Portrait Otto Fricke
Otto Fricke

Otto Fricke

* geboren 10.03.1902 in Lengde/Kreis Goslar
† gestorben 03.09.1972 in Bad Harzburg

Baustoffgroßhändler, Minister, CDU-Landesvorsitzender, Dr. jur., ev.

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Übersicht

Gymnasium in Goslar, Studium der Rechts- und Staatswissenschaften in Göttingen und München
1924 1. juristische Staatsprüfung
1925 Promotion
seit 1925 Tätigkeit in der Baustoffindustrie und in Verbänden des Baustoffgroßhandels
1934 selbstständiger Unternehmer
1945 CDU-Gründer
1947-1951+ 1955-1970 MdL Niedersachsen
1948-1950 Minister für Wirtschaft und Verkehr
1949-1971 Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Goslar
1952-1968 Vorsitzender des Landesverbandes Braunschweig
1953-1963 Co-Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels
1960-1968 Präsidierender Vorsitzender der CDU in Niedersachsen
1963-1972 Präsident der IHK Braunschweig

Biographischer Werdegang

Der Unternehmer aus Goslar war über zwei Jahrzehnte die zentrale Persönlichkeit der CDU in Niedersachsen. Ohne Frickes Wirken waere der Aufstieg der CDU aus bescheidenen Anfängen zur Regierungspartei nicht denkbar gewesen.

Herkunft und Beruf

Als Sohn einer alteingesessenen Bauernfamilie wurde Otto Fricke am 10. März 1902 in Lengde (heute Stadt Goslar) geboren. Als guter Schüler konnte er nach dem Besuch der Volksschule in Lengde 1915 auf das Gymnasium in Goslar wechseln, wo er 1921 sein Abitur ablegte. Es folgte ein Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen und München. 1924 bestand er das erste juristische Staatsexamen und promovierte ein Jahr später an der Universität Göttingen. Noch im gleichen Jahr heiratete er Gertrud Düffelmeyer, die er in der Tanzstunde kennengelernt hatte. Von seinem Schwiegervater wurde Fricke direkt in die Geschäftsführung der Baustoffhandlung Prelle in Goslar aufgenommen. Nach dem Tod des Schwiegervaters 1929 wurde er deren Geschäftsführer. Ab 1939 war er dann geschäftsführender Gesellschafter der Firma. Daneben engagierte er sich auch in der Verbandsarbeit: So war Fricke ab 1933 Vizepräsident der IHK Südhannover. 1936 übernahm er den Vorsitz des Deutschen Zementhändlerbundes. Aufgrund seiner national-konservativen Einstellung stand Fricke in der Weimarer Republik der DNVP nahe, der er 1932 beitrat. Er betätigte sich jedoch nicht politisch. Lediglich nach der Kommunalwahl im Mai 1933 gehörte er kurzzeitig für die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot dem Goslarer Stadtrat an. Den Eintritt in die NSDAP lehnte er ab, allerdings trat er 1938 in die Deutsche Arbeitsfront ein und war 1938/39 kurzzeitig förderndes SS-Mitglied.

CDU-Gründer und Minister

Die politische Karriere von Otto Fricke begann in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. Als im April 1945 die US-Armee vor Goslar stand, gehörte er zu den Bürgern, die die Befehlsstellen der Wehrmacht veranlassten, die mit zahlreichen verwundeten Soldaten und Vertriebenen völlig überbelegte Stadt, zur Lazarettstadt zu erklären und kampflos zu übergeben. Von der US-Militärregierung wurden Fricke und der Stadtkämmerer Heinrich Wulfert kurz darauf als kommissarische Verwaltungsleiter von Goslar eingesetzt. Wegen Unstimmigkeiten mit der – inzwischen britischen – Militärregierung legte Fricke dieses Amt im Oktober 1945 jedoch nieder. Allerdings zog er sich damit nicht aus der Politik zurück, sondern engagierte sich von Beginn an für die Gründung einer christlich-demokratischen Partei. Zusammen mit dem Oberbürgermeister von Salzgitter, Clemens Recker, dem Landrat des Kreises Wolfenbüttel, Heinrich Rönneburg, und der späteren Bundestagsabgeordneten Else Brökelschen gehörte er am 20. Oktober 1945 zu den Gründern der CDU im Kreis Goslar.

