Rhöndorfer Ausgabe Online
An Captain Michael A. Thomas
, Bad OeynhausenStBKAH 08.53
Lieber Herr Thomas1!
Ich nehme an, daß die Adresse Bad Oeynhausen an die Stelle Ihrer alten Adresse gekommen ist.
Für Ihren Brief vom 9. d. Mts. danke ich Ihnen vielmals2. Bitte, geben Sie mir Nachricht, wann und wohin ich einen offiziellen Antrag stellen soll. Etwas erstaunt bin ich über Ihre Mitteilung, daß man noch positiver eingestellt wäre, wenn sich mein Vorschlag auf das gesamte Reichsgebiet erstrecken würde. Col. Annan hatte mir vor einigen Wochen eine entgegengesetzte Mitteilung gemacht. Natürlich würden wir prinzipiell durchaus dazu bereit sein. Ich darf Ihnen aber sehr vertraulich mitteilen, daß die Entwicklung der CDU in der russisch besetzten Zone uns Sorge macht. Das liegt zum größten Teil an der dort herrschenden Atmosphäre. Wir fürchten, daß es der CDU dort auf die Dauer so gehen wird wie der SPD3. Ich höre auch zuverlässig, daß schon Sondierungen wegen einer Einheitsliste bei der CDU gemacht worden sind. Es kommt ein Zweites hinzu: Herr Kaiser hat Anschauungen, die in vielen Kreisen der CDU, insbesondere in süddeutschen Kreisen, nicht geteilt werden. Ich bin in Stuttgart beauftragt worden, dieserhalb mit ihm Fühlung zu nehmen. Diese Fühlung hat stattgefunden und im großen und ganzen auch zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Die Bedenken bestehen namentlich in Süddeutschland. Ich glaube aber, daß diese Spannungen alle zu überwinden sind. Ich bin dafür eingetreten, daß das Parteitreffen der CDU in Berlin, das für Mai vorgesehen ist, von Süddeutschland und Westdeutschland auch beschickt wird, nachdem eindeutig klargestellt war, daß es sich nicht um ein Reichsparteitreffen, sondern um ein Treffen der Berliner und der russisch besetzten Zone handelt und daß die den übrigen Zonen angehörigen Persönlichkeiten nicht stimmberechtigt sein würden. –
Vom 24. bis 26.4.46 haben wir eine Sitzung des Zonenausschusses der CDU in der Nähe von Gütersloh4 Die genaue Adresse kann Ihnen Herr Oberbürgermeister Holzapfel, Herford, mitteilen.
Vom 29.4. bis 3.5.46 werde ich in Hamburg beim Zonen[beirat] sein5. In der darauf folgenden Woche hoffe ich, in Rhöndorf oder Köln sein zu können.
Ich habe sehr bedauert, daß wir in Stuttgart gestört wurden. Es gibt wirklich sehr wesentliche Dinge, die man in Ruhe einmal besprechen müßte. Col. Annan hatte mir seinen Besuch hier in Rhöndorf in Aussicht gestellt6. Es scheint aber nichts daraus geworden zu sein. Jedenfalls würde ich mich freuen, Sie oder ihn bald einmal in Ruhe sprechen zu können.
Mit vielen Grüßen
Ihr ergebener
P.S: Die Verbindungsmöglichkeiten mit der französischen Zone sind sehr schlecht. Soviel ich weiß, ist dort jetzt auch politische Betätigung gestattet. Wir werden versuchen, auch dorthin Fühlung zu bekommen. Aus Ihren Briefen darf ich wohl schließen, daß auch dagegen keine Bedenken bestehen.
D.U.
Die biographischen Anhaben zu Thomas stützen sich weitgehend auf Auskünfte von Herrn Michael Thomas, dem der Bearb. zu besonderem Dank verpflichtet ist (wie auch Herrn Peter von Zahn, der die Verbindung möglich machte). Die Verdienste Thomas' werden unter anderem gewürdigt von Carlo Schmid (Erinnerungen, S. 171: »…Freundschaft…bis zum heutigen Tage…«, erster Nachkriegskontakt im Frühsommer 1945, vgl. auch S. 370) und Herbert Blankenhorn (Verständnis, S. 73: ›wertvolle und weitsichtige‹ Hilfe bei der Vermittlung deutscher Wünsche zur britischen Militärregierung; vgl. hierzu auch Arnulf Baring, Außenpolitik, S. 13, 23f.).
Michael A. Thomas hatte am 9.4.1946 mitgeteilt, »daß die Frage, die Sie mir in Stuttgart stellten, hier grundsätzlich positiv beantwortet wird und daß sie nunmehr in Berlin mit den Amerikanern besprochen wird. Ich könnte sogar sagen, daß man noch positiver eingestellt wäre, wenn sich Ihr Vorschlag nicht nur auf zwei Zonen, sondern auf das gesamte Reichsgebiet erstrecken würde.«
Zwangsfusionierung von sowjetzonaler SPD und KPD zur SED am 21./22.4.1946.
Tagung des Zonenausschusses am 25./26.4.1946 in Neuenkirchen/Kreis Wiedenbrück; Druck des Protokolls: Helmuth Pütz (Bearb.), Konrad Adenauer, S. 135-145.
Laut Eintragung in seinen Taschenkalender reiste Adenauer am 29.4.1946 nach Hamburg zu einer für den 30.4.1946 um 16.00 Uhr anberaumten (wohl vorbereitenden) Tagung des Rechtsausschusses des Zonenbeirats (der dann am 2.5.1946 konstituiert wurde; vgl. Akten zur Vorgeschichte Bd. 1, S. 459); anschließend nahm er am 2./3.5.1946 an der 3. Zonenbeiratssitzung teil (ebd., S. 442-468).
Vgl. die Aktennotiz über ein Gespräch mit Colonel Noel G. Annan vom 29.4.1946.