Rhöndorfer Ausgabe Online

14. Januar 1945

An Magda und Paul Hunold

, Aachen

Original in Privatbesitz Konrad Adenauer jun., Köln


Liebe Magda, lieber Paul1

Es wird Euch sicher sehr interessieren, Näheres über Lola und den kleinen Konrad zu hören2.

Es geht beiden sehr gut, das Kind ist kräftig, 7 1/4 Pfund nach der Geburt, es trinkt gut. Lola geht es auch recht gut, viel besser als nach Irene. Ihr könnt also in jeder Hinsicht unbesorgt sein. Lola war sehr tapfer, sie hat bis zum letzten Tage gearbeitet. In der Nacht zum Dienstag den 9.1. hat sie uns gegen vier Uhr geweckt. Gussie und ich sind mit ihr dann durch hohen Schnee, während der Geschützdonner von der Front herüberdröhnte, zum Honnefer Krankenhaus gewandert. Lola hatte schon starke Schmerzen, so daß wir alle fünf Minuten stehen bleiben mußten. Gegen 11 Uhr kam dann das Kind. Sie mußte mit einem Stich genäht werden, Milch hat sie auch jetzt wieder im Überfluß. Der Arzt Dr. Warkalla ist gut. Dr. Klee ist ja mit seiner Station noch nicht nach Honnef übergesiedelt, so daß sie in das Honnefer Krankenhaus und zu diesem Arzt gehen mußte. Im Krankenhaus wird sie 10 Tage bleiben können. Die kleine Irene ist, wie Lola Euch geschrieben haben wird, bei einer Bekannten von Lola, einer Frau Braun. Sie ist dort sehr gut aufgehoben, Gussie hat sich davon überzeugt. Wir hätten ihr jetzt diese Pflege nicht angedeihen lassen können. Wir haben kein Mädchen mehr, dürfen aber dafür Libet behalten, sie braucht nicht zum RAD. Nun hat Libet jetzt über eine Woche liegen müssen, Gussie auch einige Tage, ebenso Georg, die Lage im Hause war also ziemlich kritisch, was die Arbeit angeht. Schwester Erna wird wohl, wie wir von unserm Schwiegersohn aus Gladbach hören, Ende dieser Woche kommen, dann wird alles schon gehen.

Vor einigen Tagen kam für Dieter3 die Einberufung zum RAD, wir haben dem Boten, der sie brachte, Eure Adresse angegeben. 
Die Transport- und damit die Versorgungslage ist hier recht schwierig geworden, die Eisenbahn fällt sozusagen ganz aus, auch zum Teil die elektrischen Bahnen. Luft war in den letzten Tagen wegen des vorherrschenden Nebels ziemlich ruhig, insbesondere auch des Nachts. Lola hat zwar keine Angst, aber es ist das doch namentlich für die ersten Tage sehr gut gewesen.

Von Lola haben wir gehört, daß es Euch einigermaßen geht, daß auch Du, liebe Magda, Dich dort langsam einlebst. Diese Woche nach Lolas Weggang aus dem Krankenhause wird der kleine »Konrad, Paul, Karl« also getauft werden, dann werden wir Euer besonders gedenken. Karl wird er auch getauft, da unsere Lotte außer mir Patin werden soll. Ich hoffe, daß Euch dieser Brief bald erreicht und Euch wohl antrifft. 

Seid herzlichst von uns allen gegrüßt! 

Euer Konrad
 


  1. ^

    Regierungsbaumeister Paul Hunold und Ehefrau Magda geb. Huperz, Eltern der Adenauer-Schwiegertochter Karola (genannt Lola), seit 1942 verheiratet mit dem 1906 geborenen ersten Adenauer-Sohn Konrad Adenauer, der sich zu dieser Zeit noch als Angehöriger der Wehrmacht in Norwegen aufhielt, dort später in Kriegsgefangenschaft geriet, erst Ende 1945 nach Deutschland zurückkehrte, danach unter anderem dem Vorstand der Rheinischen Braunkohlen AG angehörte und sich später auch in führenden Funktionen in der CDU betätigte, so z. B. ab 1953 als Vorsitzender der Wirtschaftsvereinigung der CDU Rheinland. ­– Zu dieser Zeit ebenfalls noch bei der Wehrmacht: die in diesem Brief nicht erwähnten Adenauer-Söhne Max und Paul. Über die Bemühungen des Vaters um die Rückkehr der beiden – wie auch Konrads – aus der anschließenden Kriegsgefangenschaft geben mehrere in der Edition veröffentlichte Briefe Auskunft.

  2. ^

    Im nachfolgenden wird über die Geburt des Adenauer-Enkelkindes Konrad (genannt Konradin) Adenauer berichtet; hierzu inhaltlich weitgehend übereinstimmende Angaben bei Paul Weymar, Adenauer S. 258f. sowie vor allem in den Erinnerungen seiner Mutter Lola Hunold, Folge 5 der Artikelserie ›Mein Schwiegervater, der Kanzler‹, abgedruckt u. a. in: Kölnische Rundschau v. 29.12.1975.  

  3. ^

    Dietrich (genannt Dieter) Hunold, Bruder von Lola Adenauer, dessen Informationen zufolge das hier abgedruckte Schreiben seine Eltern und ihn in dem selbstgewählten Evakuierungsort Störmede/Kreis Lippstadt erreichte (aus dem die Familie Hunold im Juni 1945 nach Aachen zurückkehrte).