Rhöndorfer Ausgabe Online
An Rechtsanwalt Dr. Otto Schmidt
, Wuppertal-BarmenOriginal in LAV NRW R, RWN 0119/1
Sehr geehrter Herr Schmidt!
Ihren Brief vom 20.2.46 habe ich erhalten1. Die Feststellung des Programms für die Brit. besetzte Zone ist jetzt wohl Sache des Zonenausschusses. Die Festsetzung kann nicht einzelnen Landesparteien überlassen werden. Wir würden dann ja zu leicht in wichtigen Dingen auseinander gehen. Der Programmausschuß des Zonenausschusses beschäftigt sich mit dem Programmentwurf. Die bei Ihnen laut gewordene Kritik, daß der neue Programmentwurf weniger an christlicher Substanz aufweise, halte ich nicht für gerechtfertigt. Zunächst ist ja das Wesentliche, daß der Inhalt des Programms den christlichen Grundsätzen entspricht. Das ist doch wohl absolut der Fall. Es ist aber auch weiter in der Präambel und an mehreren Stellen des Programmentwurfs selbst ausdrücklich auf die christliche Grundlage und die christlichen Grundsätze hingewiesen. Ich werde aber Ihren Brief vom 20.2. dem Programmausschuß des Zonenausschusses übermitteln und auf die dort laut gewordenen Bedenken ausdrücklich aufmerksam machen.
Mit ergebenen Grüßen
Ihr
Adenauer
Schmidt hatte Adenauer von einer Besprechung des Programmentwurfs im Vorstand der Wuppertaler Kreispartei in Kenntnis gesetzt. Dabei sei »einhellig« betont worden, »daß der neue Programmentwurf gegenüber den Leitsätzen ein Weniger an christlicher Substanz aufweise, und daß das sowohl in evangelischen wie in katholischen Kreisen, die um des betont christlichen Willen zu unserer Partei stoßen, als Mangel empfunden werden müsse«.
Zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Antwort Adenauers vgl. Peter Hüttenberger, Nordrhein-Westfalen, S. 68 und Rudolf Uertz, Christentum, S. 78.