un­geheuerliches. Ich habe auch den Herrn Oberbürgermeister gesprochen, und zwar in Anwesenheit der Herren Falk und Mönnig, und da hat Herr Adenauer in den unzweideutigsten Ausdrücken das Vorgehen der Herren in Mainz verurteilt.

Oberbürgermeister Adenauer: Darüber kann man auch nur eine Meinung haben. Ich habe den Herren Kastert und Kuckhoff gesagt: „Sie haben sich dadurch, dass Sie mit den Leuten aus Aachen und Wiesbaden zusammen vorgegangen sind, sehr kompromittiert." Dass ich ihnen nicht gesagt habe, sie seien Verräter, das werden Sie verstehen. Ich halte es für sehr gefährlich, derartige detaillierte Vorschläge zu machen. Ich habe ihnen weiter erklärt: „Wenn Deutschland auf diesem Wege einen günstigeren Frieden bekommen kann, so ist das natürlich gut, aber auf solche Weise läßt sich das gar nicht machen." Es kann also gar kein Zweifel darüber bestehen, dass ich in keiner Weise das Vorgehen der Herren Kastert und Kuckhoff gebilligt habe.

Abgeordneter Hess: Sie sagen, Sie hätten erklärt, wenn auf diesem Wege Abänderungen der Friedensbedingungen erreicht werden könnten, so wäre das gut. Sie haben aber jedenfalls mit keinem Wort das Vorgehen der Herren Kastert und Kuckhoff gebilligt?

Oberbürgermeister Adenauer: In keiner Weise und niemandem gegenüber.

Abgeordneter Falk: Am Montag hat eine nichtöffentliche Stadtverordneten­sitzung stattgefunden, in der wir uns über diese Sache ausgesprochen haben. Bei dieser Gelegenheit habe ich einen kleinen Zusammenstoß mit dem Herrn Oberbürgermeister gehabt. Ich habe also keinen Grund, zugunsten des Herrn Oberbürgermeisters zu färben, im Gegenteil, ich müsste eigentlich an dem Tage als Gegner des Herrn Adenauer erscheinen. Aber das kann ich sagen: Sein ganzer Vortrag war eine entschiedene Ablehnung des Vorgehens des Herrn Kastert und seiner Freunde. Das hat er ganz unzweideutig zum Aus­druck gebracht, und von allen Seiten wurde ihm deshalb Beifall gezollt; die ganze Stadtverordnetenversammlung, alle drei Fraktionen, alle Parteien waren damit einverstanden.

Abgeordneter Sollmann: Ich kann noch hinzufügen, Herr Mönnig war genau so überrascht wie wir.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich habe den Herren Kastert und Kuckhoff folgendes gesagt: „Das ist etwas ganz anderes, was Herr Froberger wieder­gegeben hat. Das ist unbedingt günstig für Deutschland." Ich habe den Leuten weiter gesagt, sie hätten sich kompromittiert, sie dürften so etwas überhaupt nicht machen. Das ist aber immer wieder dieselbe Geschichte: Die Herren kommen unaufgefordert zu mir, ich sage ihnen, das können sie nicht machen, und dann gehen sie hin und sagen, ich sei einverstanden. Ich habe das größte Bedenken, Herrn Kastert überhaupt noch einmal zu empfangen. Ich hatte ihn nur empfangen, um ihm zu sagen, dass er sich kompromittiert hätte.

Abgeordneter Kaas: Vielleicht wird es Sie interessieren, zu hören, dass auch mir gegenüber damit operiert wurde, Sie seien einverstanden und Sie wünsch­ten, mittun zu dürfen. Ich bekam von der Darstellung den Eindruck, als ob Sie fürchteten, den Anschluß zu verpassen; da die Sache in siegreichem Vor­gehen begriffen sei, so möchten Sie um Gottes willen dabei sein. Es wurde auch auf ein Schreiben von Dr. Froberger hingewiesen. Herr Dorten griff in die Tasche, als ob er das Schreiben herausnehmen wollte, er zeigte es mir aber im letzten Augenblicke nicht. Zur Erklärung schicke ich folgendes voraus. Sie haben in der Koblenzer Zeitung die Erklärung Loenartz' gelesen. Wir hatten durch Zufall von der Sache erfahren und hielten es für richtig, unsere Stellungnahme festzulegen. Ich bekam ein Telegramm von Loenartz, ich möchte nach Koblenz kommen in einer hochwichtigen Sache. In Koblenz wurde uns mitgeteilt, am Tage vorher sei ein Herr Nagel und ein Herr Salm aus Aachen dort gewesen, und zwar auf der Durchreise von Wiesbaden. Sie hätten dort Mitteilungen über die Unterredung mit General Mangin gemacht Nun haben wir sofort unseren Standpunkt dahin formuliert, dass unter kei­nen Umständen auf diesem Wege etwas getan werden dürfe. Ich betonte noch besonders, dass nach meiner Überzeugung die Regierung in Kenntnis gesetzt werden müsse und dass nach meiner Ansicht, wenn die Reichsregierung sich nach der Richtung einverstanden erkläre, die Grundform in dem Friedens­vertrag festgelegt werden müsse. Ich machte weiter Mitteilung über unseren Beschluß, der darin gipfelt, dass wir nur für eine Gründung der Rheinisch-Westfälischen Republik als Gliedstaat des Deutschen Reiches zu haben seien. Ich fuhr dann zurück nach Trier. Es hatte anfangs die Absicht bestanden, zu dieser Koblenzer Sitzung einige der Wiesbadener Herren einzuladen; sie konnten aber nicht kommen. Am folgenden Tage wurde ich nun von einem dieser Herren besucht. Der betreffende Herr verdient die Zensur, die ihm die Rheinische Zeitung hat zuteil werden lassen. Da ich jedoch nicht klar genug sah, besprach ich mit einem Freunde in Trier, Herrn Allekotte, die Sache, und wir beschlossen, nach Wiesbaden zu fahren, um Herrn Dorten persönlich kennenzulernen. Der Eindruck, den Dorten auf mich machte, war ein günstigerer, als der, den seine beiden Assistenten, ein Herr Krämer und ein gewisser Herr Klingenschmidt, Kunsthistoriker in Mainz, der sicher auch nicht ernst zu nehmen ist, machten. Wenn ich nun auf das komme, was Sie eben gesagt haben, so muss auch ich betonen, dass die Abmachung, die die Herren mir vorlegten, vom deutschen Standpunkte aus absolut einwandfrei ist. Mit aller Klarheit war darin ausgesprochen, dass die Rheinische Republik im Verbande des Deutschen Reiches bleiben müsse. Es war ferner darin aus­gesprochen, dass die Grenzen der zu errichtenden Republik die alten sein sollen. Damit war von selbst gegeben, dass das Saargebiet nicht von Deutsch­land getrennt würde und Eupen und Malmedy bei ihm bleiben sollen. Nur war die Möglichkeit vorgesehen, auf dem Wege der Volksabstimmung einige Grenzregulierungen vorzunehmen. Wir hätten denn vielleicht einige Wal­lonen verloren, sonst nichts. Nun erklärte Herr Dorten, es sei ein großer Erfolg, dass nur eine im Verbande des Deutschen Reiches bleibende West­deutsche Republik in Betracht kommen könnte. Ich muss sagen, dass ich da­mals angenehm enttäuscht war. Ich hatte auch in der Beziehung viel weiter gehende Befürchtungen. In dem Zusammenhange sagte Dorten, sie hätten ein Schreiben von Dr. Froberger erhalten, worin er mitteilt, dass Sie, Herr Oberbürgermeister, ganz auf ihrem Standpunkt ständen, und bat, das be­gründen zu dürfen.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich glaube nicht, dass Herr Froberger das von mir geschrieben hat.

