6. Januar 1946

Schreiben an Mitglieder des Landesvorstands der CDU Rheinland

1. Der Gedanke, dem Vorsitzenden des Zonenausschusses auch eine einflussreiche Stellung in der Landesparteiorganisation seiner Hei­matprovinz zu geben, ist richtig.

 

2. Die Verbindung der Stellung des Vorsitzenden des Zonenaus­schusses mit dem Vorsitz der Partei der Provinz übersteigt höchst­wahrscheinlich die Kräfte auch eines in den besten Jahren stehen­den Mannes.

 

3. In der Parteiorganisation der Nordrheinprovinz ist sehr viel Ar­beit rückständig.

 

4. Ich verstehe wenig vom Aufbau der Organisation.

 

5. Ich bin siebzig Jahre alt. Mit siebzig Jahren muss man, auch wenn man rüstig ist, mit seinen Kräften haushalten.

 

6. Es ist ökonomischer, meine Kräfte einzusetzen und zu reservieren für die großen Aufgaben, die z. Zt. und in der nächsten Zukunft zu lösen sind, z. B.

 

a) Einigung mit dem Zentrum,

b) Herstellung einer engen Verbindung mit der Union in Bayern und [in] der französischen Zone - die Parteien werden in der französischen Zone in der nächsten Zeit gestattet -,

c) staatliche Ordnung in der britischen und anderen Zone, außen­politische Fragen,

d) Presse,

e) wirtschaftliche Zukunft.

 

7. Ich komme daher auf meinen Vorschlag zurück: [Vorsitz im] Zonenausschuss und Vorsitz in dem Gremium, das als Ausschuss des großen Vorstandes zur engen Mitarbeit mit dem engeren Vorstand geschaffen wird.

 

8. Wenn dieser Vorschlag keine Zustimmung findet und wenn man darauf besteht, dass ich auch den Vorsitz in der Landespartei über­nehmen soll, so kann ich das nur dann tun, wenn ich für die großen und entscheidenden Fragen sowohl des Zonenausschusses wie der Landespartei wirklich frei bin. Das setzt voraus, dass unter mir in der Landespartei ein Mann arbeitet, der die dazu nötigen Eigenschaften hat, mein volles Vertrauen besitzt und der seine ganze Kraft zur Verfügung stellt. Eine Eingliederung in die Parteihierarchie brauchte nicht zu erfolgen, wenigstens zu­nächst nicht, er könnte als mein Bevollmächtigter handeln.

 

9. Nach gründlicher Überlegung kann ich als geeignet hierfür nur Dr. Ernst Schwering bezeichnen. Wenn es absolut notwendig er­scheint, dass er in der Verwaltung der Stadt Köln bleibt - je nachdem die Neuordnung der Verwaltung der Stadt Köln erfolgt, kann man ihm das weder zumuten, noch würden es unsere Wähler verstehen, wenn er unter bestimmten Umständen bliebe -, so kann man ihn vielleicht dadurch entlasten für eine gewisse Zeit, dass man die Personalien unter ihm einem anderen (Rings?) über­trägt. Soviel ich weiß, ist die SPD unter den gehobenen Stellungen in einem ihre Stärke übersteigenden zahlenmäßigen Ausmaß ver­treten.

Die bei Herrn Ernst Schwering in der letzten Zeit hervorgetretene Neigung zur sarkastischen Kritik wird abflauen.

 

10. Jedenfalls werde ich mich nicht zur Übernahme des Vorsitzes im Zonenausschuss und des Vorsitzes in der Landespartei bereit finden auf Grund einer allgemeinen Erklärung, man werde die Landespartei so besetzen, dass meine Bedingung zu 8) erfüllt werden würde. - Ich wenigstens kenne keinen Mann, der in Köln wohnt, die unumgänglich notwendigen Voraussetzungen erfüllt und noch nicht parteimäßig an einer sehr wichtigen Stelle schon völlig eingesetzt ist.

 

11. Eine Gliederung der Parteiorganisation nach Regierungsbezirken bzw. im Regierungsbezirk Düsseldorf nach den beiden Hälften des Regierungsbezirks erscheint notwendig.

 

12. Der Aufbau der Partei ist zur Zeit die vordringlichste aller For­derungen.

 

13. Nach den Wahlen, die sicher im Jahre 1946 sein werden, kann eine Neuordnung aller Fragen lokaler und überörtlicher Natur erfolgen.

 

Adenauer

 

 

Quelle: Historisches Archiv der Stadt Köln, Abt. 1193, Kasten 6, Fasz. VII. Durchschlag mit eigenhändiger Unterschrift. Verteiler: „An Herrn Albers, Köln; Fräulein Teusch, Köln; Fräulein Franken, Düsseldorf; Herrn Arnold, Düsseldorf; Herrn Strunk, Essen; Herrn Rott, Bonn". Ohne Anrede und Schlussformel. Teildruck (der Punkte 5 und 6) bei L. Schwering, Frühgeschichte der CDU, S. 172Abgedruckt in: Morsey, Rudolf: Vom Kommunalpolitiker zum Kanzler. In: Konrad Adenauer. Ziele und Wege. Mainz 1972, S. 79-81.