Erich Köhler, 2. Januar 1949

Erich Köhler

* geboren 27.06.1892 in Erfurt
† gestorben 23.10.1958 in Wiesbaden


Dr. sc. pol., Volkswirt, Bundestagspräsident, ev.

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Übersicht

Volkswirtschaftsstudium in Marburg, Berlin, Leipzig und Kiel; vor 1933 DVP, Mitglied des Zentralvorstands in Berlin
1914-1918Kriegsdienst
1919Promotion
1919Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Kiel
1933entlassen („Mischehe"), arbeitslos
1939-1945Versicherungsagent
1945-1949Hauptgeschäftsführer der IHK Wiesbaden
1947-1949Vorstand des Verwaltungsrats der Landeszentralbank Hessen; Mitgründer der CDU Hessen
1946-1949stv. Landesvorsitzender
1946Mitglied der Verfassungsberatenden Landesversammlung Hessen
1946-1947MdL, Vorsitzender der CDU-Fraktion
1947-1949MdWR und dessen Präsident
1949-1957MdB
1949-19501. Präsident des Deutschen Bundestages

Biographischer Werdegang

Sein Gesicht ist immerhin recht vielen Zeitgenossen bekannt: Immer dann, wenn in Dokumentationen zu Leben und Wirken Konrad Adenauers die Szene seiner erstmaligen Vereidigung als Bundeskanzler gezeigt wird, ist auch Erich Köhler zu sehen, der als Parlamentspräsident dem Kanzler und seinem Kabinett dem Amtseid abnahm. Darüber hinaus ist der erste Präsident des Deutschen Bundestages heute weitgehend in Vergessenheit geraten.

Frühe Jahre

Geboren wird Erich Köhler am 27. Juni 1892 in Erfurt. Dem Besuch des dortigen Königlichen Realgymnasiums „Zur Himmelspforte“ folgt ein Studium der Volkswirtschaft und der Staatswissenschaften in Marburg, Berlin, Leipzig und Kiel. Unterbrochen wird Köhlers akademischer Werdegang durch den Ersten Weltkrieg: Von 1914 bis 1918 ist er Soldat und wird unter anderem mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet. Nach Kriegsende schließt er 1919 sein Studium mit der Promotion zum Dr.rer.pol. ab. Im selben Jahr wird Köhler in Kiel Geschäftsführer des Bundes der Arbeitgeber, des Hafenbetriebsvereins und des Landesverbandes des Nordwestdeutschen Handwerkerbundes.

Politisch engagiert er sich während der Weimarer Republik in der national-liberalen Deutschen Volkspartei. Er gehört sowohl dem schleswig-holsteinischen Landesvorstand als auch dem Berliner Zentralvorstand der Partei an. Da seine Frau Helene (geb. Freund) Jüdin ist, verliert er im September 1933 seine berufliche Existenz. Erst 1939 findet Köhler wieder eine Beschäftigung als Versicherungsagent. Im September 1943 wird dem Paar die Wohnung gekündigt und Helene Köhler zur Zwangsarbeit in einer Druckerei verpflichtet.

Mitgründer der hessischen CDU

Erst nach dem Ende von NS-Diktatur und Zweitem Weltkrieg kann Erich Köhler wieder beruflich und politisch tätig werden. 1945 wird er Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Wiesbaden. Dort gehört er im selben Jahr zu den Mitgründern der hessischen CDU und übernimmt 1946 den Vorsitz der Landtagsfraktion seiner Partei. 1947 wird er Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrates, der als Parlament des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, der sog. Bizone, fungiert. Hier wählen ihn die von den Landtagen entsandten Abgeordneten zum Präsidenten. Köhler wirkt in dieser Funktion immer wieder und offenkundig zu allseitiger Zufriedenheit ausgleichend zwischen den Fraktionen von CDU/CSU und SPD.

Präsident des ersten Deutschen Bundestags

Bei den Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 gewinnt Köhler das Direktmandat im Wahlkreis Wiesbaden. Als stärkste Fraktion haben CDU und CSU das Vorschlagsrecht für das Amt des Bundestagspräsidenten. Angesichts seiner Erfahrungen und seines guten Rufs aus Frankfurter Zeiten fällt die Wahl auf Erich Köhler. Ein weiteres Motiv ist dessen Zugehörigkeit zum evangelischen Flügel der CDU. Mit Köhlers Wahl in das zweithöchste Staatsamt will man die gleichberechtigte Stellung der Protestanten innerhalb der jungen überkonfessionellen Volkspartei herausstellen. In der konstituierenden Sitzung des Bundestages am 7. September 1949 wird Erich Köhler mit überwältigender Mehrheit zum ersten Präsidenten des Parlaments gewählt.

Allerdings ist er, der als Präsident des zunächst 52, dann 104 Mitglieder zählenden Wirtschaftsrates eine gute Figur gemacht und sich allgemeinen Respekt erworben hat, mit der Leitung des fast viermal so großen Bundestages von Anfang an überfordert. Er vermag es nicht, die oftmals aufgrund von Provokationen der kommunistischen Fraktion, aber auch wegen grundsätzlicher Differenzen zwischen CDU/CSU und SPD hochgehenden Wogen zu glätten. Des Öfteren verschärft er durch heftige Reaktionen und überzogene Sanktionen die Situation noch zusätzlich. So wird der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher nach seinem berühmten Zwischenruf in der Debatte über das Petersberger Abkommen (24./25. November 1949), Konrad Adenauer sei „der Kanzler der Alliierten“, für 20 Sitzungstage ausgeschlossen. Nach einer Aussprache zwischen Schumacher und Adenauer wird diese Sanktion wenige Tage später aber bereits wieder zurückgenommen. Auch wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Heinrich von Brentano, mit Recht feststellt, gravierender „ als das zeitweilige Versagen von Dr. Köhler“ sei „die Disziplinlosigkeit des Parlaments“, wächst die Kritik an der Amtsführung des Präsidenten. Im Frühjahr 1950 bereitet die SPD gar einen – in der Geschäftsordnung des Bundestages indes nicht vorgesehenen – Missbilligungsantrag gegen ihn vor.

Köhler, der ohnehin gesundheitliche Probleme hat, leidet sehr unter den Vorwürfen, auch an der Kritik, die Bundeskanzler Adenauer wiederholt an seiner Amtsführung äußert. Als er sich auch noch öffentlichen Angriffen ausgesetzt sieht, weil er die Presse wegen angeblich zu negativer Berichterstattung über die Arbeit des Bundestages kritisiert hat, erleidet Köhler einen Zusammenbruch. Mit Schreiben vom 18. Oktober 1950 tritt er vom Amt des Bundestagspräsidenten zurück. Der angestrebte Wechsel in den diplomatischen Dienst scheitert trotz der Unterstützung Adenauers.

Erich Köhler, der sich nach dem Amtsverzicht gesundheitlich wieder erholt, bleibt daraufhin bis zum Ende der zweiten Legislaturperiode 1957 Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Im selben Jahr wird er von Bundespräsident Theodor Heuss mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Er stirbt am 23. Oktober 1958 in Wiesbaden.

  • ACDP, 01-477

  • Ohne Illusionen. Politik der Realität. Reden (1949).

  • Michael F. Feldkamp: Der noble, aber kranke Präsident, in: Das Parlament Nr. 51/52 (2010).

Christopher Beckmann