Rhöndorfer Ausgabe Online
An Dr. Ernst Schwering
, KölnHAStK Best. 904, A 1144
Lieber Herr Schwering!
Die Besprechung in Düsseldorf war ganz interessant1. Die Sie interessierende Frage wurde nicht berührt. Von Düsseldorf war niemand anwesend. Ich wurde von dem Leiter betont freundlich behandelt. Er regte auch an, ich möchte an der Tagung in Godesberg am 14.,15. [und] 16.12. teilnehmen2. Auf meinen Einwand, das sei mir doch verboten, sagte er, das werde er in Ordnung bringen. Heute erhielt ich die schriftliche Mitteilung, daß ich dorthin gehen könne. Gleichzeitig bekam ich heute ein Telegramm des O[ber] P[räsidenten], der Brigadier B[arraclough] bitte mich, morgen um 10.15 zu ihm in den Stahlhof zu kommen3 Warum Ihr Bruder am Sonntag nicht geladen war, weiß ich nicht, die Liste ist in Berlin aufgestellt worden. Es waren noch andere Vertreter der Christl. Dem, dort, aber ich kann nur meine dringende Bitte an Sie wiederholen: gehen Sie ganz in die Politik, es ist dringend nötig.
Ich hoffe, Sie in Godesberg zu treffen, dann müssen wir darüber sprechen. Vor einiger Zeit schrieb ich Ihnen wegen eines früher im Kölner Polizeipräsidium beschäftigt gewesenen Polizeisekretärs Königsfeld4. Er hatte im August beantragt, wiedereingestellt zu werden, ich hatte ihm das zugesagt. Ich hatte dann Sie gebeten, sich der Sache anzunehmen, er bekam aber jetzt die Antwort von einem Polizeiinspektor – der früher niemals bei der Polizei gewesen ist – Sie hätten das Gesuch dorthin abgegeben, es gehe nicht. Bitte prüfen Sie doch einmal die Sache selbst. – Ich hatte, als ich im August dem Manne die Zusage gab, das Recht dazu, und es würde ein Unrecht sein, wenn der Mann jetzt aus irgendwelchen nicht ausreichenden Gründen abgelehnt würde. –
Ich hatte Ihnen am Sonntag Abschrift eines Antrages des Mannes an den Regierungspräsidenten gegeben, und Sie wollten sich seiner annehmen. Bitte vergessen Sie ihn nicht. – Endlich hatte ich Ihnen in meinem Briefe vom 25.11. einen Adam Krahforst empfohlen, was ist daraus geworden5[?]
Bitte klemmen Sie sich auch hinter Manstetten und Fin[c]k, damit meine Hausangelegenheit endlich in Ordnung kommt6.
Ich kenne Ihre große Belastung, aber ich hoffe doch, daß es Ihnen möglich sein wird, meine verschiedenen Bitten zu erfüllen.
Auf baldiges Wiedersehen und mit vielen Grüßen
Ihr ergebener
Adenauer
Mit Schreiben vom 7.12.1945 (StBKAH 08.02) hatte Major Milward/Headquarters Military Government-Regierungsbezirk Cologne Adenauer für den 9.12.1945 zu einer Rede des britischen Vertreters beim interalliierten Kontrollrat in Berlin, Lt. Col. Noel G. Annan, »to prominent political leaders in the North Rine Province« eingeladen. Hierzu liegt in StBKAH 08.51 ein ebenfalls auf den 7.12.1945 datiertes Schreiben aus dem Oberpräsidium der Nord-Rheinprovinz vor, in dem die Veranstaltung näher charakterisiert und Adenauers Erscheinen mit Nachdruck erbeten wird: »…darüber hinaus ist mir ausdrücklich mitgeteilt worden, daß auf Ihre Teilnahme an der Besprechung besonderer Wert gelegt würde«; vgl. hierzu Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 39.