Abgeordneter Kaas: Ich betone, dass Herr Dorten in die Tasche griff, als ob er mir das Schriftstück zeigen wollte. Gezeigt hat er es mir aber nicht.

Abgeordneter Sollmann: Herr Kollege Kaas sprach soeben von einer Nie­derschrift über die Abmachungen mit dem General Mangin, die von deut­schem Standpunkt aus absolut einwandfrei sein sollen. Wie läßt sich das vereinbaren mit der Niederschrift Frobergers, wonach General Mangin erklärt haben soll, Frankreich hätte kein Interesse an der Sache. Und dann hat Herr Froberger später erklärt, dass General Mangin die Westdeutsche Republik für möglich halte. Das sind Mißverständnisse, die nicht zu erklären sind.

Oberbürgermeister Adenauer: Mit welchen Mitteln überhaupt gearbeitet wird, können Sie aus folgendem ersehen. Herr Froberger hat erklärt, dass er bei Herrn Hauptmann Schwink gefragt habe, ob er nach Mainz fahren und ob er die beiden Abgeordneten mitnehmen solle. Herr Hauptmann Schwink hätte gesagt: „Ja." Demgegenüber stelle ich fest, dass Herr Hauptmann Schwink kein Wort gesagt hat.

Abgeordneter Falk: In der Kölnischen Volkszeitung ist mit nackten Worten zu lesen, den Herren sei gesagt worden, es sei ganz unbedenklich, dass sie nach Mainz führen, auch wenn die Antwort von Berlin noch nicht da sei.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich kann ausdrücklich erklären, dass das einfach Lügen sind. Ich habe die Herren Kastert und Kuckhoff überhaupt erst am Dienstag gesehen und habe ihnen gesagt, dass sie sich kompromittiert hätten; und weiter habe ich ihnen gesagt, dass das, was sie mir angegeben hätten, mir vom deutschen Standpunkt aus viel annehmbarer sei, als was Herr Froberger angegeben hätte.

Abgeordneter Hess: Ich komme eben aus der Zentrumsfraktion der preußi­schen Landesversammlung, und zwar mit dem Auftrage, Sie darüber aufzu­klären, wie sich die Vorgänge in unserer Fraktion abgespielt haben. Es ist mir nicht bekannt, ob Sie darüber genügend unterrichtet sind. Die Vorgänge haben sich folgendermaßen abgespielt:

Es verbreitete sich in der vorigen Woche am Donnerstag das Gerücht in Berlin, dass die Herren Kuckhoff und Kastert mit französischen Offizieren in Verbindung getreten wären, um sich mit ihnen zu benehmen über das Pro­blem der Westdeutschen Republik. Ich persönlich habe daraufhin sofort Herrn Kuckhoff gestellt und ihn gefragt, ob das richtig sei. Er sagte: „Jawohl." Ich habe ihm darauf gesagt, dass es wohl seine Pflicht sei, die Fraktion darüber aufzuklären. Diese Erklärung erfolgte am folgenden Tage, also am Freitag, dem 23. Mai. Hier berichtete in einer Sitzung, die morgens stattfand, Herr Kuckhoff. Herr Kastert war nicht da. Das genügte uns aber nicht, und wir wünschten auch die Anwesenheit des Herrn Kastert. Infolgedessen wurde die Verhandlung am Nachmittag desselben Tages wiederaufgenommen, und alsbald, nachdem die beiden Herren ihre Erklärungen abgegeben hatten, sind wir zu der überaus scharfen Erklärung gekommen, die Ihnen ja bekannt ist. Es wird darin erklärt, dass wir uns in keiner Weise mit den beiden Herren identifizieren könnten, im Gegenteil, dass wir auf das unangenehmste über­rascht seien und dass wir ihr Vorgehen auf das allerschärfste mißbilligten. Dieser Beschluß ist am 23. Mai gefaßt worden, also an einem Tage, wo von der ganzen Geschichte in der Presse noch mit keinem Wort die Rede gewesen war. Wir haben also unsere Stellungnahme in einem Augenblick formuliert, wo in der Öffentlichkeit noch nichts bekannt war, in demselben Augenblick - ohne uns irgendwie zu überlegen -, wo wir von dem Vorgehen der beiden Herren Kenntnis erhielten. Sie werden verstehen, aus welchen Gründen ich Wert darauf legen muss, diese ganze genaue Feststellung zu machen. Und zwar, weil vorgestern bei den Verhandlungen im Abgeordnetenhause von einem Redner der sozialdemokratischen Mehrheitspartei gesagt worden ist, unsere Stellungnahme wäre zu spät gekommen.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich muss nun, um ganz objektiv zu sein, noch folgendes sagen. Herr Froberger ist gekommen und hat mir erklärt, dass Herr Dorten in einer Versammlung in Wiesbaden oder Mainz gesprochen hätte gegen die sozialdemokratische Regierung und gegen die Sozialisierung. Die wollten sie vernichten. Darauf hätte Herr Kastert erklärt, wenn noch ein Wort gegen die Regierung fiele, würde er das Lokal verlassen. Er würde die Sozialisierung mitmachen, soweit es die Grundsätze seiner Partei erlaub­ten. Herr Froberger hat mir weiter gesagt, dass die Herren Kastert und Kuck­hoff in der ganzen Verhandlung mit Dorten den deutschen Standpunkt mit Entschiedenheit und ohne sich auch nur das geringste zu vergeben, vertreten hätten. Und Herr Froberger hat mich ausdrücklich gebeten, das möchte ich Herrn Posse, der zu mir kommen sollte, auch sagen.

Wenn ich mein Urteil über die ganze Sache jetzt schon sagen darf, so halte ich das Urteil der Zentrumsfraktion für zu scharf. Wie die Sache liegt, werden wir gleich von Herrn Hauptmann Schwink hören. Die Herren Kastert und Kuckhoff haben in folgenden Punkten gefehlt: 1. darin, dass sie zusammen mit Leuten wie Dorten, Salm usw. zu einem französischen General gegangen sind, denn ich halte diese Leute für offenbare Vaterlandsverräter. Auch den Schein müssten sie vermeiden, dass sie in solch wichtigen Fragen mit solchen Leuten gemeinsame Sache machten.

(Zuruf Falk: Da ist das Urteil nicht zu scharf!)

2. haben die Herren Kastert und Kuckhoff darin gefehlt, dass sie gegenüber einem französischen General sich überhaupt in Detailvorschläge eingelassen haben, da Detailvorschläge zu machen Sache der Reichsregierung ist. Ich glaube aber nicht, dass die Herren Kastert und Kuckhoff irgendwie einen Vaterlandsverrat begangen haben.

Nunmehr verliest Herr Hauptmann Schwink die in den Anlagen beigefüg­ten Schriftstücke.

