Rhöndorfer Ausgabe Online
An Abt Dr. Ildefons Herwegen
, Abtei Maria LaachOriginal in Abtei Maria Laach; eigenhändig
Lieber Herwegen!
Zu meinem großen Bedauern höre ich von Paul, daß Du seit einiger Zeit Dich nicht wohl fühlst1. Ich bedauere das sehr. In der gegenwärtigen verwirrten Zeit, in der sicher viele Menschen nach M[aria] Laach kommen, um sich Rat zu holen, wird es Dir sicher besonders schwer sein, Dich ihnen versagen zu müssen2. Ich könnte mir auch denken, daß Deine Klosterfamilie auch in dieser Zeit in besonderer Weise Deiner bedarf. Kannst Du nicht nach der Schweiz gehen? Ich kenne Fälle, in denen es Kranken gestattet wurde.
Ich wünsche Dir und M[aria] Laach ein recht gesegnetes und schönes Weihnachtsfest und alles Gute für das so dunkel vor uns liegende Jahr 1946.
Wie es mir geht, wirst Du wohl von Paul gehört haben
Sobald es mir möglich sein wird, werde ich mir gestatten, Dich aufzusuchen.
Mit recht herzlichen Grüßen, auch von meiner Frau, wie immer
Dein
K. Adenauer
Eigene Mitteilungen Herwegens über seinen Gesundheitszustand konnten für diesen Zeitraum nicht nachgewiesen werden. Doch enthält ein Glückwunschschreiben von Pater Johannes Vollmar/Maria Laach zum 70. Geburtstag Adenauers vom 10.1.1946 den Hinweis, daß »aus Köln-Lindenthal (Hohenlind) beruhigende Nachrichten über das Befinden unseres hochwürdigsten Vater Abtes« gekommen seien (StBKAH 14.03); zu Vollmar und Adenauer bzw. deren Kontakten in Maria Laach 1933/34 vgl. Rudolf Morsey, Adenauer und der Nationalsozialismus, S. 487, 801f. Vgl. auch das Schreiben an Johannes Vollmar vom 23.9.1946.
Über eine Ende 1945 auch andernorts »nicht zu übersehende religiöse Bewegtheit« (»… als ob die während des Krieges vergeblich erwartete religiöse Besinnung nun langsam durchbreche«) berichtet auch Robert Grosche. Kölner Tagebuch, S. 155 f.