Die sich damit Anfang Dezember 1945 abzeichnende Entwicklung (Lockerung und baldige Aufhebung des Betätigungsverbots) wird durch ein Schreiben des führenden britischen Besatzungsoffiziers Capt. Michael A. Thomas an Adenauer vom 5.12.1945 bestätigt: »Es freut mich, daß Sie den ersten Beweis für die Berechtigung meines Optimismus als erbracht ansehen. Ich bin überzeugt, daß die Entwicklung auf dieser Linie weitergehen wird. (StBKAH 08.53; ein einleitend von Thomas erwähntes Adenauer-Schreiben konnte nicht nachgewiesen werden, liegt auch dem Adressaten nicht mehr vor). Zusätzlich zu Thomas verfügte Adenauer auch über gute persönliche Beziehungen zu Noel G. Annan (vgl. die Aktennotiz über ein Gespräch mit ihm vom Colonel Noel G. Annan vom 29.4.1946), die diesen Prozess weiter beschleunigten; vgl. hierzu die Erinnerungen Adenauers an den ›überraschenden Besuch eines englischen Obersten aus dem Hauptquartier in Bünde‹, Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953., S. 38 f. (Annan wird hier zwar nicht namentlich erwähnt, doch ist er aufgrund einer Angabe zur Person – »im Zivilberuf Professor in Oxford« – eindeutig identifizierbar; vgl. Terence Prittie, Adenauer, S. 146, 459).
Über die »Erste Reichstagung der Christlich-Demokratischen Union in Godesberg am 14., 15. und 16. Dezember 1945« (auf der u. a. Einigung über den Parteinamen CDU erzielt wurde) gibt eine 1946 als Heft 5 der Schriftenreihe der CDU des Rheinlandes erschienene Broschüre des Generalsekretärs Dr. Karl Zimmermann Auskunft; vgl. a. Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, S. 53-55 sowie die ausführliche Darstellung bei Leo Schwering, Frühgeschichte, S. 150-167 und Werner Conze, Jakob Kaiser, S. 42-45.
Die von von Gumppenberg unterzeichnete, mit Kurier übermittelte »schriftliche Mitteilung« aus dem Oberpräsidium der Nord-Rheinprovinz vom 13.12.1945 ist in StBKAH 08.02 erhalten. Daß Adenauer den Termin wahrgenommen hat und ihm bei dieser Gelegenheit offiziell die Aufhebung der verschiedenen Verbote, Auflagen und Einschränkungen mitgeteilt wurde, geht aus einem Schreiben von Major J. Alan Prior an den Kölner Oberbürgermeister Dr. Pünder vom 20.12.1945 hervor: »1. … daß er wieder volle Freiheit genieße betr. Teilnahme an jeder rechtmäßigen politischen Tätigkeit in oder außerhalb des Stadtkreises Köln. 2. Dr. Adenauer darf jetzt wohnen in Köln oder Köln besuchen, wann er will« (HAStK Acc. 2, A353; hier auch Schreiben Ernst Schwerings an Adenauer vom 22.12.1945, mit dessen Anlage Schwering die Mitteilung des Hauptquartiers Adenauer zur Kenntnis brachte).
Für Königsfeld hatte sich Adenauer bereits am 25.11.1945 bei Schwering verwendet.
Die in HAStK erhaltene Empfehlung wird verständlich und vervollständigt durch umfangreiche Nachkriegskorrespondenz in StBKAH 06.01, 07.02, 07.05, 07.15 und 07.27 (Adenauer am 7.12.1946: »… habe … daran gedacht, wie Sie im Jahre 1933 mir Ihre Namenstagsglückwünsche nach Maria Laach überbrachten.«).
Schwering hatte sich bereits während des Rechtsstreits zwischen 1934 und 1937 mehrfach für Adenauer eingesetzt; Belege hierfür bei Rudolf Morsey, Adenauer und der Nationalsozialismus, S. 479, 482, 484.