Oberbürgermeister Adenauer: Das ist das Material. Eine Aussprache dar­über hat kaum Wert. Wenn Sie meine Meinung nochmals hören wollen, so hätte die Reichsregierung sich um die ganze Sache, überhaupt um die rhei­nische Frage mehr kümmern müssen. Über Froberger habe ich kein Urteil; ich weiß nicht, was er für ein Mann ist. Die Herren Kastert und Kuckhoff haben die Fehler begangen, die ich vorhin schon erwähnte. Sie durften nicht in Gemeinschaft mit Dorten und Salm zu dem französischen General gehen und zweitens keine Vorschläge machen. Das ist Sache der Reichsregierung. Kuckhoff hat ziemlich arglos gehandelt. Die Beweggründe Kasterts kenne ich nicht. Kastert würde auf telefonischen Anruf bereit sein, hierher zu kommen. Ich stelle fest, dass Sie das nicht wünschen. Um 1/2 2, Uhr werden die Herren aus Versailles und Spa hier sein. Es wird gut sein, wenn Sie hören, wie es in Versailles zugeht, und zweitens, wenn ich den Herren mein Gespräch mit dem General Clive mitteile und sie über die ganze Sache ins Bild setze. Weiter möchte ich jetzt noch mitteilen, dass ich den dringenden Wunsch habe, aus der Kommission auszuscheiden. Die Sache wird sich nach meiner Mei­nung so entwickeln, dass das Rheinland verloren ist. Ich glaube das bestimmt. Es wird dann Sache der Abgeordneten sein, daraus die nötigen Schlüsse zu ziehen und zuzusehen, wie die Angelegenheit zu regeln ist. Ich bin nicht Abgeordneter, ich bin nicht Volksvertreter und möchte daher, wie gesagt, aus der Kommission ausscheiden.

Abgeordneter Hess: Ich lege noch Wert auf folgende Feststellung. Es ist in Berlin von verschiedenen Seiten sehr scharf betont worden, dass es sich um Hochverrat handele. Da lege ich Wert auf die Feststellung, dass diese Auf­fassung in unserer Fraktion keinen Augenblick geherrscht hat. Wir waren auf Grund der Mitteilungen über die Herren Kuckhoff und Kastert bloß von dem Eindruck beherrscht, dass die Herren ziemlich kopflos gehandelt haben, dass aber die Herren von guter Absicht geleitet sind. Die bona fides haben wir nicht anzweifeln können. Ich habe auch aus dem, was hier mitgeteilt wurde, keinerlei Veranlassung, ihren guten Glauben anzuzweifeln. Der Mißgriff und der springende Punkt ist nach meinem Gefühl und nach dem Gefühl meiner Fraktion der, dass die beiden Abgeordneten sich überhaupt mit General Mangin in Unterhandlungen eingelassen haben, ohne dazu von der Staatsregierung oder von der Reichsregierung autorisiert zu sein. Aber mehr als Kopflosigkeit war es sicher nicht.

Abgeordneter Falk: Ich habe auch das Bedürfnis, eine Feststellung zu machen. Nämlich die, dass ich nicht einsehe, dass die Rheinlande für Deutsch­land verloren sind. Nach meiner Auffassung hängt das wesentlich ab von dem Verhalten der rheinischen Bevölkerung, und es wird namentlich beein­flußt werden können durch das, was die führenden Leute am Rheine tun. Und da muss ich Herrn Kollegen Hess ein Wort sagen. Ich bin nicht der Auffassung, dass die Herren Kuckhoff und Kastert strafrechtlich irgendwie belangt werden können. Aber ich bin der Auffassung, dass das, was die Herren getan haben, einen außerordentlich schädlichen Eindruck auf die rheinische Bevölkerung ausüben muss. Wenn Herren von der Stellung der Abgeordneten Kuckhoff und Kastert es für richtig halten, mit einem französischen General zu verhandeln in dem Augenblick, wo uns derartige Friedensbedingungen übermittelt worden sind - sie mögen dabei Reservate gemacht haben, welche sie wollen, und mögen Beweggründe gehabt haben, wie sie wollen -, dann muss das auf die Stimmung des Volkes außerordentlich schädlich wirken. Mehr festzustellen habe ich für meine Person einstweilen nicht nötig.

Abgeordneter Sollmann: Ich halte mich auch nicht für berufen, ein Urteil über die Herren Kastert und Kuckhoff abzugeben. Das wird, wenn nötig, die Zentrumspartei schon besorgen. Aber ich meine eins: der Herr Oberbürger­meister sagt, die Rheinlande seien verloren. Ich möchte aussprechen: Ich gebe die Rheinlande nicht verloren. Die Stimmung, die in den letzten Tagen in der Kölner Arbeiterschaft z. B. emporloderte, beweist das. Die Bewegung setzte ohne eine Agitation mit elementarer Kraft ein. Ich bin überzeugt, dass es auch außerhalb der sozialdemokratischen Partei weite Kreise gibt, die treu zum Reiche halten. Allerdings ist auch eine ganze Anzahl von Indifferenten vorhanden. Die gibt es aber überall. Denen ist das ganz gleich. Aber die wirklich politisch denkenden Leute empfinden in der Hauptsache national. Ich glaube, die Gefahr ist nicht so groß, wie der Herr Oberbürgermeister meint.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich werde mich selbstverständlich schwer hüten, in einem Kreise, der auch nur an Öffentlichkeit grenzt, eine solche Ansicht auszusprechen. Aber in dem Ausschuß, in dem wir sind, hielt ich es für meine Pflicht, das zu tun, und zwar deshalb, damit die Herren, die nach Berlin gehen, der Reichsregierung, die bis jetzt immer noch nicht verstanden hat, worum es sich handelt, klarmachen, was auf dem Spiele steht. Nach meiner innersten Überzeugung ist, wenn der Friedensvertrag mit den die westlichen Provinzen betreffenden Bedingungen unterschrieben wird, die Rheinprovinz für Deutschland verloren, nicht für immer, aber doch wenig­stens für absehbare Zeit. Sie haben selbst vor einigen Tagen erklärt, wenn der Friedensvertrag abgelehnt würde, wenn der Feind mit seiner Proklama­tion herauskomme und die Männer im wehrpflichtigen Alter nach Frankreich geführt würden, so werde die Bevölkerung nachgeben. Und in dem Falle ist die Rheinprovinz für Deutschland verloren. Wenn der Friede mit den jetzigen Bedingungen unterschrieben wird, wird das auch eintreffen, nicht so schnell, sondern langsam, aber es wird eintreffen. Herr Sollmann, täuschen Sie sich nicht über die Stimmung, die in Arbeiterkreisen herrscht. Die Treue zum Reich ist vorhanden, und ich habe mich innerlich auch gefreut, als ich neulich den Umzug sah. Aber, Herr Sollmann, Sie dürfen nicht vergessen, in welcher erregten Zeit wir jetzt sind. Da machte sich die Erregung in temperament­voller Weise Luft. Die Bevölkerung wird einem jahrelangen Drucke nach­geben. Sie wird es tun, wenn es uns hier gut geht und dem übrigen Deutsch­land schlecht; da werden auch die rheinischen Arbeiter nachgeben. Aus dieser Überzeugung heraus habe ich der Reichsregierung gegenüber betont, dass sie alles tun muss, was geschehen kann. Ich habe nicht die Überzeugung, dass sie uns die gleiche Aufmerksamkeit widmet wie Schlesien und Danzig. Sie hat nicht die rechte Empfindung dafür, was bei uns auf dem Spiele steht. Nehmen Sie meine aus dem innersten Herzen kommende Bitte mit - ich weiß, Sie werden sie erfüllen -, und seien Sie auch Scheidemann gegenüber, der zum Optimismus neigt, nicht zu optimistisch, sondern lieber recht pessimistisch, wie Sie irgendwie mit Ihrem Gewissen vereinbaren können. Damit können Sie nicht schaden, sondern nur nützen.

