Rhöndorfer Ausgabe Online

15. Februar 1946 (Rhöndorf)

Aktennotiz über Besprechungen in Düsseldorf

StBKAH 08.57


Die Verfügung der brit. Militärregierung vom 14.1.46 über die Wiedereinrichtung konfessioneller Volksschulen habe ich in Düsseldorf anhand des englischen Textes und des Reichskonkordats nochmals durchgeprüft1. Folgende Auslegungen der Vorschriften des Abschnittes IV sind möglich:

1. Die Ermächtigung der Behörde unter Ziffer 11, eine Entscheidung darüber zu fällen, ob sie die Artikel des Konkordats zur Anwendung bringen will oder nicht, kann sich auch auf die prinzipielle Entscheidung beziehen, ob sie überhaupt katholische konfessionelle Volksschulen, wie sie der Artikel 23 des Konkordats vorsieht, einrichten will, so daß, wenn die Behörde diese Entscheidung fällt, eine Erklärung der Eltern nicht mehr nötig wäre. (Artikel 23 des Konkordats sieht vor, daß für Preußen der bestehende Rechtszustand erhalten bleiben soll)2.

Für diese Auslegung spricht folgendes: Der Artikel 23 des Konkordats ist nicht von der Anwendung ausdrücklich ausgenommen, obgleich er vollständig außer Anwendung gesetzt werden wird, wenn die Bestimmungen der Abschnitte II und III zur Anwendung kommen sollen. Der eingeklammerte Satz unter Ziffer 11 a »sofern sie Angelegenheiten betreffen, die nicht bereits in den Abschnitten II und III oben behandelt worden sind«, hat im Englischen ein Wort, das mehrdeutig ist und nicht mit »behandelt« übersetzt zu werden braucht. Es ist ferner hervorzuheben, daß die Anführung der Bestimmungen des Abschnitts II auch bei Anwendung des Artikels 23 des Konkordats zum Teil bestehen bleiben, insbesondere Abschnitt II 2,6. Die Auslegung des Abschnitts IV 11, daß der Artikel 23 des Konkordats, wenn die Behörde dem zustimmt, anstelle der Verlautbarung der Eltern tritt, ist zwar wahrscheinlich nicht richtig; auf alle Fälle muß aber diese Frage klar gestellt werden.

2. Wenn die vorstehend skizzierte Auslegung der Bestimmungen unzutreffend ist, so hat doch die Schulverwaltungsbehörde, das ist hier der Provinzialrat, auch nach der Elternabstimmung sehr wichtige Entscheidungen zu treffen, nämlich Entscheidungen darüber, ob die übrigen Artikel des Konkordats Anwendung finden sollen oder nicht. Hier sind besonders hervorzuheben die Bestimmungen des Konkordats über die Eignung der Lehrer an den katholischen konfessionellen Schulen und über ihre besondere Ausbildung, auch diejenige über den Religionsunterricht. Es würde also der Fall denkbar sein, daß zwar die Eltern in genügender Zahl die Einrichtung von konfessionellen Schulen wünschen, daß aber infolge eines dahingehenden Beschlusses des Provinzialrats keine geeigneten Ausbildungsstätten für Lehrer an konfessionellen Volksschulen geschaffen würden. Die Stellungnahme des Provinzialrats ist also auf alle Fälle wichtig.
 


  1. ^

    Zur Haltung der Militärregierung in der Schulfrage, auch zu dieser ›Instruktion‹, vgl. Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 387; Maria Halbritter, Schulreformpolitik, S. 19-28 sowie vor allem Arthur Hearnden (Hg.), The British in Germany.

  2. ^

    Zum Reichskonkordat vom 20.7.1933, auch zur Konkordatsregelung für das Schulwesen, vgl. Karl Dietrich Erdmann, Die Zeit der Weltkriege, S. 425-444. Der Wortlaut des von Adenauer im nachfolgenden verwendeten Art. 23 des Reichskonkordats: »Die Beibehaltung und Neueinrichtung katholischer Bekenntnisschulen bleibt gewährleistet. In allen Gemeinden, in denen Eltern oder sonstige Erziehungsberechtigte es beantragen, werden katholische Volksschulen errichtet werden, wenn die Zahl der Schüler unter gebührender Berücksichtigung der örtlichen schulorganisatorischen Verhältnisse einen nach Maßgabe der staatlichen Vorschriften geordneten Schulbetrieb durchführbar erscheinen läßt«; zit. nach Ludwig Volk, (Bearb.), Kirchliche Akten über die Reichskonkordatsverhandlungen, Mainz 1969 (Band 11 [Reihe A: Quellen] der Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte), S. 289.