Am 1. November 1946 wurde durch eine Verordnung der britischen Militärregierung das Land Niedersachsen gebildet und der SPD-Politiker Hinrich Wilhelm Kopf als Ministerpräsident eingesetzt. Die ersten Landtagswahlen fanden im April 1947 statt, bei denen Otto Fricke zu den 30 CDU-Abgeordneten gehörte, die in den Niedersächsischen Landtag einzogen. Ministerpräsident Kopf bildete eine Allparteienregierung, die aber schon im März 1948 im Streit über eine Bodenreform wieder zerbrach. Nach langen Verhandlungen brachte Kopf ein neues Kabinett aus SPD, CDU und Zentrumspartei zusammen, in dem Fricke das Amt des Ministers für Wirtschaft und Verkehr übernahm. Als Minister bemühte er sich vor allem um eine Verringerung der Demontagen in Niedersachsen, von denen insbesondere der Raum Salzgitter betroffen war. Erst im Januar 1951 wurden die Demontagen durch die britische Militärregierung völlig eingestellt. Außerdem versuchte Fricke, den Wiederaufbau der niedersächsischen Wirtschaft voranzutreiben, nicht zuletzt um Arbeitsplätze für die zahlreichen Vertriebenen zu schaffen. Seine Amtszeit endete jedoch bereits im August 1950: Aus Protest gegen eine von der SPD einseitig betriebene Änderung des Wahlrechts, zog die CDU ihre Minister aus der Regierung Kopf zurück.

Graue Eminenz der CDU in Niedersachsen

Konrad Adenauer (l.) und Otto Fricke (r.) gemeinsam am Tisch
Otto Fricke und Konrad Adenauer (Quelle: KAS/Peter Bouserath)

Kurz danach fand im Oktober 1950 in Goslar der erste Bundesparteitag der CDU statt. Bis heute hält sich hartnäckig die Legende, dass der Parteitag nur wegen der guten Beziehungen Otto Frickes zu Bundeskanzler Konrad Adenauer in der alten Kaiserstadt abgehalten wurde. Zwar waren beide Politiker gut miteinander bekannt, doch bestand weder eine persönliche Freundschaft, noch ließ sich Adenauer von Fricke beraten. Enger war hingegen der Kontakt zu Ludwig Erhard, den der Goslarer Unternehmer sehr bewunderte.

Seit 1950 gehörte Fricke nicht mehr der Landesregierung an und aufgrund des schlechten Wahlergebnisses der Niederdeutschen Union (CDU und Deutsche Partei, DP) im April 1951 verlor er auch sein Landtagsmandat. Trotzdem ging sein innerparteilicher Aufstieg weiter: 1949 übernahm er den Vorsitz des CDU-Kreisverbandes Goslar-Stadt und 1952 wurde er zum Vorsitzenden des Landesverbandes Braunschweig der CDU gewählt. Als solcher gehörte er auch dem Präsidium der CDU in Niedersachsen an. Dessen Präsidierender Vorsitzender, Adolf Cillien aus Hannover, war seit 1953 Abgeordneter des Deutschen Bundestages und daher häufig in Bonn. Die Lücke in Niedersachsen wurde mehr und mehr von Otto Fricke ausgefüllt, der zur dominierenden Persönlichkeit der CDU in Niedersachsen aufstieg. Insbesondere kümmerte er sich um die Organisation und die Finanzen der Partei. Als Unternehmer und Vorsitzender von Wirtschaftsverbänden – seit 1949 stand er an der Spitze des Bundes Deutscher Baustoffhändler und 1953 wurde er zum Präsidenten des Bundesverbandes Groß- und Außenhandel gewählt – sammelte Fricke unermüdlich Geld für die Parteikasse und die Wahlkämpfe. „Kaiser Otto“, wie Fricke zumeist respektvoll genannt wurde, besaß eine natürliche Autorität und immer ein offenes Ohr für Anliegen oder Informationen. Er war bestens über jeden Kreisverband der CDU in Niedersachsen informiert und setzte sich insbesondere für Vertriebene ein. Mit viel Fleiß und einem enormen Gedächtnis bemühte sich der Firmenchef und Familienvater darum, die CDU zur stärksten bürgerlichen Partei in Niedersachsen zu machen. Hatte die CDU noch bei der Landtagswahl 1951 zusammen mit der DP nur 23,8 Prozent der Wählerstimmen erreicht, so waren es 1955 alleine schon 26,6 Prozent. Bei der Wahl 1959 gewann die CDU bereits 30,8 Prozent und 1963, mit Fricke als Spitzenkandidaten, dann einen Stimmenanteil von 37,7 Prozent.