Abgeordneter Sollmann: Ich werde nicht in Berlin sein können, ich muss hierbleiben, ich kann es also Herrn Scheidemann nicht sagen; ich bin aber überzeugt, dass die anderen Herren das tun werden. Was das Nichtkümmern um die Rheinprovinz angeht, so darf ich hier aussprechen, dass die Stadt­verordneten in der erwähnten Sitzung einmütig den Wunsch geäußert haben, dass möglichst schnell ein Reichskommissar in das besetzte Gebiet kommen möge. Das Kabinett hat auch schon zugestimmt. Aber es scheint eine große Schwierigkeit vorzuliegen, und zwar bei der Entente. Die Gebiete, von denen der Herr Oberbürgermeister eben sprach, sind nicht besetzt; da läßt sich mehr arbeiten. Ich weiß, dass auch eine Organisation geschaffen werden soll, um die rheinische Bevölkerung dauernd zu bearbeiten. Ich habe persönlich den Wunsch, dass die Herren, die nach Berlin gehen, der Regierung nochmals den dringenden Wunsch nach einem Reichskommissar für die Rheinlande nahe­legen. Gewiß, es sind Schwierigkeiten vorhanden. Aber gerade darin liegt die Gefahr, dass die Sache verschleppt wird, dass nichts dabei herauskommt. Es muss möglichst rasch ein Kommissar hierher entsandt werden. Ich habe Herrn Scheidemann ausdrücklich gesagt, dass für den Posten eines Reichs­kommissars kein sozialistischer Führer in Frage kommt, der einer bestimmten Partei dient. Das ist im Rheinland nicht möglich. Der Betreffende muss mit allen Parteien arbeiten, er muss für den Katholizismus und für rheinische Fragen und Art Verständnis haben. Wenn der Herr in weiten Kreisen auf Mißtrauen stößt, so kann seine Tätigkeit keinen Erfolg haben. Das habe ich den Herren klargemacht, und ich bin überzeugt, dass sie in diesem Sinne handeln werden.

Abgeordneter Kaas: Ich bin von meinem Standpunkt aus eher geneigt, den Pessimismus des Herrn Oberbürgermeisters zu teilen, als den Optimismus des Herrn Sollmann. Was das Vorgehen meiner Kollegen Kastert und Kuck­hoff angeht, so möchte ich auch energisch für mildernde Umstände plädieren und dabei gerade auf einen Gedanken hinweisen, der in der Richtung dessen liegt, was soeben hier besprochen wurde. Ich meine, die psychologische Vor­aussetzung für das eigenmächtige und, wie ich hinzufüge, für das sehr un­überlegte Vorgehen der beiden Herren ist die ausgesprochene Interessenlosigkeit, mit der die Regierung bisher unseren rheinischen Angelegenheiten gegenübergestanden hat. Wo man in der Wählerschaft hinkommt, bei gewöhnlichen Leuten und bei der Intelligenz, hört man immer wieder die Klagen: Berlin scheint uns vergessen zu haben. Ich kann versichern, wenig­stens für meinen Wahlbezirk, dass das Zutrauen zur Regierung so gut wie ganz geschwunden ist, dass sie ehrlich die Möglichkeit einer Rheinischen Repu­blik in Erwägung zieht, selbst für den Fall [sic!], auf diesem Umwege rheini­sches Land für Deutschland zu erhalten. Nur auf diesem Boden konnte die unglückliche Idee erwachsen, dass der eine oder andere Abgeordnete zu Mangin ging und die Situation zu klären versuchte. Ich kann nicht einsehen, trotzdem die andere Seite ausführte, es sei unmoralisch, dass es gegen die Pflichten eines Abgeordneten verstößt, die Stimmung auf der anderen Seite zu sondieren. Ich glaube, dass keiner von den Herren, die hier sitzen, nicht auch gelegentlich einmal mit dem einen oder anderen Vertreter der feindlichen Mächte über solche Möglichkeiten geredet hat. Natürlich nicht so exponiert, wie das die Herren getan haben. Ich bin der Ansicht, dass wir in Berlin in der schärfsten Weise auf die Regierung einwirken und sie vor die Alternative stellen müssen: Entweder versucht ihr in Versailles offen und ehrlich auf dem Umwege über eine Westdeutsche Republik noch zu retten, was zu retten ist, oder ihr dürft euch nicht darüber wundern, dass die Bevöl­kerung aus eigener Initiative das versucht. Bei Beratung über Artikel 15 der Reichsverfassung habe ich schon zur Regierung gesagt: Sorgen Sie dafür, dass die rheinische Bevölkerung die Hoffnung auf eine innerpolitische Verwirklichung ihrer Wünsche behält; tun Sie das nicht, so müssen Sie auf explosive Äußerungen gefaßt sein. So erklärt es sich, dass die Herren Kastert und Kuck­hoff sowie dritte Personen in Mainz gewesen sind, um aus diesem Mißtrauen und aus diesem Wunsche heraus die Situation zu klären und der Regierung zu sagen: Diese Möglichkeit liegt vor, und nun verlangen wir im Namen des Volkes, dass die Regierung diese Möglichkeit voll ausnutzt. Als ich vor einigen Tagen mit Herrn Kollegen Allekotte rein zu Informationszwecken in Mainz und Wiesbaden war, ist man auch an mich herangetreten und hat mir gesagt: Sollten Sie nicht einmal mit Mangin reden? Ich habe sofort erklärt: Das werden Sie nie erleben. Ich betone aber, dass das für mich nicht eine Frage des Hochverrats oder Landesverrats ist, sondern rein eine Frage nationaler Delikatesse.

(Sehr richtig!)

Deshalb bin ich nicht in der Lage, die moralische Entrüstung oder die Drohung mit dem Strafrichter für glücklich zu halten. Ich bin der Ansicht und habe das auch vorgestern dem Regierungs-Präsidenten in Trier gesagt, dass das Verfahren der Regierung, die mit dem Strafgesetzbuch arbeitet, durchaus unglücklich ist. Man hat bisher schon die größten Fehler in der Behandlung der rheinischen Bevölkerung gemacht; das ist ein neuer. Zum mindesten müsste ein dicker Strich gemacht werden zwischen Landes­verrätern und denjenigen, die, wenigstens in überwiegender Mehrheit, auf loyalem Wege die Verwirklichung des rheinischen Staates suchen. Dass man es nicht für nötig gehalten hat, diesen Strich zu machen, halte ich für eine Brüskierung aller derer, die bisher in ehrlicher Weise für die rheinische Republik eingetreten sind. Ich werde nicht verfehlen, in Berlin die Stimmung der Bevölkerung dort unten in meinem Wahlbezirke geltend zu machen.

Abgeordneter Falk: Ich will auf die Kontroverse Kastert und Kuckhoff nicht eingehen. Aber die Ausführungen des Herrn Kaas nötigen mich zu einer Be­merkung. Herr Kaas hält es für ausgemacht, dass sich die Sache in Mainz so zugetragen hat, wie berichtet wurde.

(Kaas: Für möglich; die Möglichkeit muss voll ausgenutzt werden!)

Ich habe es anders verstanden. Wenn solche Mög­lichkeiten vorhanden sind, so müssen sie allerdings ausgenutzt werden. Ob aber solche Möglichkeiten vorhanden sind, ist eine andere Frage. In dieser Beziehung sehe ich die Sache sehr skeptisch an. Nun ein Wort an Herrn Oberbürgermeister. Ich bitte Sie, Herr Oberbürgermeister, den Vorsitz nicht niederzulegen. Der jetzige Augenblick ist der ungeeignetste für die Person und für die Sache. Für die Sache, weil wir uns z. Zt. in einem außerordentlich kritischen Stadium befinden. Und in persönlicher Beziehung, weil, wenn Sie jetzt den Vorsitz niederlegen, man aus den Äußerungen der Herren Kastert und Kuckhoff über Sie eine gewisse Berechtigung ihrer Ansicht suchen oder auch finden könnte. Ich glaube, das werden Sie sich selber sagen. Ich möchte Sie daher bitten, den Entschluß nicht zu fassen, um so mehr, weil wir heute nicht vollzählig sind.

