9. November 1951

Schreiben des Bundeskanzlers an den amerikanischen Hohen Kommissar für Deutschland, McCloy

 

Sehr geehrter Herr McCloy!

1) In dem Gespräch, das wir am 7.11. hatten, beschwerten Sie sich darüber, dass meine Herren die Beratungen verzögerten. Ich entnahm aus Ihren Ausführungen, dass Sie dabei die Beratungen über den Truppenvertrag meinten. Die daraufhin von mir angestellten Ermittlungen haben folgendes ergeben. Meine Herren haben wiederholt vergebens um Besprechungen gebeten. Am 30. Oktober ist dann von dort ein umfangreicher fertiger Vertragsentwurf überreicht worden. Ich lasse dahingestellt, ob es richtiger ist, bei der Schaffung solcher Verträge zunächst einen fertigen Entwurf aufzustellen oder zuerst in eine Diskussion über den wesentlichen Inhalt eines solchen Vertrages einzutreten. Es dürfte aber wohl verständlich sein, dass meine Herren für das Studium des ihnen überreichten Entwurfes eine gewisse Zeit benötigten.

2) Auf Grund der in der Besprechung am 8.11. von Sir Ivone Kirkpatrick gemachten Ausführungen bin ich bis auf weiteres nicht in der Lage, meine bisherigen Erklärungen bezüglich des dortigen Vorbehaltes der Truppenstationierung aufrecht zu erhalten. Es gilt das sowohl hinsichtlich Art. 1 a (letzter Entwurf) wie auch des dort gemachten Vorschlages zu Art. I § 2 (siehe Anlage 1).

Ich bin bei den bisherigen Verhandlungen über diesen Vorbehalt von der Annahme ausgegangen, dass die Westalliierten Regierungen sich ihr Recht auf Stationierung ihrer eigenen Streitkräfte auf Grund der bedingungslosen Kapitulation vorbehalten wollten.

Ich erklärte mich einverstanden, da mir als Grund für die dortige Forderung angegeben wurde, es müsse Sowjetrussland die Möglichkeit genommen werden, aus dem z. Zt. zwischen uns verhandelten Vertrage Konsequenzen hinsichtlich Berlins herzuleiten. Nach den gestrigen Verhandlungen scheint aber das dortige Verlangen eine für Deutschland untragbare Diskriminierung gegenüber den NATO-Staaten mit sich zu bringen.

Ich bitte, mir genau anzugeben, welchen Inhalt dieses Vorbehaltsrecht nach dortiger Auffassung haben soll. Ich bin nur dann in der Lage, dazu Stellung zu nehmen. Ich kann die Bundesrepublik Deutschland nicht verpflichten, sich der „Gegenwirkung gegen Rechte zu enthalten und an ihrer Durchführung mitzuarbeiten", deren Inhalt und Umfang sie nicht einmal kennt.

3) Wie ich Ihnen bereits mündlich sagen konnte, ist mein Bestreben, die hiesigen Verhandlungen zum Abschluss zu bringen, ehe ich mit den drei Außenministern in Paris zusammentreffe. Ich möchte nicht, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, als wenn die drei Hohen Kommissare die deutschen Wünsche und die deutsche Lage weniger gut verstünden als die drei Außenminister.

Ich bin an die ganzen Verhandlungen mit viel Zuversicht und Optimismus herangegangen und habe das auch wiederholt in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht. Ich fühle mich nunmehr verpflichtet, wenigstens Ihnen zu sagen, dass der Verlauf der Verhandlungen mich mit ernster Sorge erfüllt. Diese Sorge gründet sich nicht nur auf die gestrige Auseinandersetzung mit Sir Ivone Kirkpatrick, sondern auch auf den Verlauf der Beratungen unter den Sachverständigen.

Sie kennen, sehr geehrter Herr McCloy, die innere Lage in Deutschland. Sie wissen, dass es mir mit sehr großer Geduld gelungen ist, allmählich eine Umstellung der inneren Einstellung der Mehrheit des deutschen Volkes zu erreichen. Ich weiß nicht, ob Sie wissen, dass z. Zt. eine Propaganda geradezu ungeheuerlichen Ausmaßes von Seiten Sowjetrusslands in der Bundesrepublik nicht etwa unter kommunistischem Vorzeichen entfaltet wird. Ich halte es für dringend nötig, dass die Verhandlungen zu einem Abschluss kommen, den ich in Verfolg meiner Einstellung in der West-Ostfrage meiner inneren Überzeugung nach vor der deutschen Öffentlichkeit mit dem Deutschen Bundestag zu vertreten vermag.

Ich halte es im Hinblick auf die Lage in Deutschland für notwendig, möglichst bald zu einer solchen Verständigung zu kommen. Wenn politische Erwägungen im Zusammenhang mit der z. Zt. in Paris bestehenden Situation es den Westalliierten Regierungen in ihrem Interesse für wünschenswert erscheinen lassen, so bitte ich, mich zu verständigen. In der deutschen Öffentlichkeit ist dieser Eindruck entstanden, trotz anders lautender Verlautbarungen amerikanischer Stellen.

Ich habe meinen Herren strikte Anweisungen gegeben, unter Zurückstellung aller kleineren Bedenken alles zu tun, damit ein schneller und zufriedenstellender Abschluss erreicht wird. Ich bitte Sie, die gleiche Anweisung Ihren Herren zu geben.

Wenn auch nach der Besprechung, die ich mit den drei Herren Außenministern in Paris haben werde, nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt werden könnte, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind, so würde das, wie ich glaube, ein ungeheurer Ansporn für die Leute der Sowjetzone und für die Sozialdemokratie, Niemöller und Heinemann usw. sein, in ihren Versuchen, die öffentliche Meinung bei uns zu unterminieren, fortzufahren.

Ich halte mich entsprechend der bisherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit für berechtigt, sogar für verpflichtet, Ihnen diese Mitteilungen zu machen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr sehr ergebener
(Adenauer)

 

Quelle: Adenauer. Briefe 1951-1953. Hg. von Rudolf Morsey und Hans-Peter Schwarz. Bearb. von Hans Peter Mensing. Berlin 1987, S. 137-139.