6. September 1957

Für weltweite Entspannung zur Festigung des Friedens

Artikel für die amerikanische Nachrichtenagentur "International News Service"

Von Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer

 

Grundlage unserer Außenpolitik ist und bleibt die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Partnern der atlantischen Gemeinschaft und den Völkern der freien Welt. Dazu gehört ein freundschaftliches Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika, in denen wir den Kern des Verteidigungsbündnisses und damit den Rückhalt der Freiheit Europas sehen. Nach wie vor besteht die Gefahr kommunistischer Infiltration und Umsturzversuche in vielen Teilen der Welt. Solange diese Gefahr droht, darf das Verteidigungsbündnis der freien Welt nicht geschwächt werden.

Drei Hauptziele werden wir auch in den kommenden Jahren anstreben: Festigung des Friedens, Wiedervereinigung Deutschlands und Weiterführung der europäischen Integration. Es ist nur selbstverständlich, daß die Wiedervereinigung unser großes nationales Anliegen ist, auf dessen Verwirklichung sich alle unsere Hoffnungen richten. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist der Test für die wahre Gesinnung der Sowjetunion und ihre Absichten in der Zukunft. Solange die Sowjetunion ihre Zustimmung zur Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit verweigert, ist sie zu einer Entspannung der Lage und damit zu einer wirklichen Sicherung des Weltfriedens nicht bereit.

Um die Entspannung zu fördern, wird unsere Außenpolitik die Bemühungen des Londoner Abrüstungsausschusses unterstützen. Wir begrüßen alle Versuche, durch Abrüstung und Kontrolle Sicherheit gegen einen Überraschungsangriff zu schaffen und eine weltumfassende Entspannung zur Festigung des Friedens vorzubereiten. Die derzeitige Grenze der sowjetischen Besatzungszone in Deutschland darf aber nicht die Mittellinie eines Inspektionsgebiets werden. Es muß ferner vermieden werden, daß auf deutschem und mitteleuropäischem Gebiet eine demilitarisierte Zone entsteht, die für einen Angreifer eine Verlockung werden könnte.

Der Versuch, über eine kontrollierte allgemeine Abrüstung zur Entspannung zu kommen, ist viel umfassender als etwa der zuweilen gemachte Vorschlag, für das europäische Territorium einen Sicherheitspakt mit der Sowjetunion anzustreben. Die Einbeziehung der Sowjetunion in einen Sicherheitspakt ohne Beteiligung der Vereinigten Staaten würde das politische und militärische Gleichgewicht in Europa und der Welt zerstören und infolgedessen den westlichen Mächten keinerlei Sicherheit geben. Die Sowjetregierung hat zudem deutlich zu verstehen gegeben, daß sie für das Angebot eines solchen Sicherheitspaktes keine wirksamen Konzessionen zu machen bereit ist. Ich halte deshalb Vorschläge dieser Art für nicht aktuell und für aussichtslose Ablenkungen von der wichtigeren und bereits angefaßten Aufgabe, durch Rüstungsherabsetzungen und Kontrolle ein Sicherheitsgefühl und ein Klima zu schaffen, in dem auch bisher ungelöste Probleme angepackt werden können.

Unter die wichtigsten Arbeiten in den kommenden Jahren fällt auch die Aufgabe, die deutsche Volkswirtschaft - und das gilt vor allem auch für das Gebiet der Währung - gesund zu halten. Die wirtschaftliche Stabilität trägt entscheidend dazu bei, die Bundesrepublik Deutschland sozial zu festigen und gegen den Bolschewismus abzuschirmen. Die Erhaltung unserer wirtschaftlichen Stabilität liegt nicht zuletzt im Interesse Europas, mit dessen freien Ländern die Bundesrepublik in den kommenden Jahren den Weg zur Einigung weitergehen wird. Den größten Fortschritt in dieser Richtung erhoffe ich von der Einrichtung des Gemeinsamen Marktes, dessen Förderung die kommende Bundesregierung sich besonders angelegen sein lassen wird.

 

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 165 vom 6. September 1957, S. 1533.