Abgeordneter Sollmann: Ich schließe mich dieser Bitte an.

Oberbürgermeister Adenauer: Sehen Sie meine Lage an. Ich habe in der ganzen Sache so loyal verfahren, wie nur denkbar. Ich habe mich absolut neutral gehalten, obwohl ich im Grunde der Meinung bin, dass man die Rheinische Republik errichten sollte. Ich habe mich neutral gehalten und mich zurückgehalten, weil ich glaube, dass der Augenblick kommen wird, wo wir hier am Rheine absolut einig sein müssen, weil es vielleicht richtig ist, dass einer da ist, der gewissermaßen zwischen den verschiedenen Parteien eine Brücke herstellen kann. Was passiert mir? Ich spreche mit Froberger, auch mit Kastert und Kuckhoff, sage ihnen natürlich nicht: Ja, Ihr seid die größten Lumpen in der Welt!, dazu habe ich kein Recht, mache aber aus meiner Meinung keinen Hehl. Und das Resultat ist, dass nach Berlin berichtet wird, ich sei mit allem einverstanden. Ich werde heruntergerissen bei der Regierung und in der Zentrumsfraktion.

(Abgeordneter Hess widerspricht.)

Ich werde von allen Seiten mit Steinen beworfen.

(Falk: Das müssen Sie tragen!)

Es gibt aber eine gewisse Grenze. Warum soll ich mich beschimpfen lassen, obwohl ich nichts derartiges getan habe? Das ist der persönliche Grund. Der sachliche Grund ist folgender: Der Friede wird wahrscheinlich nicht unterzeichnet werden; ich halte das wenigstens für möglich. Dann wird die En­tente mit der Proklamation kommen, von der Herr Sollmann sagte, dass sie in Rhein-Hessen schon angeschlagen ist. Dann sind die Abgeordneten be­rufen, zusammenzutreten und zu sagen: So geht das nicht. Ich habe dem eng­lischen General von der Proklamation gesprochen. Er gab das zu. Ich habe erklärt: Lassen Sie sich doch nicht mit wilden Wühlern ein, berufen Sie die rheinischen Abgeordneten, und verhandeln Sie mit diesen! Das sind die legitimen Vertreter. Zu diesen Vertretern gehöre ich nicht. Auch aus diesem Grunde gehöre ich nicht in Ihren Kreis. Ich darf auch noch auf folgendes hin­weisen. Herr Hauptmann Schwink war bei dem englischen Obersten Ryan. Dort war man in großer Aufregung wegen der Veröffentlichung in der Rhei­nischen Zeitung. Und Oberst Ryan hatte - das ist sehr wichtig - den drin­genden Wunsch, dass die Kölner Presse auch das, was Herr Froberger zuletzt berichtet hat, bringen möge, wonach General Mangin im Namen der fran­zösischen Regierung die vorhin erwähnten drei Punkte erklärt haben sollte. Es ist doch sehr charakteristisch, dass die Engländer die Veröffentlichung wünschen.

(Falk: Woher kennen die Engländer die Niederschrift?)

Das wird Herr Schwink sagen. Sobald ich die Niederschrift über das Gespräch von Kastert und Kuckhoff mit dem General Mangin hatte, habe ich sie dem General Clive vorgelegt. Es besteht ein gewisser Gegensatz zwischen Engländern und Franzosen. Daher hielt ich es für das beste, die Niederschrift zur Kenntnis des Generals zu bringen. Da hat Clive gesagt zu der Äußerung Mangins, Frankreich habe kein Interesse an der Westdeutschen Republik, das komme nur daher, weil sie beim Deutschen Reich bleiben solle.

Hauptmann Schwink: Ich habe keine Ahnung, wer den Engländern die Niederschrift mitgeteilt hat. Der Oberst wußte von der ganzen Sache.

Abgeordneter Falk: Also hat Froberger auch mit den Engländern verhan­delt.

Abgeordneter Hess: Ich hatte Ihre Ankündigung, Herr Oberbürgermeister, nicht so verstanden, dass Sie heute schon den Vorsitz niederlegen wollten, sondern dass Sie in Erwägung ziehen wollten, das zu tun. Wenn Sie das vor­haben, so möchte ich dringend bitten, das unter keinen Umständen zu tun. Eins darf ich berichten, nämlich, dass bei der Besprechung der Zentrums­fraktion auf Grund des Telephonates aus Köln, sobald Ihr Name genannt wurde, zwei Herren aufstanden (Unterstaatssekretär Busch und ich) und er­klärten: Wir halten das ganze Telephonat für unrichtig aus der ganzen Kennt­nis Ihrer Persönlichkeit heraus und aus einem zweiten Grunde, den ich nicht gerne im Plenum vorbringen wollte, den Sie aber verstehen werden. Wenn Sie sagen, Sie seien Mißdeutungen ausgesetzt, so kann man sich nicht dage­gen schützen. Da Sie ein vorsichtiger Mann sind, so glaube ich, dass Sie Un­terredungen nicht unter vier, sondern unter sechs Augen gewähren. Gerade Ihre neutrale Person ist notwendig. Wer soll denn die Sache sonst machen? Wenn Sie sagen, dass ein Abgeordneter den Vorsitz übernehmen soll, so lege ich Wert darauf, dass der Vorsitzende außerhalb des Kreises der Abgeordneten steht, dass er über ihnen steht.

(Sehr richtig!)

Das dürfen Sie nicht tun.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Hess, dass Sie in der Fraktionssitzung für mich eingetreten sind. Aber, wie ist es mir denn sonst ergangen? Ich habe von Herrn Geheimrat Eckert gehört, dass ich z. B. bei den deutschen Ministern wieder in dem Verdachte stehe, ich hätte die ganze Sache Kastert-Kuckhoff angerührt, während ich erst nachträglich davon Kenntnis bekommen habe. Dann ist auch gerade in Berlin erzählt worden, dass ich in der Märzgeschichte ebenfalls das Karnickel gewesen sei, dass ich die Kasinoversammlung gemacht hätte, obwohl auch das nicht zu­trifft. Sie glauben nicht, in welche schwierige Situationen ich schon gekom­men bin.

Abgeordneter Sollmann: Was der Herr Oberbürgermeister zuletzt sagte, kann kein Grund sein, das Amt niederzulegen. Wir alle sind Mißdeutungen ausgesetzt. Bei mir wird alle Tage angefragt, ob wir noch nicht dem Zentrum beigetreten sind. Die sonstigen Gründe des Herrn Oberbürgermeisters haben aber manches für sich. Ich möchte mir heute kein Urteil bilden, ob es besser ist, wenn er den Vorsitz behält. Man kann auch Erwägungen zugänglich sein, dass es besser ist, wenn er zurücktritt.

(Der Oberbürgermeister: Ich möchte überhaupt aus der Kommission ausscheiden!)

Das kann man erwä­gen. Ich möchte mir heute kein Urteil erlauben. Nun aber etwas anderes. Es war eine sehr wichtige Mitteilung, die Herr Schwink soeben machte, die Engländer hätten erklärt, sie wünschten, dass die Presse auch die Äußerungen Mangins bringe.

(Hauptmann Schwink: Ja­wohl!)

Darf die Presse schreiben, dass das eine offizielle oder offiziöse Äuße­rung der Regierung sei?

(Hauptmann Schwink: Erst dann, wenn die Erlaub­nis aus England da ist!)

