Rhöndorfer Ausgabe Online

15. April 1946 (Rhöndorf)

An Oberbürgermeister Dr. Karl Scharnagl

, München

StBKAH 07.03


Lieber Herr Scharnagl!

Inzwischen war Herr Dr. Jackowski1 bei mir und hat mir Ihren freundlichen Brief vom 29.3.46 überbracht2. In Stuttgart habe ich vor kurzem Herrn Dr. Müller ausführlich gesprochen und den Eindruck aus unserer Unterhaltung gewonnen, daß die Dinge bei Ihnen doch in eine erfreuliche Entwicklung gekommen sind. Sie werden davon unterrichtet worden sein, daß die Vertreter der Parteien in der amerikanischen Zone ihre Vereinigung zu einer Partei beschlossen haben und daß wir von der britischen Zone bei der Kontrollkommission die Genehmigung zur Vereinigung mit der Partei der amerikanischen Zone nachsuchen sollen.

Ich werde mich namentlich gegenüber gewissen Bestrebungen von früheren Gewerkschaftsführern innerhalb der CDU bemühen, mit Süddeutschland möglichst enge Fühlung zu halten.

Von Herrn Dr. Müller hörte ich, daß es Ihnen gut gehe. Ich habe mich darüber gefreut.

Seien Sie recht herzlich gegrüßt von
Ihrem ergebenen


  1. ^

    Hermann Jackowski, Vorstandsvorsitzender der Westdeutschen Waggonfabriken AG., hatte bereits im Spätsommer 1945 Vermittlerdienste zwischen Adenauer und Scharnagl geleistet; hierzu ein Schreiben Jackowskis an Adenauer vom 25.9.1945 in HAStK Acc. 2, A 357 (beiligend: Empfehlungsschreiben des langjährigen Direktors der Deutschen Bak in Köln, Ferdinand Rothe [geb. 1876], vom 9.7.1945).

  2. ^

    Diesem Scharnagl-Schreiben zufolge, hatte Adenauer bereits im März 1946 »die Meinung überbringen lassen, ich möchte mich aktiver an der Politik beteiligen und aus meiner Reserve zurücktreten.« Seine Zurückhaltung (»keine absolute Reserve«) sei – so Scharnagl daraufhin am 29.3.1946 – besonders auf den »Streit bezüglich der Landesleitung« zurückzuführen; der Kreis um Fritz Schäffer sei »so unverkennbar die frühere Bayerische Volkspartei, daß die Behauptung wieder Bedeutung gewinnt, Schäffer kenne nur diese und nicht die eigentliche Union.« Zu der von Scharnagl in diesem Zusammenhang betonten Gegnerschaft Schäffers zu Josef Müller vgl. Walter Berberich, Die historische Entwicklung, S. 57-60 und Alf Mintzel, Die CSU, S. 99-108.