Präsidierender Vorsitzender

Nach dem Tod von Adolf Cillien im April 1960 wurde Fricke daher zum neuen Präsidierenden Vorsitzenden der CDU in Niedersachsen gewählt. Er arbeitete intensiv daran, den Parteiapparat zu professionalisieren und die drei selbständigen Landesverbände Braunschweig, Hannover und Oldenburg zusammenzuführen. Auch gelang es ihm, die Anhänger der zerfallenden DP größtenteils in die CDU zu integrieren. Nach einem Ministerposten strebte der Goslarer dabei nicht. Als Ministerpräsident Georg Diederichs (SPD) 1965 eine Koalition mit der CDU bildete, verzichtete Fricke auf den Eintritt ins Kabinett und zog es vor, weiterhin im Hintergrund die Fäden zu ziehen. Sein bisweilen eigenmächtiger Umgang mit Geld und Personalien brachte ihm jedoch zunehmend Kritik ein. Forderungen aus der Jungen Union Niedersachsens nach einem Generationswechsel in der CDU wies Fricke barsch zurück. Als ihm der JU-Vorsitzende des Landesverbandes Hannover, Rudolf Seiters, Anfang 1968 deshalb Selbstgefälligkeit und Honoratiorengehabe vorwarf, kritisierte ihn Fricke auf einer Pressekonferenz scharf und warf seinem möglichen Gegenkandidaten, Justizminister Gustav Bosselmann, „Belastungen aus der NS-Zeit“ vor. Damit hatte er den Bogen überspannt. Nach heftiger Kritik aus der Partei verzichtete Otto Fricke im Mai 1968 auf eine erneute Kandidatur. Stattdessen wurde auf dem Parteitag in Hannover Landwirtschaftsminister Wilfried Hasselmann zum neuen Vorsitzenden der CDU gewählt. Fricke wurde Ehrenvorsitzender des nun endlich reformierten Landesverbandes „CDU in Niedersachsen“.

Letzte Jahre

Gesundheitlich angeschlagen zog sich Fricke nach Goslar zurück. Überraschend legte er Ende 1968 auch den Vorsitz des Landesverbandes Braunschweig nieder. Bei der Landtagswahl 1970 verzichtete er auf eine erneute Kandidatur. Anlässlich seines 70. Geburtstages im März 1972 ehrte ihn der CDU Landesverband Niedersachsen mit einem großen Empfang in Hannover. Seine Heimatstadt verlieh ihm die Ehrenbürgerwürde für seinen unermüdlichen Einsatz zugunsten Goslars. Von Ministerpräsident Alfred Kubel erhielt er die Niedersächsische Landesmedaille überreicht, die höchste Auszeichnung des Landes. Nur wenige Monate später, am 3. September 1972, starb Otto Fricke plötzlich in Bad Harzburg. Zu der großen Trauerfeier in der Kaiserpfalz kamen zahlreiche Vertreter der Landesregierung und des Niedersächsischen Landtages, aus der Wirtschaft und von der CDU in sein geliebtes Goslar.

  • ACDP, 01-248

Andreas Grau