Die wird man nicht bekommen. Und wenn man die Erlaubnis bekommt, dann will man der rheinischen Bevölkerung nur eine Binde über die Augen ziehen. Die haben gesehen, wie die Bombe gewirkt hat. Jetzt will man versuchen, die rheinische Bevölkerung über den Ernst der Lage hinwegzutäuschen. Ich glaube nicht daran, dass Frankreich ein Interesse an der Westdeutschen Republik hat, sondern ich glaube, Mangin hat recht, dass sie kein Interesse daran hat. Es hat nur Interesse daran, dass wir möglichst bald und schmerzlos und ohne dass es nach Vergewaltigung aussieht, hinübergezogen werden. Wenn die Sache veröffentlicht werden darf, so werden wir auch unsere Ansicht dazu sagen.

Oberbürgermeister Adenauer: Man muß die Sache ruhig beurteilen. Die Entente sitzt fest. Sie hat einen Vertrag zusammengebraut, von dem sie weiß, daß er nicht annehmbar ist. Sie möchte auch nicht weiter vorrücken; im ei­genen Land würde sie auf Widerspruch stoßen. Auf der anderen Seite wünscht die Entente vor allem Sicherungen. Sie dürfen die Mentalität Frankreichs und Englands nicht vergessen. Die Rheinische Republik würde bedeuten, daß Preußen aufgeteilt würde. Hannover, Hessen usw. würden nachfolgen; viel­leicht würden auch die Hansestädte sich zusammenschließen. Eine ganz an­dere Gruppierung würde die Folge sein; Preußen würde verschwinden. Nun ist das eine doch sicher, daß Preußen das Reich beherrscht hat und beherrscht. Bei den Verhandlungen in Berlin ist von Bayern kein Vertreter zugegen gewesen; auch nicht von Sachsen; nur Preußen und einige Pfälzer waren da.

(Falk: Auch Württemberger und Badenser!)

Tatsächlich, das wird mir jeder zugeben müssen, beherrscht Preußen das Reich vollständig, schon deshalb, weil das Reich keine Organe hat, um in den Bundesstaaten tätig zu sein. Das wissen die Franzosen und Engländer. Sie sind nun einmal tatsächlich von dem Glauben, ob berechtigt oder nicht, erfüllt, daß der preußische Geist ihr größter Feind ist. Ich bin fest überzeugt, vernünftige Franzosen und Englän­der würden sehr viel darum geben, wenn Deutschland erhalten bliebe, aber nicht Preußen. General Clive sagte mir einmal: Preußen spielt in meinen Augen dieselbe Rolle wie der Zwerg Alberich im Rheingold; er hat nach dem leuchtenden Schatz gegriffen, hat ihn weggerissen, und seitdem ist die ganze Welt in Finsternis gehüllt. Das ist die Mentalität der Leute. Deshalb halte ich es nicht für richtig, sich auf den Standpunkt zu stellen: Das ist alles falsch. So kommen wir nicht zum Ziele. Was wird denn damit riskiert, wenn die Reichsregierung versucht, der Sache näherzutreten? Wenn sie es nicht tut, dann ist die Rheinprovinz auf alle Fälle verloren. Dann kommt die Proklama­tion, und in drei Wochen ist die Sache erledigt. Wenn sie dagegen versucht, auf diesem Wege eine Milderung zu erreichen, dann habe ich die Überzeu­gung, daß ein gesunder Kern drin ist und daß es gelingen wird, den west­deutschen Bundesstaat dem Reiche zu erhalten, auch wenn die Tarifermä­ßigung kommt, die Herr Albert meint. Also nicht ohne weiteres ablehnen, nicht a priori sagen: Das geht nicht, sondern ruhig und gründlich der Sache gegenübertreten.

Abgeordneter Sollmann: Darin sind wir alle einig. Aber das eine sage ich: Wenn in einer so delikaten Frage die Presse die Äußerung des Generals Mangin bringt, so glaube ich nicht an die Echtheit, denn welche Regierung wird so mit ihrer Meinung auf den Markt treten?

Oberbürgermeister Adenauer: Das ist Stimmung.

Hauptmann Schwink: Es handelt sich um zwei Unterredungen mit Mangin. Die erste Unterredung muß ein falsches Bild geben, entweder hat sich Man­gin geirrt oder die Deutschen.

(Sollmann: Vielleicht beide!)

Hinsichtlich der zweiten Unterredung sagt Froberger, daß Mangin von der französischen Re­gierung bevollmächtigt sei. Diese zweite Sache sieht ganz anders aus, sagte der englische Oberst; er hätte aber von seiner Regierung noch keine Weisung. Ich habe gefragt: Befehlen Herr Oberst, daß die Sache in die Presse gebracht wird? Nein, antwortete er, wir müssen erst mit der Regierung in Verbindung treten.

Frau Abgeordnete Teusch bestätigt die Bemerkung des Abgeordneten Hess über die Persönlichkeit des Oberbürgermeisters.

Oberbürgermeister Adenauer: Das freut mich sehr. Die persönliche Frage spielt aber nicht die ausschlaggebende Rolle. Ich habe das Gefühl, daß es besser ist, wenn ich ausscheide. Ich gebe zu, es sind Schwierigkeiten vorhan­den. Wer soll einladen? Wenn Sie wünschen, will ich es nochmals tun.

Abgeordneter Weidtmann: Behalten Sie wenigstens den Vorsitz jetzt noch.

Oberbürgermeister Adenauer: Ich will mich zunächst als Platzhalter für meinen Nachfolger betrachten. Wenn geschäftlich was zu tun ist, werde ich das erledigen.

Abgeordneter Falk: Sie haben uns heute Mitteilung davon gemacht, daß Sie im Ernst mit dem Gedanken umgehen, den Vorsitz niederzulegen. Sie haben weiter erklärt, daß das, was wir gesagt haben, Sie nicht bestimmen kann, diesen Vorsatz aufzugeben. Wir bitten Sie, den Vorsitz einstweilen weiterzuführen.

Oberbürgermeister Adenauer: Aber nur als Interimisticum von kurzer Dauer.

Abgeordneter Falk: Das kann man heute noch nicht sagen.

Schluß der Vormittagsverhandlung.

 

[Nachmittags]

Gegenwärtig: Oberbürgermeister Adenauer, Vorsitzender;
die Abgeordneten Falk, Hess, Kaas, Sollmann, Weidtmann, Mitglieder;
die Frau Abgeordneten Röhl und Teusch als Zuhörerinnen;
Hauptmann Schwink; Dr. von Becker aus Versailles; Legationsrat Traut­mann aus Spa.
Entschuldigt die Abgeordneten Meerfeld und Schmittmann.
Den Abgeordneten Trimborn hat die Einladung zur Sitzung anscheinend nicht erreicht.

Oberbürgermeister Adenauer: Die Herren Dr. von Becker vom Auswärti­gen Amt und Herr Legationsrat Trautmann von der Delegation in Spa haben die Freundlichkeit gehabt, nach hier zu kommen, Herr von Becker als Abge­sandter aus Versailles und Herr Trautmann, um Herrn Hauptmann Schwink aufzusuchen. Wir begrüßen, daß er auch hier ist. Ich darf die Situation er­klären. Die Herren sehen vor sich den westdeutschen politischen Ausschuß, der am 1. Februar von den rheinischen Abgeordneten gewählt worden ist. Als Zuhörerinnen sind die beiden Damen anwesend. Wir haben heute mor­gen einige Stunden getagt und uns eingehend mit der Aktion Froberger-Kastert-Kuckhoff beschäftigt, von der Sie wissen. Ich hielt es für dringend not­wendig, daß aus Versailles jemand hierher käme, damit wir die Herren ins rechte Bild setzen können.

