Rhöndorfer Ausgabe Online

15. April 1946 (Rhöndorf)

An führende katholische Geistliche in Köln

StBKAH 08.55, Verteiler: »Herrn Stadtdechant Dr. Grosche, Köln; Herrn Dechant Schreiber, Köln-Bickendorf; Herrn Dechant Gickler, Köln-Kalk«1


Sehr geehrte Herren!

Anliegend übersende ich Ihnen eine kurze Aktennotiz, die ich mir über unsere Besprechung am 9. d. Mts. gemacht habe2. Falls Sie eine Änderung für richtig halten, wäre ich Ihnen für Mitteilung dankbar. In der Zwischenzeit war ich beim Herrn Kardinal. Ich habe ihn nur sehr kurz über die Besprechung unterrichtet und ihm gesagt, vielleicht sei ich ihm nicht genügend objektiv bei der Berichterstattung, deshalb bäte ich ihn, sich Sie zur Berichterstattung über die Verhandlung kommen zu lassen3.

Ich bitte Sie nunmehr, Ihre Konfratres in den infragekommenden Gegenden Rheinlands und Westfalens möglichst bald davon in Kenntnis zu setzen, worum es sich bei der Zentrumspartei eigentlich handelt. Ich glaube, daß, wenn dieser Partei die ihr von manchen Geistlichen in Verkennung ihres wahren Charakters geleistete Hilfsstellung entzogen wird, sie sehr bald völlig bedeutungslos werden wird.

Wie sehr das vom christlichen Standpunkt zu begrüßen ist, brauche ich Ihnen gegenüber nicht besonders hervorzuheben. Ich glaube aber auch gerade als Laie sagen zu dürfen, daß ich es außerordentlich begrüßen würde, wenn dieser bedauernswerte Zwiespalt innerhalb des katholischen Klerus schnellstens verschwinden würde.

Ich erhalte von Stadtdirektor Hensel in Düsseldorf 2 Schreiben4, die ich in der Anlage beifüge. Auch diese Schreiben habe ich seiner Eminenz übersandt.

Mit hochachtungsvollen Grüßen bin ich
Ihr sehr ergebener
A

 


  1. ^

    Ein Hinweis auf die Kölner Stadtdechanten Schreiber und Gickler findet sich bei Hans Georg Wieck, Die Entstehung, S. 150.

  2. ^

    Dieser Gesprächstermin wird bestätigt durch Adenauers Eintragung (»Grosche«) in seinen Taschenkalender für 1946. Eine frühere Zusammenkunft bei Grosche am 5.2.1946 wie auch der vorausgegangene Beschluss der Kölner Stadtdechanten, »durch inoffizielle Gespräche die Basis für neue Verhandlungen« zwischen CDU und Zentrum zu schaffen, werden ausführlich erwähnt von Hans Georg Wieck, Die Entstehung, S. 150 f.; vgl. auch Paul Weymar, Adenauer, S. 303 und Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 87.

  3. ^

    Zu dem erwähnten Gesprächstermin bei Josef Kardinal Frings vgl. Rudolf Morsey, Adenauer und Kardinal Frings, S. 489. Adenauer-Briefwechsel mit Frings zur Parteienfrage ist für diesen Zeitraum in StBKAH nicht erhalten. Hans Georg Wieck (Die Entstehung, S. 66) und Walter Först (Geschichte, S. 64f.) weisen auf ein Frings-Schreiben an Wilhelm Hamacher vom 29.3.1946 hin, dem diesbezüglich Angaben zu entnehmen sind: »›im Interesse der guten Sache und weil der Feind links, d. h. im Lager der materialistischen Weltanschauung steht‹«, bitte er das Zentrum, »›1. überall da, wo die CDU bereits Fug gefaßt hat, vorderhand, d. h. vor den bevorstehenden Wahlen in diesem Sommer oder Herbst von der Gründung von Gruppen Ihrer Partei abzusehen, 2. in den Versammlungen keine Befehdung der CDU zu gestatten, 3. alles zu tun, um zu einer Einigung oder wenigstens zu einem festen Bündnis mit der CDU zu gelangen.‹«

  4. ^

    Hensel hatte am 25.3.1946 in Abschrift übermittelt: a) Schreiben des CDU- Vorsitzenden des Landkreises Düsseldorf-Mettmann, Landrat Martin Schönenborn, vom 21.3.1946 (»… verworrene Verhältnisse durch das Verhalten der Zentrumspartei …«); b) Schreiben des Vorsitzenden der CDU Erkrath, Hermann Moritz, vom 20.3.1946 »betr. das einseitige politische Verhalten des dortigen Pfarrverwalters Dr. Mohnen«, der unter Missbrauch seiner Amtsautorität Wahlwerbung für das Zentrum betreibe.