Ria Reiners (1912-1998; Tochter Adenauers), seit 1937 mit dem Fabrikanten Dr.-Ing. Walter Reiners (1908-1980) verheiratet.
Liebes Töchterchen!
Nun stehen auch wir vor der Abreise: heute Nachmittag geht's los. Morgen fängt der Betrieb in Bonn an, und dann wird eine Flut von Arbeit, Besprechungen und Konferenzen hereinbrechen; übrigens muss ich Freitag nach Lübeck, Samstag nach Kiel.
Senator [W]iley hat mich über den Abschied von Dir hinweggebracht (es ist mir ernst, das Zusammensein mit Dir war sehr schön). Er kam in mein Zimmer mit ausgestreckten Armen und „Du, Du liegst mir im Herzen" singend. Das Zusammensein mit ihm war politisch sehr wertvoll, es hat offenbar Conant sehr beeindruckt. Später kam Hoyer Millar drei Stunden, es war eine gute Aussprache, er brachte eine schriftliche Botschaft von Churchill. Der Freitag war ganz besetzt mit Fernseh- u. anderen Interviews. Es geht doch nichts über geruhsame Ferien.
Paul und ich haben aber doch allmählich die gewohnten Spaziergänge wieder aufgenommen. Ich weiß, wie glücklich Du bist, wieder bei Mann und Kind bzw. Kindern zu sein; denn die beiden sollen ja diese Woche wieder eintreffen. Dann geht überall das alte Leben wieder los. Am Freitag kam übrigens Konrad mit Frau u. Kindern für 2 Stunden gut erholt herein. Der Trost-Engel lässt vielmals grüßen, er tröstet wirklich.
Dir nochmals sehr herzlichen Dank für das so wohltuende Beisammensein. Euch allen, besonders Dir u. Walter, herzlichste Grüße und auf baldiges Wiedersehen!
Dein Vater
Quelle: Konrad Adenauer: Briefe über Deutschland 1945-1955. Eingeleitet und ausgewählt von Hans Peter Mensing aus der Rhöndorfer Ausgabe der Briefe. München 1999, S. 174.