Dr. von Becker: Als die Sache an uns in Versailles herantrat, hatten wir nur die Mitteilung, die sich von keiner Seite nachprüfen ließ, daß in Koblenz die Rheinische Republik ausgerufen wäre. Von Berlin kam der telegrafische Zusatz, daß diejenigen Persönlichkeiten, die die Republik ausgerufen hätten, wegen Hochverrat verfolgt werden sollten. Das war das Telegramm. Mini­sterialdirektor Simons wußte von nichts; Graf Rantzau bat mich darauf, bei Herrn Oberbürgermeister Adenauer anzurufen, worauf Sie antworteten, es sei nichts an dem. Darauf hat mich Graf Rantzau gebeten, hierher zu fahren, weil er keinen zünftigen Diplomaten herschicken wollte, um nicht die Aufmerksamkeit der Engländer zu erregen.

Auf die Fragen des Vorsitzenden und der Abgeordneten Falk und Hess, ob die Errichtung der Rheinischen Republik als Kompensationsfrage behandelt worden sei, erwiderte Herr von Becker, die Frage sei nicht behandelt wor­den, auch nicht gesprächsweise; sie sei weder von seiten der Reichsregierung noch von seiten der Entente angeregt worden.

(Abgeordneter Falk verläßt die Sitzung.)

Oberbürgermeister Adenauer: Ich darf die Herren vielleicht von dem ins Bild setzen, was wir heute morgen besprochen haben, und von unserem ganzen Gedankengang mit der Bitte, das Gehörte an Graf Rantzau weiterzu­geben. Wir sind der Auffassung, daß die Frage der Rheinlande von der Deut­schen Reichsregierung während der ganzen Zeit nicht genügend beachtet worden ist. Wenn der Friedensvertrag, wie er vorliegt, unterschrieben wird, wenn die Bestimmungen über die besetzten Gebiete Vertrag werden, so sind nach unserer Auffassung die besetzten Gebiete für Deutschland verloren. Eine Besetzung auf unbestimmte Zeit zusammen mit der wirtschaftlichen Abtrennung von dem übrigen Deutschland wird die Bevölkerung auf die Dauer nicht aushalten. Davon muß man unbedingt ausgehen. Nun glauben wir, daß es vielleicht möglich ist, eine wesentliche Milderung des Friedens­vertrages für Deutschland und den Wegfall der Besatzung dann herbeizu­führen, wenn eine Rheinische Republik als Bundesstaat des Deutschen Rei­ches errichtet wird. Die Gedanken, die wir dabei haben, sind folgende: Die Errichtung einer Rheinischen Republik würde der Beginn der Aufteilung Preußens überhaupt sein. Preußen erscheint aber in der Mentalität der Eng­länder und Franzosen einmal als der Beherrscher Deutschlands und sodann als der böse Feind des allgemeinen Weltfriedens, <gegen den namentlich Frankreich eine Sicherung braucht. Diese Sicherung kann Frankreich sich auf zwei Wegen zu verschaffen suchen.>*

Der eine Weg ist die vollständige Vernichtung Deutschlands; das ist der Weg, der in dem Entwurf zum Friedensvertrag vorgesehen ist. Ich glaube, vernünf­tige Franzosen selbst werden sich nicht der Einsicht verschließen, daß dieser Weg einen dauerhaften Erfolg nicht zeitigen wird. Es ist ganz unbedingt an­zunehmen, daß das deutsche Volk, auch wenn es ihm eine ganze Reihe von Jahren schlecht geht, selbst wenn es politisch auseinanderfiele, sich doch wie­der erholen und seine politische Einheit wiedererlangen würde. Das beweist die Geschichte der letzten 100 Jahre ganz unzweideutig. Daher müßte auch Frankreich in der Vernichtung Deutschlands nur einen vorübergehenden Erfolg sehen.

<Der zweite Weg, auf dem sich Frankreich Sicherheit für die Zukunft ver­schaffen könnte, ist vielleicht in der Aufteilung Preußens in Verbindung mit der Gewährung eines Friedens, der von Deutschland getragen werden kann, zu erblicken.>*

Nun liegen vielleicht zwei konkrete Anhaltspunkte vor - ich spreche ganz vorsichtig -, aus denen zu folgern ist, daß die Entente bereit ist, unter Um­ständen diesen zweiten Weg zu gehen. Der eine konkrete Anhaltspunkt ist eine Besprechung, die ich am Montag vor acht Tagen mit dem englischen General Clive, dem Vertreter des Gouverneurs, gehabt habe. General Clive spricht deutsch, ist - das glaube ich bestimmt sagen zu können - ein anstän­diger Mensch, der auch unbedingt ehrlich ist. Der General fing sofort von der Rheinischen Republik an. Ich entgegnete: Sie kennen meine Ansicht dar­über, aber bei dem Vorliegen eines solchen Friedensvertrages kann ein an­ständiger Mensch überhaupt nicht davon reden. Er sagte mir darauf: Eine Rede, die ich (Adenauer) am 1. Februar im Kreise der rheinischen Abgeord­neten gehalten [habe] und die damals stenographiert worden ist und die sich ziemlich objektiv über das Thema ausspricht, sei in die Hände der Engländer gekommen; dieses Stenogramm hätten sie vor vier Wochen in Übersetzung und mit Kommentar versehen nach London an das Kabinett geschickt; die Ausführungen hätten den maßgebenden englischen Politikern vorgelegen und deren Beifall gefunden; England würde, wenn eine Westdeutsche Republik im Rahmen des Deutschen Reiches gegründet würde, bereit sein, eine erheb­liche Änderung der Friedensbedingungen zu bewilligen. Ich habe gefragt:

1) ob das die Ansicht maßgebender englischer Politiker sei - das hat der Ge­neral bejaht - und

2.) ob kein Zweifel bestehe, daß die Westdeutsche Republik im Rahmen des Deutschen Reiches bleiben müsse - das hat er ebenfalls bejaht.

 

Dann habe ich gefragt, ob ich von der Mitteilung Gebrauch machen dürfte - der General wußte, daß ich am Abend nach Berlin fuhr -; auch diese Frage hat er bejaht. Ich habe davon in Berlin Gebrauch gemacht gegenüber Mitglie­dern des Kabinetts. Aber die Herren stehen auf dem Standpunkt, daß das doch Schwindel wäre; daß tatsächlich die Entente zwar selbstverständlich gern einen solchen rheinischen Staat hätte, daß sie dann aber trotzdem keine Erleichterungen in den Friedensbedingungen würde eintreten lassen. Nach meiner Rückkehr von Berlin habe ich dem General Clive erklärt, in Berlin habe man für die Frage kein Verständnis, und ihn gebeten, er möchte seiner­seits, wenn er von der Richtigkeit meiner Ausführungen überzeugt wäre, daß der vorliegende Friedensvertrag von Deutschland nicht unterschrieben werden könne, daß er das Todesurteil Deutschlands wäre und eine dauernde Sicherung des Friedens niemals bringen werde, und wenn er zweitens überzeugt wäre, daß durch die Teilung Preußens eine bessere Sicherung des Friedens geschaffen werden könne, so möchte er doch seinerseits dafür eintreten, daß man seitens der Entente in Versailles, Berlin oder sonstwo diesen Gedanken aufnehme. Das habe ich dem General Clive am Donnerstag vor acht Tagen erklärt. Der General ist nach meiner Überzeugung ein ehrlicher Mann. Er kann seinerseits getäuscht worden sein. Aber wenn er mir sagte: Maßgebende englische Politiker haben mir das erklärt, und Sie dürfen davon Gebrauch machen!, dann spricht die Vermutung dafür, daß an seiner Erklärung etwas dran ist.

Der zweite Anhaltspunkt ist in einer Erklärung des Generals Mangin in den bekannten Mainzer Verhandlungen. Ich lasse alles das weg, was an dem Benehmen der Abgeordneten Kastert und Kuckhoff tadelnswert oder nicht tadelnswert ist; darum handelt es sich jetzt nicht. Ich gebe nur wieder, was für uns von Bedeutung ist: Ein Hauptmann Rostan, französischer Zensurchef in Aachen, ist Mitte Mai bei dem Redakteur Froberger von der K. Volkszeitung gewesen. Redakteur Froberger ist Elsässer, nach französischer Ansicht also Franzose, er war früher im Orden der Weißen Väter, ist Pazifist und hat internationale Verbindungen. Hauptmann Rostan hat Froberger gesagt, daß, wenn eine Rheinische Republik käme, Frankreich bereit sei, das Saargebiet sowie die Kreise Eupen und Malmedy bei Deutschland zu lassen. Dann ist Froberger, begleitet von den Abgeordneten Kastert und Kuckhoff, am 17. Mai nach Mainz gefahren und hat ein drei Stunden langes Gespräch mit dem General Mangin gehabt. Darüber besteht eine Niederschrift, die Herr Haupt­mann Schwink auf Grund von Mitteilungen Frobergers verfaßt hat. Danach hat Mangin gesagt, von einer Rheinischen Republik im Rahmen des Deutschen Reiches habe Frankreich nichts; es müsse ein Staat sein, losgelöst vom Deutschen Reiche. Froberger hat ihn nach dieser Niederschrift darauf aufmerksam gemacht, daß das nicht möglich sei. Dem Hauptmann Rostan gegenüber hat General Mangin erklärt, die Unterredung habe den Vorteil gehabt, daß er jetzt richtig sehe. Nun kommt das Wichtigste. Nach dem Dr. Froberger hat General Mangin einem Herrn Dahlen aus Aachen im Einverständnis mit der französischen Regierung folgendes erklärt:

1) Wenn die Rheinische Republik gegründet wird, wird Frankreich auf das Saargebiet, Belgien auf Eupen und Malmedy verzichten.

2) Die Rheinische Republik verbleibt im Rahmen des Deutschen Reiches.

3) Ein selbständiger, von Preußen unabhängiger Staat am Rhein bietet für Frankreich soviel Sicherheiten und bedeutet eine solche Sinnesänderung Deutschlands, daß Frankreich auf seine Verbündeten einwirken wird, die Friedensbedingungen wesentlich zu mildern.

Das ist vielleicht das zweite konkrete Moment, das dafür spricht, daß auf diesem Wege eine Änderung des Friedensvertrages eventuell zu erreichen wäre.

Nun geht unsere Bitte dahin, dem Grafen Rantzau das zu referieren und ihn zu bitten, diese neue Möglichkeit eingehend daraufhin zu prüfen, ob es sich lohnt, der Sache nachzugehen oder nicht. In Berlin sind maßgebende Kreise der Ansicht, es sei alles Schwindel. Die Gefahr für uns am Rhein ist aber so groß, daß, selbst wenn man glaubt, es sei Schwindel, man trotzdem einer solchen Spur nachgehen soll. Weiter ist man in Berlin auch in maßgebenden Kreisen der Ansicht, man solle sich überhaupt nicht auf den Gedanken einer Rheinischen Republik einlassen. Wenn die Westdeutsche Republik auch im Rahmen des Deutschen Reiches gegründet würde, so würde sie, trotzdem sie im wirtschaftlichen Verbande mit Deutschland bleibe, von der Entente wirt­schaftlich umgarnt werden, so daß die Westdeutsche Republik früher oder später aus dem Deutschen Reich ausscheiden und dem Reich verlorengehen würde. Dann würde man, da die Rheinische Republik auch auf das rechte Rheinufer hinübergreifen würde, auch mit dem Verluste von rechtsrheini­schen Teilen zu rechnen haben, während, wenn der Friedensvertrag, wie vorgesehen, zustande komme, nur das linksrheinische Ufer verlorengehe. Das ist die Meinung, die Unterstaatssekretär Albert vertritt, eine Meinung, die nach meiner Ansicht falsch ist. Denn, wenn eine Rheinische Republik im Rahmen des Deutschen Reiches gegründet wird, <wenn gleichzeitig die im Friedensvertrag vorgesehene Besatzung und die wirtschaftliche Abschnürung von Deutschland fortfällt>*, so ist es nach meiner Meinung der Entente un­möglich, einen solchen Staat durch besondere wirtschaftliche Vorteile all­mählich von Deutschland zu trennen. Ich glaube daher, es ist nicht richtig zu sagen, auf Grund des Friedensvertrages verlieren wir das linke Rheinufer und, wenn wir die Westdeutsche Republik als Bundesstaat errichten, auch das rechte Rheinufer. <Wir bitten durch Sie, Herr von Becker, den Grafen Rantzau>*, nicht a priori die Ansicht als falsch beiseite zu schieben, daß die En­tente geneigt sei, auf den erwähnten Boden zu treten, vielmehr die Sache auf das Genaueste zu prüfen.

Darüber, daß die Rheinlande verlorengehen werden, wenn diese betreffen­den Bestimmungen des Entwurfs Inhalt des Vertrags werden, sind an den maßgebendsten Stellen noch hier und da Zweifel. Man glaubt, daß die Ar­beiter nicht für die Lostrennung zu haben sein werden, weil die soziale Ge­setzgebung der westlichen Länder uns gegenüber rückständig ist. Dabei über­sieht man, daß diese Länder uns bald in jener Gesetzgebung folgen werden. Man darf sich durch Entschließungen und Umzüge, die jetzt erfolgen, nicht täuschen lassen. Wenn der Friede unterzeichnet ist, und das Alltagsleben wieder da ist, wenn die Entente genügende Entschiedenheit daruntersetzt - und das wird sie tun -, wenn die Bevölkerung sich linksrheinisch günstiger steht wie auf dem rechten Rheinufer, so wird die wirtschaftliche Trennung dahin führen, daß die Rheinprovinz für Deutschland verlorengeht. Mit die­ser Tatsache muß man rechnen.

Abgeordneter Hess bittet, von den anderen Abgeordneten unterstützt, drin­gend darum, die Besatzungskosten sofort auszahlen zu lassen. Wenn darauf hingewiesen werde, es seien bereits 160 Millionen ausgezahlt, so sei das ein Tropfen auf einen heißen Stein. Es seien mindestens 400 Millionen not­wendig. Daher auch die große Mißstimmung im besetzten Gebiet.

Abgeordneter Weidtmann: Das besetzte Gebiet fühlt sich von Deutsch­land verlassen.

Die Abgeordneten Hess und Kaas bitten ferner, dahin zu wirken, daß, falls Verhandlungen mit der Entente stattfinden, die rheinischen Abgeordneten zugezogen werden. Abgeordneter Sollmann unterstützt den Wunsch. Der Ausschuß macht ihn zu dem seinigen.

Herr von Becker wird gebeten, auch diese Wünsche dem Grafen von Rantzau zu übermitteln.

* <...> Korrekturen Adenauers

 

Quelle: HAStK 2/253/2. Erstschrift. Abgedruckt in: Erdmann, Karl Dietrich: Adenauer in der Rheinlandpolitik nach dem Ersten Weltkrieg. Stuttgart 1966, S. 253-279.